Dialyse aktuell 2007; 11(3): 48-50
DOI: 10.1055/s-2007-985535
Markt und Forschung

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Effizientere Gestaltung des Dialysealltags - Zehn Jahre Online-Kt/V-Messung

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Publication Date:
01 August 2007 (online)

 
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Bereits Anfang der 1990-er-Jahre arbeitete eine Gambro-Forschungsgruppe um Nicolas Goux und Jan Sternby daran, die Kt/V-Bestimmung in das Dialyseverfahren zu integrieren und somit erstmalig eine zuverlässige Messung der Dialysedosis in Echtzeit zu ermöglichen [2].

Schon bald wurde dieser Meilenstein in der Dialysetechnik erreicht. Die Entwicklungsphase galt bereits 1996 als abgeschlossen und 1997 konnte Gambro das erste Hämodialysegerät ("Integra") auf den Markt bringen, das die Online-Kt/V-Bestimmung erlaubte. Das Messsystem und die dazugehörige Software erhielt den Namen "Diascan".

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Therapie optimieren und Behandlungseffizienz überwachen

Das Diascan-System hat sich seit nunmehr zehn Jahren im praktischen Einsatz bewährt. Mit ihm kann sichergestellt werden, dass jeder einzelne Patient am Ende der Dialysesitzung auch die vom Arzt verordnete Behandlungsdosis erhält. Das Verfahren basiert auf einem einfachen, aber genialen Prinzip, mit dessen Hilfe die Therapie optimiert und die Behandlungseffizienz überwacht werden kann.

Es geht von der Erkenntnis aus, dass sich Natriumionen an der Dialysemembran aufgrund ihrer gleichen Größe genau wie Harnstoffmoleküle verhalten. Folglich korreliert die dialysatseitige Natriumionenclearance - die sogenannte Dialysance - eng mit der blutseitigen Harnstoffclearance [1]; Abb. [1].

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Abb. 1 Äquivalenz von Elektrolyt- und Harnstoffclearance nach [3]

Zur Bestimmung der aktuellen Clearance wird für zwei Minuten die Natriumionenkonzentration am Dialysierflüssigkeitseinlauf erhöht. Am Auslauf wird die Veränderung der Leitfähigkeit mit einer zweiten Leitfähigkeitsmesszelle erfasst. Aus der gemessenen Leitfähigkeitsveränderung lässt sich unter Berücksichtigung der eingestellten Ultrafiltrationsrate direkt die Natriumdialysance bzw. Harnstoffclearance wie folgt berechnen:

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Andere Hersteller berechnen die Clearance aus der Änderung der Fläche unter der Kurve ("area under the curve") des Leitfähigkeitspeaks mit

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Exakte Bestimmung des Harnstoffverteilungsvolumens aufwendig

Um die Messung der Clearance nicht zu beeinflussen, muss für sechs Minuten ein stabiles System vorliegen, das heißt es dürfen keine Veränderungen blut- oder maschinenseitig vorgenommen werden wie Blutentnahmen, Injektionen oder Veränderungen an der Ultrafiltration.

Ein Monitor zeigt kontinuierlich den Wert "Kt" an, der aus der gemessenen ionischen Clearance (Natriumionentransfer) und der bereits abgelaufenen Behandlungszeit berechnet wird. Dieser Kt-Wert entspricht der Menge Blut, die seit Behandlungsbeginn gereinigt wurde. Um zu entscheiden, ob die Dialysedosis für den jeweiligen Patienten angemessen ist, wird der Kt-Wert auf das individuelle Verteilungsvolumen des Harnstoffs bezogen ("V").

Das Harnstoffverteilungsvolumen eines Menschen kann sehr genau mittels detaillierter Analyse der Harnstoffkinetik während und zwischen den Dialysen bestimmt werden, allerdings ist dieses Vorgehen für den Routinegebrauch zu aufwendig, sodass der Wert "V" in der Regel mit vereinfachten Formeln berechnet wird. Zur Bestimmung des Gesamtkörperwassers gibt es eine Reihe solcher pragmatischer Formeln, von denen jedoch keine für jeden individuellen Patienten ganz exakte Werte ergibt. Dieses Problem gilt gleichermaßen für die Online-Messung wie für das konventionelle Verfahren der Blutabnahmen.

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Vereinfachte Watson-Formel hat sich im Alltag bewährt

Meistens kommt die Watson-Formel zur Berechnung des Gesamtkörperwassers zum Einsatz, die allerdings ursprünglich bei gesunden Menschen abgeleitet wurde. Folgende anthropometrischen Werte werden in der Formel berücksichtigt:

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Die Schwierigkeiten bezüglich der exakten Bestimmung von "V" füllen hunderte von wissenschaftlichen Abhandlungen, im Dialysealltag jedoch haben sich bislang die vereinfachten Formeln, wie die Watson-Formel, bewährt.

Die Hersteller der Gerätemodule zur Online-Messung der Dialysedosis weisen auf eine zusätzliche Option hin, wie mittels der gemessenen Natriumionendialysance auch ein individuelles Verteilungsvolumen für den jeweiligen Patienten ermittelt werden kann, um blutseitige Messungen und Online-Messungen in Übereinstimmung zu bringen: Man dividiert den Online-Kt-Wert durch den Kt/V-Wert, der aus den im Blut vor und nach der Dialyse gemessenen Harnstoffkonzentrationen berechnet wurde. Man erhält einen Wert "V", der durch wiederholte Messungen immer genauer wird.

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Werkzeug zur Qualitätskontrolle der Dialysebehandlung

Die gleichermaßen zuverlässige wie zeitökonomische Bestimmung und Dokumentation des Kt/V wird gerade in der nächsten Zeit von unschätzbarem Wert sein - denn schließlich sehen die kassenärztlichen Vereinigungen schon in naher Zukunft eine klare Qualitätsdokumentation bei Dialysebehandlungen vor, ohne die keine Abrechnung mehr möglich sein wird. Auch wenn zunächst vorgesehen ist, dass nur der aus Harnstoffkonzentrationsmessungen im Blut berechnete Kt/V-Wert (einmal pro Quartal) akzeptiert wird, so hat der Arzt mit der Online-Kt/V-Messung ein erstklassiges Werkzeug, ohne zusätzlichen Material- und Laboraufwand und mit minimalem Personalaufwand eine engmaschige Kontrolle der Ergebnisqualität bei jeder Behandlung durchzuführen. Das wäre mehr als das, was der Verordnungsgeber zurzeit als minimal verlangt. Wünschenswert für eine künftige Qualitätssicherungsrichtlinie wäre daher, beide Methoden zu akzeptieren.

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Kein zusätzlicher Aufwand - ein Blick auf das Dialysegerät genügt

In Zeiten, in denen Studien den ökonomischen Nutzen (Zeit- und Kostenersparnis) von länger wirkenden Präparaten errechnen [4], schlägt es auch zu Buche, ob ein Blick auf das Dialysegerät reicht, um den geforderten Qualitätsparameter dokumentieren zu können oder ob erst das Prozedere einer gesonderten Blutabnahme dafür durchgeführt werden muss, um ihn zeitversetzt zu erhalten. Wenn man bedenkt, dass eine Blutabnahme sicherlich drei Minuten dauert, sind das bei einem Dialysezentrum mit 100 Patienten und zwei Proben immerhin 600 Minuten, also zehn Arbeitsstunden, die pro Quartal darauf verwendet werden - wertvolle Zeit, die für die Betreuung und Gespräche mit den Patienten häufig fehlt. Zudem entstehen noch zusätzliche Kosten für die Laborproben. Alles in allem trägt die Online-Kt/V-Messung zur effizienteren Gestaltung des Dialysealltags bei und ist heute aus modernen Praxen kaum noch wegzudenken.

Dr. Martina Berthold, Weimar

Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der Gambro Hospal GmbH, Planegg-Martinsried

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Literatur

  • 01 Lindsay RM . Bene B . Goux N . et al . Relationship between effective ionic dialysance and in-vivo urea clearance during hemodialysis.  Am J Kidney Dis 2001. 2001;  38 (3) 565-574
  • 02 Petitclerc T . Goux N . Reynier AL . Bene B . A model for non-invasive estimation of in-vivo diasyser performances and patient's conductivity during hemodialysis.  Int J Artif Organs. 1993;  16 (8) 585-591
  • 03 Steil H . Kaufmann AM . Morris AT . et al . In vivo verification of an automatic noninvasive system for real time Kt evaluation.  ASAIO J. 1993;  39 (3) M348-352
  • 04 Wikström B . et al . Time gain with biweekly (Q2W) administration of Erythropoiesis stimulating agents (ESA) to manage anemia in patients receiving hemodialysis. EDTA 2006. 
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Literatur

  • 01 Lindsay RM . Bene B . Goux N . et al . Relationship between effective ionic dialysance and in-vivo urea clearance during hemodialysis.  Am J Kidney Dis 2001. 2001;  38 (3) 565-574
  • 02 Petitclerc T . Goux N . Reynier AL . Bene B . A model for non-invasive estimation of in-vivo diasyser performances and patient's conductivity during hemodialysis.  Int J Artif Organs. 1993;  16 (8) 585-591
  • 03 Steil H . Kaufmann AM . Morris AT . et al . In vivo verification of an automatic noninvasive system for real time Kt evaluation.  ASAIO J. 1993;  39 (3) M348-352
  • 04 Wikström B . et al . Time gain with biweekly (Q2W) administration of Erythropoiesis stimulating agents (ESA) to manage anemia in patients receiving hemodialysis. EDTA 2006. 
 
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Abb. 1 Äquivalenz von Elektrolyt- und Harnstoffclearance nach [3]

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