Dialyse aktuell 2007; 11(6): 44
DOI: 10.1055/s-2007-986508
Interview

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Therapie der renalen Anämie - Besonderheiten von Epoetin delta

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Publication Date:
17 September 2007 (online)

 
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    Während herkömmliche rekombinante Epoetine aus Ovarialzellen des chinesischen Hamsters gewonnen werden, wird das Anämiepräparat Epoetin delta auf der Basis einer humanen Hautzelllinie produziert. Der Essener Nephrologe Prof. Andreas Kribben äußerte sich neben einem möglicherweise geringeren immunogenen Risiko, auch über Aspekte wie die Wirksamkeit und Sicherheit im Vergleich zu anderen Epoetinen.

    ? Herr Professor Kribben, Epoetin delta - jetzt als Dynepo® zur Behandlung von Patienten mit renaler Anämie verfügbar - ist kein Biosimilar, sondern dem humanen Epoetin ähnlicher als die anderen bisher zugelassenen Epoetine. Was genau sind die Besonderheiten?

    Prof. A. Kribben: Epoetin delta ist das einzige zugelassene Epoetin, das in humanen Zellen hergestellt wird. Epoetine sind Glykoproteine, das heißt bestehen aus einem Protein- und einem Kohlenhydratanteil. Die Zusammensetzung des Proteins ist abhängig von dem Gen. Die Zusammensetzung der Kohlenhydratseitenketten von dem Enzymmuster der Wirtszelle. Epoetin delta weist daher nicht nur die humane Aminosäurensequenz im Proteinanteil auf, sondern auch ein humanes Profil der Kohlenhydratseitenketten. Das unterscheidet Epoetin delta von allen anderen rekombinanten Epoetinen, die zwar einen menschentypischen Proteinanteil haben, aber Kohlenhydratseitenketten tragen, die von Hamsterzellen hergestellt werden und damit tierischen Ursprungs sind. Diese Unterschiede sind real. Da die Kohlenhydratseitenketten wichtige biologische Funktionen haben und auch immunogen aktiv sind, erscheint es günstig, wenn sie menschlichen Ursprungs sind wie beim Epoetin delta und nicht tierischen Ursprungs wie bei allen anderen Epoetinen.

    Epoetin delta ist kein Biosimilar, sondern eine Fortentwicklung der Epoetine mit der innovativen Technologie der Genaktivierung in einer humanen Zelllinie. Unter Biosimilars versteht man biologisch hergestellte Arzneimittel, bei denen der ursprüngliche Herstellungsprozess nachgeahmt wird. Mit solchen Nachahmern der herkömmlichen Epoetine ist demnächst zu rechnen, doch stammen sie als Biosimilars dann eben auch aus Hamsterzellen und sind somit tierischer Herkunft

    ? Rechnen Sie damit, dass Epoetin delta aufgrund seiner Herstellung in humanen Zellen besser ist als die anderen Epoetine?

    Kribben: Die Kohlenhydratseitenketten bestimmen beispielsweise die Affinität des Erythropoetins zu den Rezeptoren der Effektorzellen. Auch die Halbwertszeit ist von den Seitenketten abhängig und nicht zuletzt auch die Antigenität und Immunogenität der Substanz. Zudem wissen wir heute, dass es über die Stimulierung der Erythropoese hinaus vielfältige Epoetin-Effekte gibt, wenngleich diese noch längst nicht alle im Detail verstanden sind. Ich denke da an die neuroprotektiven, kardioprotektiven und nephroprotektiven Effekte. Ob sich Epoetin delta wegen seiner größeren Ähnlichkeit zum natürlichen humanen Epoetin hinsichtlich dieser nicht erythropoetischen Effekte von den anderen Epoetinen unterscheidet, ist durchaus von Interesse, muss aber noch erforscht werden. Klar ist, dass die Erythropoese durch Epoetin delta mindestens genauso stark stimuliert wird wie durch die anderen Epoetine. Das wurde in kontrollierten Studien nachgewiesen.

    ? Soweit die Wirksamkeit - doch wie steht es um die Sicherheit? Ist die auch für alle Epoetine gleich?

    Kribben: Klinisch erscheinen alle rekombinanten Epoetine derzeit gleich sicher. Im klinischen Entwicklungsprogramm erwies sich Epoetin delta als sicher und verträglich: Im direkten Vergleich zu Epoetin alfa war das Sicherheitsprofil von Epoetin delta gleich. Je ähnlicher allerdings das exogene Epoetin dem endogenen Epoetin ist, umso geringer ist das Risiko für unerwartete Reaktionen - zumindest theoretisch. Dies spricht für Epoetin delta, da es dem humanen Epoetin am ähnlichsten ist.

    Die isolierte aplastische Anämie, auch "Pure Red Cell Aplasia" oder kurz PRCA genannt, ist eine schwerwiegende Antikörperreaktion. Bei allen herkömmlichen Epoetinen kam es vereinzelt zur PRCA. Von Epoetin delta sind bisher PRCA-Fälle nicht bekannt und konnten in den klinischen Studien auch nicht nachgewiesen werden. Allerdings sind die Erfahrungen mit Epoetin delta noch zu gering, als dass man sagen kann, dass Antikörperreaktionen darunter niemals auftreten werden.

    ? Ganz gleich, ob Epoetin in tierischen oder menschlichen Zelllinien hergestellt wird: Diese Zellen sind so mutiert, dass sie "unsterblich" geworden sind, sich also ständig weiter vermehren. Ergibt sich daraus ein Risiko für die Anwendung der in diesen Zellen produzierten Epoetine?

    Kribben: Wir sind bei diesen biotechnologischen Verfahren zur Arzneimittelherstellung auf Zellen angewiesen, die nicht nach kurzer Zeit in vitro absterben, sondern über lange Zeit bei unveränderter Produktivität stabil gehalten werden können. Diese genetisch veränderten, "entarteten" Zelllinien, deren Apoptosemechanismen ausgeschaltet sind und die zur Produktion von Epoetinen eingesetzt werden, sind seit Jahrzehnten bekannt, gut beschrieben und einer offiziellen Zellbank entnommen. Dies gilt sowohl für die Zelllinie der Hamsterovarialzellen (CHO) als auch für die humane Zelllinie HT-1080.

    Das gewünschte Produkt, in diesem Fall das Epoetin, wird aus der Zelle extrahiert, isoliert und gereinigt und ist frei von allen anderen Bestandteilen, die aus der Zelle oder dem umgebenden Milieu stammen. Hier herrschen sehr strenge Qualitätsvorschriften, die auch genauestens überwacht werden. Insofern enthalten die fertigen Arzneimittel gar keine Bestandteile der produzierenden "entarteten" Zelle. Dies gilt nicht nur für Epoetin, sondern ebenso für andere biotechnologisch hergestellte Produkte wie beispielsweise Insulin.

    ! Vielen Dank für das Interview, Herr Professor Kribben