Diabetes aktuell 2007; 5(4): 175
DOI: 10.1055/s-2007-985952
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diabetisches Fußsyndrom - Urokinasetherapie senkt die Amputationsrate und die Mortalität

Further Information

Publication History

Publication Date:
27 August 2007 (online)

 
Table of Contents
Zoom Image

Foto: S. Morbach

Diabetiker mit Fußläsionen und chronisch kritischer Extremitätenischämie haben ein sehr hohes Risiko für Majoramputationen. Die kontrollierte Fibrinogensenkung durch eine niedrig dosierte Urokinasetherapie (Urokinase HS medac) kann der Gefahr einer Majoramputation entgegenwirken, erklärte Professor Dr. Sebastian Schellong vom Universitäts GefäßCentrum (UCG) Dresden.

In einer prospektiven Kohortenstudie wurden Durchführbarkeit, Wirksamkeit und Sicherheit dieses Therapiekonzeptes entsprechend den derzeitigen CPMP-Kriterien geprüft.

76 Typ-2-Diabetiker mit diabetischem Fußsyndrom (DFS), einem erhöhten Fibrinogenspiegel ≥ 4,0 g/l und kritischer Extremitätenischämie ohne Option zur operativen oder interventionellen Revaskularisierung wurden über 21 Tage mit einer von der Höhe des Fibrinogens abhängigen täglichen Dosis von 500 000 oder 1 Mio IE Urokinase i. v. behandelt und über 12 Monate nachbeobachtet. Die Therapie erfolgte als intravenöse Kurzinfusion über 30 Minuten. Als primärer Wirksamkeitsparameter galt das Überleben ohne Majoramputation mit abgeheilten Fußläsionen; sekundäre Parameter waren Mortalität, Majoramputation, Abheilung der Zielläsion und schwere Blutungen. Im Mittel erhielten die Patienten 18 Urokinasebehandlungen. 18 Patienten beendeten die Urokinasetherapie vorzeitig, 11 davon wegen unerwünschter Ereignisse. In zwei Fällen traten schwere Blutungen, bei vier Patienten leichte Blutungen auf.

#

Hohe Beinerhaltungsrate und niedrige Mortalität

75 Patienten, die mindestens eine Urokinasetagesdosis erhalten hatten, konnten ausgewertet werden. Nach 12 Monaten waren 82 % der Fußläsionen komplett abgeheilt. Die Rate der Majoramputationen lag bei 19 %. Nach 12 Monaten lebten noch 85 % der Patienten. 32 % der Patienten erreichten das Ende des Beobachtungszeitraums ohne Ulzerationen und ohne Majoramputation. Die Rate der Patienten, die nach 12 Monaten ohne Majoramputationen überlebt hatten, betrug 69 %. Sowohl die Majoramputationsrate als auch die Mortalität fielen in der Studie geringer aus als in vergleichbaren publizierten Kohorten, hob Schellong hervor und erklärte, die Urokinasetherapie sei bei nicht revaskularisierbaren Diabetikern mit Fußläsionen und chronischer kritischer Extremitätenischämie eine viel versprechende Option und stelle eine bedenkenswerte Alternative für diese Patienten dar, die ansonsten eine klassische Indikation zur Majoramputation haben.

#

Bedeutung der Gefäßchirurgie

Bei DFS-Patienten, bei denen eine Revaskularisierung noch möglich ist -das sind etwa 90 % der Betroffenen - sollte diese stets vor der Durchführung einer Majoramputation erwogen werden, so Professor Dr. Gerhard Rümenapf vom Oberrheinischen Gefäßzentrum Speyer-Mannheim. Die Beinerhaltung sowie die 5-Jahres-Offenheit cruro-pedaler Rekonstruktionen betrage in ausgewählten Zentren bis zu 80 %. Erfolg versprechend sind auch sogenannte Hybrideingriffe, bei denen chirurgische mit interventionellen Maßnahmen wie PTA oder Stent kombiniert werden.

In Kombination mit interventionellen Verfahren biete die Gefäßchirurgie das breiteste Behandlungsspektrum. Das ökonomischste Vorgehen sei die Kombination aus arterieller Rekonstruktion (OP und/oder PTA), Debridement und Minoramputation. Die gefäßchirurgische Behandlung von Diabetikern müsse stets Teil einer multidisziplinären Gefäßmedizin sein, resümierte Rümenapf.

#

Nationale Versorgungsleitlinie

Hierzulande werden noch immer ca. 15 000 Majoramputationen pro Jahr bei Diabetikern durchgeführt. Hilfreich für ein optimiertes Versorgungsmanagement des DFS in der Praxis ist die nationale Versorgungsleitlinie (NVL) "Diabetisches Fußsyndrom", die sich an den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft und des National Institute for Clinical Excellende (NICE) orientiert, erläuterte Dr. Stephan Morbach vom Marienkrankenhaus Soest. Die NVL wurde Ende 2006 von der Bundesärztekammer, der Arbeitsgemeinschaft von wissenschaftlichen Fachgesellschaften und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung herausgegeben und enthält u. a. einen Algorithmus zur Gefäßdiagnostik mit Schnittstellen zur Therapie sowie Checklisten und Beratungshilfen für das Arzt-Patienten-Gespräch. Wie Morbach betonte, erfordert die Behandlung diabetischer Fußulzera die Betreuung durch ein multidisziplinäres Team. Die standardisierte Anwendung der verfügbaren Verfahren nach leitlinienbasierten Behandlungspfaden durch alle an der Versorgung Beteiligten könne die Wahrscheinlichkeit von Amputationen drastisch vermindern.

Melitta Zakel

Quelle: Symposium Therapieoptionen beim diabetischen Fußsyndrom im Rahmen der 113. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Wiesbaden, 17. April 2007, unterstützt von medac - Gesellschaft für klinische Spezialpräparate

 
Zoom Image

Foto: S. Morbach