Foto: S. Morbach
Diabetiker mit Fußläsionen und chronisch kritischer Extremitätenischämie haben ein
sehr hohes Risiko für Majoramputationen. Die kontrollierte Fibrinogensenkung durch
eine niedrig dosierte Urokinasetherapie (Urokinase HS medac) kann der Gefahr einer
Majoramputation entgegenwirken, erklärte Professor Dr. Sebastian Schellong vom Universitäts
GefäßCentrum (UCG) Dresden.
In einer prospektiven Kohortenstudie wurden Durchführbarkeit, Wirksamkeit und Sicherheit
dieses Therapiekonzeptes entsprechend den derzeitigen CPMP-Kriterien geprüft.
76 Typ-2-Diabetiker mit diabetischem Fußsyndrom (DFS), einem erhöhten Fibrinogenspiegel
≥ 4,0 g/l und kritischer Extremitätenischämie ohne Option zur operativen oder interventionellen
Revaskularisierung wurden über 21 Tage mit einer von der Höhe des Fibrinogens abhängigen
täglichen Dosis von 500 000 oder 1 Mio IE Urokinase i. v. behandelt und über 12 Monate
nachbeobachtet. Die Therapie erfolgte als intravenöse Kurzinfusion über 30 Minuten.
Als primärer Wirksamkeitsparameter galt das Überleben ohne Majoramputation mit abgeheilten
Fußläsionen; sekundäre Parameter waren Mortalität, Majoramputation, Abheilung der
Zielläsion und schwere Blutungen. Im Mittel erhielten die Patienten 18 Urokinasebehandlungen.
18 Patienten beendeten die Urokinasetherapie vorzeitig, 11 davon wegen unerwünschter
Ereignisse. In zwei Fällen traten schwere Blutungen, bei vier Patienten leichte Blutungen
auf.
Hohe Beinerhaltungsrate und niedrige Mortalität
Hohe Beinerhaltungsrate und niedrige Mortalität
75 Patienten, die mindestens eine Urokinasetagesdosis erhalten hatten, konnten ausgewertet
werden. Nach 12 Monaten waren 82 % der Fußläsionen komplett abgeheilt. Die Rate der
Majoramputationen lag bei 19 %. Nach 12 Monaten lebten noch 85 % der Patienten. 32
% der Patienten erreichten das Ende des Beobachtungszeitraums ohne Ulzerationen und
ohne Majoramputation. Die Rate der Patienten, die nach 12 Monaten ohne Majoramputationen
überlebt hatten, betrug 69 %. Sowohl die Majoramputationsrate als auch die Mortalität
fielen in der Studie geringer aus als in vergleichbaren publizierten Kohorten, hob
Schellong hervor und erklärte, die Urokinasetherapie sei bei nicht revaskularisierbaren
Diabetikern mit Fußläsionen und chronischer kritischer Extremitätenischämie eine viel
versprechende Option und stelle eine bedenkenswerte Alternative für diese Patienten
dar, die ansonsten eine klassische Indikation zur Majoramputation haben.
Bedeutung der Gefäßchirurgie
Bedeutung der Gefäßchirurgie
Bei DFS-Patienten, bei denen eine Revaskularisierung noch möglich ist -das sind etwa
90 % der Betroffenen - sollte diese stets vor der Durchführung einer Majoramputation
erwogen werden, so Professor Dr. Gerhard Rümenapf vom Oberrheinischen Gefäßzentrum
Speyer-Mannheim. Die Beinerhaltung sowie die 5-Jahres-Offenheit cruro-pedaler Rekonstruktionen
betrage in ausgewählten Zentren bis zu 80 %. Erfolg versprechend sind auch sogenannte
Hybrideingriffe, bei denen chirurgische mit interventionellen Maßnahmen wie PTA oder
Stent kombiniert werden.
In Kombination mit interventionellen Verfahren biete die Gefäßchirurgie das breiteste
Behandlungsspektrum. Das ökonomischste Vorgehen sei die Kombination aus arterieller
Rekonstruktion (OP und/oder PTA), Debridement und Minoramputation. Die gefäßchirurgische
Behandlung von Diabetikern müsse stets Teil einer multidisziplinären Gefäßmedizin
sein, resümierte Rümenapf.
Nationale Versorgungsleitlinie
Nationale Versorgungsleitlinie
Hierzulande werden noch immer ca. 15 000 Majoramputationen pro Jahr bei Diabetikern
durchgeführt. Hilfreich für ein optimiertes Versorgungsmanagement des DFS in der Praxis
ist die nationale Versorgungsleitlinie (NVL) "Diabetisches Fußsyndrom", die sich an
den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft und des National Institute for
Clinical Excellende (NICE) orientiert, erläuterte Dr. Stephan Morbach vom Marienkrankenhaus
Soest. Die NVL wurde Ende 2006 von der Bundesärztekammer, der Arbeitsgemeinschaft
von wissenschaftlichen Fachgesellschaften und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
herausgegeben und enthält u. a. einen Algorithmus zur Gefäßdiagnostik mit Schnittstellen
zur Therapie sowie Checklisten und Beratungshilfen für das Arzt-Patienten-Gespräch.
Wie Morbach betonte, erfordert die Behandlung diabetischer Fußulzera die Betreuung
durch ein multidisziplinäres Team. Die standardisierte Anwendung der verfügbaren Verfahren
nach leitlinienbasierten Behandlungspfaden durch alle an der Versorgung Beteiligten
könne die Wahrscheinlichkeit von Amputationen drastisch vermindern.
Melitta Zakel
Quelle: Symposium Therapieoptionen beim diabetischen Fußsyndrom im Rahmen der 113.
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Wiesbaden, 17.
April 2007, unterstützt von medac - Gesellschaft für klinische Spezialpräparate