Diabetes aktuell 2007; 5(3): 136
DOI: 10.1055/s-2007-985285
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Präventionsbewusstsein schärfen - Kardiovaskuläre Risikofaktoren dürfen nicht isoliert betrachtet werden

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Publication Date:
22 August 2007 (online)

 
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Kardiovaskuläre Erkrankungen zählen zu den häufigsten Todesursachen in der westlichen Welt. Vor allem lebensstilbedingte Risikofaktoren wie Adipositas, Bluthochdruck, Bewegungsmangel und Störungen im Fett- und Glukosestoffwechsel treiben die Inzidenz in die Höhe. Wie Prof. Diethelm Tschöpe, Bad Oeynhausen, betonte, gehen allein zwei von drei Klinikeinweisungen von Diabetikern auf das Konto von Herz-Kreislauferkrankungen. Ebenfalls zwei von drei Diabetikern sterben an kardiovaskulären Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. In nationalen und internationalen Leitlinien wird der Typ-2-Diabetes daher als eine potenziell fatale kardiovaskuläre Erkrankung angesehen. Untrennbar zur integrierten Diabetestherapie bezeichnet Tschöpe daher Acetylsalicylsäure (ASS), den Wirkstoff von Aspirin. Denn: "Erhöhte Blutzuckerspiegel machen die Plättchen ‚klebrig', sodass sie aneinander und am Endothel anhaften", erklärte er. Acetylsalicylsäure vermindert die erhöhte Aggregations- und Adhäsionsbereitschaft der Thrombozyten und wirkt gleichzeitig den entzündlichen Prozessen im Blutgefäß entgegen. "Aspirin bietet damit einen dualen Ansatz zur kardiovaskulären Protektion bei Typ-2-Diabetes", fasste Tschöpe zusammen.

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Primärprävention mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure

"Eine intelligente, ganzheitliche Primärprävention mit den Säulen Gewichtsreduktion, körperliche Aktivität und niedrig dosierter Acetylsalicylsäure kann wesentlich dazu beitragen, die Manifestation von Herzinfarkt und Schlaganfall um mindestens fünf Jahre nach hinten zu verschieben", betonte Prof. Hans-Georg Predel aus Köln. Dennoch erhalten gerade Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko häufig keine adäquate Therapie, bemängelte er. Dabei habe sich in großen Studien herausgestellt, dass die dauerhafte Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure wirksam in der Primärprävention ist. In vielen Ländern ist eine solche kardiovaskuläre Primärprävention bereits gängige Praxis. Dabei gilt es, das Risiko einer Langzeittherapie mit ASS gegen das Risiko eines ersten Myokardinfarkts abzuwiegen.

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Amerikanische Fachgesellschaften zogen bereits Konsequenzen

Die Evidenz für den primärpräventiven Nutzen von Aspirin lieferten sechs große klinische Studien mit insgesamt mehr als 100 000 Teilnehmern. Wie Prof. Harald Darius aus Berlin erläuterte, handelt es sich dabei um die WHS (Woman's Health Study), HOT(Hypertension Optimal Treatment)-Studie, das PPP (Primary Prevention Project), die PHS (Physicians' Health Study), das BDT (British Doctors' Trial) und das TPT (Thrombosis Prevention Trial). Eine Metaanalyse dieser sechs Studien zeigte insgesamt eine Überlegenheit für die Aspirin-Gruppen. Die amerikanischen Fachgesellschaften zogen bereits Konsequenzen aus diesen Daten. So empfiehlt beispielsweise die American Heart Association (AHA) die Primärprophylaxe mit Aspirin, wenn das 10-Jahres-Risiko für ein koronares Ereignis auf über 10% steigt. Dies trifft auf den Großteil aller fünfzigjährigen Männer zu. Frauen erreichen dieses Risikoausmaß meist erst um das siebzigste Lebensjahr.

"Generell gilt", verdeutlichte Darius, "dass der Nutzen der Primärprophylaxe mit ASS umso größer ist, je höher das Myokardinfarktrisiko zu Beginn der Therapie ist." Dagegen ist die Rate der Blutungskomplikationen unabhängig vom kardiovaskulären Risiko, sodass der Nutzen der ASS-Prophylaxe mit zunehmendem kardiovaskulären Risiko steigt (Tab. [1]).

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Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zur Primärprävention mit ASS

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Patienten von der Präventionstherapie überzeugen

Signifikante Erfolge bei der Behandlung kardiovaskulärer Risikopatienten lassen sich laut PD Friedhelm Späh aus Krefeld allerdings nur erreichen wenn es gelingt, die Patienten von der Präventionstherapie zu überzeugen. Offenbar sind Depressionen nach einem Herzinfarkt häufig ein Grund, die tägliche Aspirin-Einnahme zu beenden. Auch verschiedene gastrointestinale Störungen können eine Rolle spielen, weswegen sich eine magensaftresistente Formulierung der Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin® protect) empfiehlt. Zudem zeigte sich, dass über 60-Jährige häufig die Tabletteneinnahme vergessen. Dabei sind Männer unzuverlässiger als Frauen. "Aber auch eine chronische Behandlung, hohe Tablettenzahlen und komplizierte Therapieanweisungen schaden der Motivation und führen oft zum heimlichen Abbruch der Therapie", gab Späh zu bedenken. Umgekehrt ist eine positive Beziehung zwischen Arzt und Patient förderlich für die Compliance. Gelingt diese individuelle Compliance, profitieren laut Späh alle: Der Patient durch eine dauerhafte Adhärenz an "seine" Medikamente und der Arzt durch eine lang anhaltende Konkordanz mit dem Patienten.

Quelle: Presseinformation zum Symposium "Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen mit Aspirin: Neues zu einer bewährten Therapie" am 14. April 2007 im Rahmen der 73. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung in Mannheim.

Mit freundlicher Unterstützung der Bayer Vital GmbH, Leverkusen.

 
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Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zur Primärprävention mit ASS