Diabetes aktuell 2007; 5(3): 134
DOI: 10.1055/s-2007-985283
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Wann versagt die Monotherapie? - Glitazone schonen Betazellen

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Publication Date:
22 August 2007 (online)

 
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Hinsichtlich des Erhalts der Betazell-Funktion haben sich mittlerweile aufschlussreiche Unterschiede bei den bisherigen Therapiestrategien mit oralen Antidiabetika herausgestellt. Das berichtete Prof. Burkhard Göke, Direktor der Medizinischen Klinik II am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, in einem Pressegespräch bei der 42. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Hamburg.

In der APOPT-Studie[1] wurde das Thiazolidindion Rosiglitazon als initiale Monotherapie bei frisch diagnostizierten und deshalb noch nicht vorbehandelten Typ-2-Diabetikern gegen den Sulfonylharnstoff Glibenclamid und gegen das Biguanid Metformin getestet. Als primärer Studienendpunkt wurde das Versagen der Monotherapie gewählt. Dies sollte bei wiederholten Nüchternblutzuckerwerten über 180 mg/dl (10 mmol/l) nach mindestens sechswöchiger maximal verträglicher Dosierung der Fall sein. Auch das Erreichen von HbA1c-Werten unter 7 % war von Interesse. Daneben wurde erstmals unter Studienbedingungen der Verlust an Betazellfunktion unter verschiedenen Therapieregimen untersucht.

Sowohl hinsichtlich des primären als auch des sekundären Outcomes schnitt Rosiglitazon signifikant besser ab als die Vergleichstherapien, stellte Prof. Dr. Stephan Matthaei, Chefarzt des Diabetes-Zentrums Quakenbrück, fest. So kam es nach fünfjähriger Monotherapie mit dem Sulfonylharnstoff in 34 % aller Fälle zum Therapieversagen. Unter Metformin blieben 21 % nicht mehr am Ball. Unter Rosiglitazon hingegen schafften es nur 15 % nicht mehr, unter der Nüchtern-Blutzuckergrenze von 180 mg/dl zu bleiben. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich für die strengere Nüchterngrenze von 140 mg/dl. Besonders aufschlussreich war der Verlauf der Nüchtern-Blutzuckerkurven über die gesamte Beobachtungszeit. Denn hier imponierte der Sulfonylharnstoff anfangs durch eine überlegene Glukosesenkung. Dieser Vorteil musste aber gegenüber Rosiglitazon bereits im ersten Behandlungsjahr aufgegeben werden, gegenüber Metformin Anfang des zweiten Jahres.

Auch der Durchschnitts-HbA1c-Wert von 7,4 % zu Studienbeginn konnte am nachhaltigsten in der Rosiglitazongruppe gesenkt werden. Der durchschnittliche HbA1c blieb unter dem Thiazolidindion während der gesamten Beobachtungszeit von 60 Monaten unter 7 %. Unter dieser Schwelle blieben die Patienten unter Metformin im Schnitt für 45 Monate und unter Glibenclamid lediglich für 33 Monate. Als Hauptgründe für den fortschreitenden Verlust der Blutzuckerkontrolle nannte Göke eine mit der Zeit zunehmende Insulinresistenz und die abnehmende Funktion der Betazelle. Beide Faktoren der Diabetesprogression waren in ADOPT unter Rosiglitazon weniger ausgeprägt als unter den Vergleichstherapien. Der Verlust an Betazellfunktion betrug unter Rosiglitazon 2 % pro Jahr, unter Metformin 3,1 % und unter Glibenclamid 6,1 %.

Martin Wiehl

Quelle: Fachpressegespräch von Glaxo SmithKline "Langfristig die Diabetesprogression verzögern: Endpunktstudien verändern die praktische Diabetologie" am 17. Mai 2007 im Rahmen der 42. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Hamburg

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Was verstehen Börsenspekulanten von medizinischen Studien?

Die Aktie von GlaxoSmithKline ist Ende Mai 2007 regelrecht abgestürzt und büßte innerhalb weniger Tage über zwölf Prozent an Wert ein. Was war geschehen?

Eine Veröffentlichung im New England Journal of Medicine (NEJM) sorgte für Aufsehen. Steven E. Nissen und Kathy Wolski von der Cleveland Clinic (USA) stellten hier am 21. Mai 2007 Ergebnisse einer Meta-Analyse aus 42 Studien vor. Sie kamen zum Schluss, dass Rosiglitazon das Risiko eines akuten Myokardinfarktes um 43 % steigert. Doch die Methoden, mit denen dieses Ergebnis zustande kam, sind ebenso zweifelhaft wie das Resultat selbst.

Zu den Methoden und zum Resultat: In die Metaanalyse wurden alle Studien eingeschlossen, in denen kardiovaskuläre Ereignisse zwar gezählt wurden, keine dieser Studien war jedoch darauf als primärer Outcome-Parameter angelegt. Dass es sich bei den Myokardinfarkten und kardiovaskulären Todesfällen stets um zufällige Ereignisse handelt, machen allein die Größenordnungen deutlich. In kaum einer Studie traten mehr als ein oder zwei Ereignisse auf. Und schließlich handelt es sich fast nur um Studien mit wenigen hundert, teilweise sogar unter einhundert Teilnehmern. In den Studien wurde nicht nur gegen Placebo, sondern auch gegen andere orale Antidiabetika getestet, was die Autoren nicht daran hinderte, alle Zahlen zusammenzurechnen. Kaum eine der Studien ging über eine Beobachtungszeit von 52 Wochen hinaus, so dass für einen eventuellen kardioprotektiven Effekt von Rosiglitazon - analog zur PROactive-Studie mit Pioglitazon - keine Chance war. In der Meta-Analyse waren durchaus zwei Studien vertreten, die eine große Fallzahl aufwiesen und die über mehrere Jahre liefen: DREAM und ADOPT. Beide Studien zeigten jedoch keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse, weder gegenüber Placebo, noch gegenüber Sulfonylharnstoff bzw. Metformin.

Interessanterweise hat sich Nissen mit seinen Ergebnissen sofort an die Öffentlichkeit gewandt, obwohl er selbst noch Unzulänglichkeiten seiner Methodik zugesteht. Es bleiben mehr Fragen als Antworten. Warum hat Nissen jetzt eine solche Meta-Analyse veröffentlicht? Ist ihm nicht bekannt, dass mit der RECORD-Studie eine kardiovaskuläre Outcome-Studie kurz vor der Veröffentlichung steht? Aktuell im New England Journal of Medicine veröffentlichte Daten einer Zwischenauswertung zeigen jedenfalls keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit. Der einzige Unterschied bestand in einer Erhöhung der Fälle von Herzinsuffizienz. Trotzdem war die Zahl der Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt zwischen der Gruppen vergleichbar - bei einer in dieser Zwischenauswertung aber geringen Anzahl der Ereignisse.

Martin Wiehl

01 ADOPT = A Diabetes Outcomes Progression Trial

01 ADOPT = A Diabetes Outcomes Progression Trial