Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2008; 18(2): 59-68
DOI: 10.1055/s-2007-985176
Wissenschaft und Forschung

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Unterscheiden sich ambulante und stationäre onkologische Rehabilitationsmaßnahmen im Hinblick auf Leistungserbringung und Erfolg? Eine Analyse der medizinischen Entlassungsberichte

Do Outpatient and Inpatient Rehabilitation Programs Differ in Applied Interventions and Success? An Analysis of Medical Discharge SummariesC. Lehmann 1 , C. Bergelt 1 , H. Welk 1 , C. Hagen-Aukamp 2 , D. Berger 3 , U. Koch 1
  • 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie (Direktor: Prof. Dr. Dr. Uwe Koch)
  • 2Niederrhein-Klinik Korschenbroich, Abteilung Onkologie
  • 3Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung in Nordrhein-Westfalen (ARGE), Förderer der Studie
Further Information

Publication History

eingereicht: 15.12.2006

angenommen: 6.7.2007

Publication Date:
07 April 2008 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung: Ziel der Studie ist der Vergleich zwischen ambulanter und stationärer onkologischer Rehabilitation im Hinblick auf Leistungserbringung und Wirksamkeit.

Material und Methode: Berichtet werden Ergebnisse einer retrospektiven Teilstudie eines Projektes zur Evaluation ambulanter onkologischer Rehabilitationsmaßnahmen. Anhand eines differenzierten Auswertungsschemas wurden die medizinischen Entlassungsberichte von n=88 ambulant und n=151 stationär behandelten Patien-ten, die die Rehabilitation als Anschlussrehabilitation durchgeführt hatten, analysiert. Die stationäre Vergleichsstichprobe wurde nach Alter, Geschlecht und Diagnoseverteilung der ambulanten Patienten parallelisiert. Die therapeutischen Interventionen wurden mittels der Ziffern der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) ermittelt. Der Rehabilitationserfolg wurde hier auf Grundlage des Arzturteils bezüglich des Erreichens der zu Beginn der Maßnahme definierten Rehabilitationsziele gemessen.

Ergebnisse: Die stationär behandelten Krebsrehabilitanden leiden häufiger unter weiteren chronischen Erkrankungen wie Hypertonie oder Diabetes. Durch die Krebserkrankung sind die ambulanten Patienten stärker körperlich, die stationären häufiger psychisch belastet. Ambulante Patienten haben während der Rehabilitation signifikant häufiger aktive Maßnahmen wie Physiotherapie oder Sport- und Bewegungstherapie erhalten, stationäre Patienten wurden signifikant häufiger mit Massagen, Thermo-, Hydro- oder Balneotherapie behandelt. Systematische Zusammenhänge zwischen Funktionsstörungen und therapeutischen Leistungen konnten weitgehend nicht nachgewiesen werden. Am Ende der Rehabilitation hat die Mehrzahl der Patienten in beiden Settings aus ärztlicher Sicht ihre Ziele erreicht, wobei sie vor allem in körperlicher Hinsicht von der Maßnahme profitieren.

Schlussfolgerung: Die Daten deuten darauf hin, dass aus ärztlicher Sicht ambulante onkologische Rehabilitationsangebote für Teilgruppen von Patienten eine adäquate Alternative zu stationären Maßnahmen darstellen. Die erbrachten Leistungen in beiden Behandlungssettings erscheinen dabei weniger auf die individuellen funktionellen Beeinträchtigungen der Patienten ausgerichtet zu sein, sondern spiegeln eher das jeweils verfolgte Therapiekonzept wider.

Abstract

Purpose: To examine the interventions applied as well as the efficacy of outpatient and inpatient cancer rehabilitation programs on health-related parameters.

Materials and methods: The analyses involved a sample of n=88 outpatient and n=151 inpatient cancer patients conducted as part of a main study evaluating outpatient cancer rehabilitation programs in Germany. All patients participated in a rehabilitation program on average 4 weeks after primary treatment. Medical discharge summaries represented the databasis for statistical analyses. The inpatient sample was selected according age, sex and cancer diagnosis of the outpatient sample. Interventions were assessed by the Classification of Therapeutic Procedures (KTL). Rehabilitation programs' efficacy was measured by physicians' evaluation of patients' acheivement of the initially defined rehabilitation goals.

Results: Significantly more patients of the inpatient group suffer from additional chronical diseases as hypertension or diabetes. These patients moreover show higher levels of distress than the outpatient sample who suffer to a greater extent from physically impairements caused by their cancer. Active treatment procedures such as physiotherapy or sports were provided more often during outpatient rehabilitation whereas the inpatient sample received more often massages, thermo-, hydro- or balneotherapies. Few significant correlations between functional disabilities and received therapeutic procedures were found. At the end of rehabilitation programs most patients of both groups have achieved their rehabilitation goals particularly with regard to the improvement of their physical functioning.

Conclusions: Results indicate that from the physicians’ point of view an outpatient cancer rehabilitation program may be an effective alternative treatment to inpatient programs for specific groups of patients. However, interventions do more reflect specific clinic concepts rather than to be tailored to patients’ specific impairments.

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1 Die einheitliche Verwendung des Begriffes „ambulante Rehabilitation” entspricht einer Übereinkunft der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) und bezieht sich v. a. auf die in der Rentenversicherung vormals als „teilstationär” bezeichneten Behandlungskonzeptionen.

2 Die Ergebnisse der Patientenbefragung werden an einem anderen Ort dargestellt.

3 Die Anzahl der Behandlungstage der stationären Patienten wurde analog zu den Behandlungstagen der ambulanten Rehabilitanden anhand der Anzahl der Werktage (Montag bis Freitag) während des stationären Aufenthalts ermittelt.

Korrespondenzadresse

Dipl.-Psych. C. Lehmann

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Zentrum für Psychosoziale Medizin

Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie

Martinistr. 52, S35

20246 Hamburg

Phone: +49/40/42803 77 39

Email: c.lehmann@uke.de

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