Dialyse aktuell 2007; 11(4): 52-54
DOI: 10.1055/s-2007-985033
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eine Strategie für alle - das funktioniert nicht! - Immunosuppression am individuellen Risiko des Transplantierten ausrichten

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Publikationsdatum:
11. Juli 2007 (online)

 
Inhaltsübersicht

"Wir wollen, dass unsere nierentransplantierten Patienten mit einer funktionierenden Niere sterben - allerdings erst im Alter von 80 oder 90 Jahren", konstatierte Prof. Graeme Russ, Adelaide (Australien). Ein ehrgeiziges Ziel, denn die Risiken bzw. Komplikationen, die mit dem Eingriff bzw. der nachfolgenden Immunsuppression verbunden sind, reichen von allgemeinen chirurgischen Komplikationen bis hin zu einem akuten oder chronischen Verlust der Transplantatfunktion. Da sich die Risiken im Langzeitverlauf nach der Transplantation verändern, muss man an die immunsuppressive Therapie im Verlauf unterschiedliche Anforderungen stellen, ergänzte Prof. Jeremy Chapman, Sydney (Australien).

In der frühen Phase nach der Transplantation braucht man vor allem ein Maximum an immunsuppressiver Effektivität, eine möglichst geringe Ischämiereperfusion und eine schnelle Wundheilung, weshalb in dieser Phase oft eine Induktionstherapie, ein Calcineurininhibitor, eine antiproliferative Substanz oder Steroide eingesetzt werden. Im Langzeitverlauf ist der Anspruch an die Immunsuppression ein anderer: Das Risiko akuter Rejektionen sinkt, dagegen steigen das kardiovaskuläre bzw. das Malignomrisiko und vor allem die Gefahr eines erneuten Verlusts der Nierenfunktion. Deutlich mehr Gewicht liegt daher dann auf einer möglichst geringen (Nephro-) Toxizität, wie sie zum Beispiel mTOR-Inhibitoren wie Sirolimus aufweisen.

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Schon subklinische Veränderungen sind gefährlich

"Wir müssen längerfristig denken", mahnte Chapman. "Im ersten Jahr verlieren wir tatsächlich nicht viele Transplantate, später sieht es jedoch ganz anders aus!" Als eine der wichtigsten Ursachen sieht er die chronische Transplantatnephropathie (CAN = "chronic allograft nephropathy"). Etwa die Hälfte aller Patienten entwickelt nach zehn Jahren eine solche Transplantatdysfunktion vom Grad III, berichtete Chapman von den Ergebnissen seiner Biopsiestudie, von geringfügigen bioptischen Veränderungen sind praktisch alle betroffen. "Das war ein ziemlicher Schock für uns, immerhin lag das Serumkreatinin bei diesen Patienten im Schnitt um 150 mmol/l bzw. 1,7 mg/dl und die gemessene glomeruläre Filtrationsrate um 50 ml/min/1,73 m2 - es waren also keine Patienten, die negativ herausstechen!"

Klinisch imponiert eine Allograftnephropathie durch eine interstitielle Fibrose, eine tubuläre Athropie, eine Glomerulosklerose und eine Verdickung der Gefäßintima. Da eine potenzielle interstitielle Fibrose bereits sehr früh, nämlich schon in den ersten Monaten nach einer Transplantation auftritt, ist sie ein verlässlicher Surrogatparameter für eine chronische Transplantatnephropathie, erklärte Chapman.

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Immunsuppressives Regime spielt eine wichtige Rolle

Einen entscheidenden Einfluss auf die Rate subklinischer Rejektionen hat die Wahl des immunsuppressiven Regimes: Cyclosporinhaltige Protokolle beispielsweise schneiden dabei signifikant schlechter ab als die Gabe von Tacrolimus und Mycophenolatmofetil, berichtete Chapman. Einen Beleg für den negativen Einfluss von Cyclosporin A auf die Nierenfunktion liefert auch die viel zitierte 310- bzw. RMR[1]-Studie [2], in der die Transplantierten initial eine dreimonatige Dreifachtherapie aus Cyclosporin A, Sirolimus und Steroiden erhalten hatten.

Bei der Hälfte der Patienten wurde dann die Gabe von Cyclosporin A langsam ausgeschlichen. Dies wirkte sich innerhalb des ersten Jahres zwar positiv auf Nierenfunktion und Blutdruck aus, zu diesem Zeitpunkt waren jedoch die Transplantatüberlebensraten mit 95,8 versus 97,2% noch ähnlich hoch. Nach 60 Monaten sieht die Situation jedoch anders aus. Unter Sirolimus plus Steroiden beträgt die Transplantatüberlebensrate zu diesem Zeitpunkt etwa 80 %, während die cyclosporinhaltige Immunsuppression mit nur rund 68% diesbezüglich signifikant schlechter abschneidet (p = 0,004), berichtete Chapman.

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Risiko ausbalancieren

Noch vor dem Rauchen oder dem Alter des Spenders bzw. Empfängers oder ob es sich um eine Lebend- oder eine Kadaverspende handelt, ist die Gabe von Cyclosporin A der wichtigste Risikofaktor bei Organtransplantierten, wenn es um das Transplantatüberleben geht, pflichtete Russ bei. Immerhin verdoppele sich das Risiko des Transplantatverlusts unter Cyclosporin innerhalb von fünf Jahren. Zum Vergleich: Ist der Spender älter als 50 Jahre, steige das Fünfjahresrisiko "nur" um 51%. "Daher müssen wir darüber nachdenken, wie wir unsere Patienten mit Protokollen ohne - oder nur einer geringen - Belastung mit Cyclosporin A behandeln können", meinte Russ.

Hierzu gebe es im Prinzip drei verschiedene Möglichkeiten, erklärte Prof. Christophe Legendre, Paris (Frankreich):

  • die bereits initial calcineurininhibitorfreie immunsuppressive Therapie

  • die Umstellung von Calcineurininhibitoren auf einen mTOR-Inhibitor

  • eine reduzierte Calcineurininhibitorexposition im Rahmen einer Kombinationstherapie.

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Ganz ohne Cyclosporin?

Inzwischen gibt es verschiedene Protokolle für eine CNI-freie, antikörperinduzierte Kombinationstherapie, die bei Patienten mit geringem immunologischen Risiko durchaus eine gute Immunsuppression nach der Transplantation gewährleisten können, berichtete Dr. Stuart M. Flechner, Cleveland (Ohio, USA).

So geben zum Beispiel verschiedene, in der Regel jedoch verhältnismäßig kleine Studien zumindest einen ersten Hinweis darauf, dass die Nierenfunktion nach einer Induktion der Immuntherapie mit Basilixumab, gefolgt von einer Kombination aus Sirolimus, Mycophenolatmofetil und Steroiden nach einem, zwei und - so eine aktuelle Studie - auch nach fünf Jahren signifikant besser ist als unter einem calcineurininhibitorbasierten Regime. "Die Rate akuter Rejektionen und die Nebenwirkungsprofile unterschieden sich dabei nicht", betonte Flechner. Jetzt müssen größere Untersuchungen diesen Effekt bestätigen.

Damit man solche guten Ergebnisse erreichen kann, sind jedoch ausreichende Wirkspiegel der Substanzen ganz entscheidend, die über ein therapeutisches Drugmonitoring kontrolliert werden müssen. Bei Sirolimus geht man derzeit davon aus, dass kontinuierliche Wirkspiegel von 10-15 ng/ml erreicht werden müssen.

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Möglichst wenig Calcineurininhibitor - das zahlt sich aus

Ein vielversprechender Ansatz zur besseren Erhaltung der Organfunktion ist die Umstellung der immunsuppressiven Therapie von einer initialen CNI-basierten Behandlung auf eine CNI-freie Erhaltungstherapie. Denn die Ergebnisse der RMR-Studie [4] oder der CONVERT[2]-Studie [5] erlauben mit 525 bzw. 830 Patienten validere Daten. In der RMR-Studie betrug die absolute Differenz der berechneten GFR-Rate nach 60 Monaten hier im Mittel fast 15 ml/min/1,73 m2 zugunsten der Sirolimustherapie. Pro Jahr hatte sich die glomeruläre Filtrationsrate im Cyclosporinarm um etwa 1,7 ml/min/1,73 m2 verschlechtert, während sie unter Sirolimus in diesem Zeitraum sogar um rund 1 ml/min/1,73 m2 anstieg. Dabei profitierten insbesondere Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren (Proteinurie, älteres Spenderorgan, stattgehabte Abstoßung) von der Umstellung ihrer Therapie (Tab. [1]).

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Tab. 1 Nierenfunktion bei Hochrisikopatienten abhängig vom Behandlungsprotokoll

Dass diese Maßnahme insbesondere bei Patienten mit einer vergleichsweise guten Nierenfunktion von Vorteil sein kann, zeigt das Ergebnis von CONVERT. Im Rahmen dieser Studie waren es die Patienten mit einer Ausgangs-GFR von mindestens 40 ml/min/1,73 m2, die bezogen auf die Nierenfunktion von der Konversion auf Sirolimus profitierten. Auch für das gesamte Studienkollektiv ist der positive Effekt der sirolimusbasierten Therapie dokumentiert. Im Sirolimusarm war nach 52 Wochen bei signifikant mehr Patienten eine klinisch relevante Verbesserung der glomerulären Filtrationsrate zu sehen. Die Rate des Patienten- oder Transplantatüberlebens unterschied sich zwischen den beiden Studiengruppen jedoch nicht.

Wann genau eine Umstellung erfolgen soll, wird derzeit immer wieder diskutiert. Denn wird der Calcineurininhibitor zu früh aus dem Therapieplan genommen, steigt das Risiko akuter Rejektionen deutlich an. Die Studienergebnisse belegen aber klar, wie wichtig es ist, mit einer geplanten Konversion auf Sirolimus nicht zu lange zu warten. Denn je besser die Nierenfunktion zu diesem Zeitpunkt ist, desto geringer ist die Gefahr einer chronischen Transplantatnephropathie im Langzeitverlauf. Wahrscheinlich sollte die Konversion eher früh als spät erfolgen, meinte Russ, wobei sich nach der aktuellen Studienlage ein Zeitrahmen von drei bis zwölf Monaten nach der Transplantation herauszukristallisieren scheine.

Für welche Art der Immunsuppression man sich jedoch entscheidet, Grundlage muss immer das individuelle Patientenprofil sein, schloss Russ. "Ein immunsuppressives Protokoll für alle unsere Patienten - das ist sicher nicht genug!"

sts

Quelle: 7th International Wyeth Transplantation Symposium "Managing risk and improving outcomes in renal transplantation", veranstaltet von Wyeth

Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der Wyeth Pharma GmbH, Münster

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Zusatznutzen: Geringeres Malignomrisiko

Nach kardiovaskulär bedingten Todesfällen sind Tumoren inzwischen die zweithäufigste Todesursache transplantierter Patienten im Langzeitverlauf. "Bei 10 bis 15 % der Patienten, die mit einem funktionierenden Transplantat versterben, ist die Todesursache eine Krebserkrankung", berichtete Prof. Akinlolu Ojo, Ann Arbor (USA). Ursachen für diese erhöhte Krebsinzidenz sind zum einen die unspezifische Immunsuppression, verbunden mit einer gesteigerten Replikation onkogener Viren, aber auch die direkten Effekte der immunsuppressiven Substanzen.

Im Unterschied zu Tacrolimus oder Cyclosporin hemmt Sirolimus über eine Inhibition "vascular endothelial growth factor" (VEGF) die Angiogenese und die Tumorzellproliferation. "Im Tiermodell haben mTOR-Inhibitoren eine deutliche Anti-Tumor-Aktivität gezeigt", berichtete Prof. Josep M. Campistol, Barcelona (Spanien). Calcineurininhibitoren haben dagegen den gegenteiligen Effekt, sie besitzen ein neoplastisches Potenzial.

Inzwischen gibt es gute klinische Daten, die die Potenz von Sirolimus zur Reduktion des Malignomrisikos bestätigen - angefangen von einer retrospektiven Datenanalyse des US-amerikanischen Transplantationsregisters [3] bis hin zu den Langzeitdaten der RMR-Studie [1]. Schon innerhalb von zwei Jahren nach der Transplantation war laut der OPTN/UNOS-Daten die Krebsinzidenz unter der reinen CNI-Therapie dreimal so hoch wie unter Sirolimus (1,81 versus 0,6%; p < 0,001). Bestätigt werden diese Ergebnisse durch die Fünf-Jahres-Daten der RMR-Studie. Auch hier waren nicht nur weniger Hauttumoren und Kaposi-Sarkome zu sehen (51 versus 18%, p < 0,001), wenn die Therapie auf Sirolimus umgestellt worden war, ebenso reduzierte sich die Zahl der soliden De-novo-Tumoren (8 versus 4%, p < 0,043).

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Literatur

  • 01 Campistol JM . et al . J Am Soc Nephrol. 2006;  17 (2) 581-589
  • 02 Johnson  . et al . Transplantation. 2001;  72 (5) 777-786
  • 03 Kaufmann HM . et al . Transplantation. 2005;  80 (7) 883-889
  • 04 Legendre C . et al . Clin Transplant 2007; DOI:10.1111/j.1399-00. 
  • 05 Schena FP . et al . J Am Soc Nephrol 2005; 16: 33 A (abstract TH-FC155). 

01 Rapamycin Maintenance Regime

02 conversion from calcineurin inhibitor (cni)- to sirolimus (srl)-based immunosuppression

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Literatur

  • 01 Campistol JM . et al . J Am Soc Nephrol. 2006;  17 (2) 581-589
  • 02 Johnson  . et al . Transplantation. 2001;  72 (5) 777-786
  • 03 Kaufmann HM . et al . Transplantation. 2005;  80 (7) 883-889
  • 04 Legendre C . et al . Clin Transplant 2007; DOI:10.1111/j.1399-00. 
  • 05 Schena FP . et al . J Am Soc Nephrol 2005; 16: 33 A (abstract TH-FC155). 

01 Rapamycin Maintenance Regime

02 conversion from calcineurin inhibitor (cni)- to sirolimus (srl)-based immunosuppression

 
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Tab. 1 Nierenfunktion bei Hochrisikopatienten abhängig vom Behandlungsprotokoll