"Wir wollen, dass unsere nierentransplantierten Patienten mit einer funktionierenden
Niere sterben - allerdings erst im Alter von 80 oder 90 Jahren", konstatierte Prof.
Graeme Russ, Adelaide (Australien). Ein ehrgeiziges Ziel, denn die Risiken bzw. Komplikationen,
die mit dem Eingriff bzw. der nachfolgenden Immunsuppression verbunden sind, reichen
von allgemeinen chirurgischen Komplikationen bis hin zu einem akuten oder chronischen
Verlust der Transplantatfunktion. Da sich die Risiken im Langzeitverlauf nach der
Transplantation verändern, muss man an die immunsuppressive Therapie im Verlauf unterschiedliche
Anforderungen stellen, ergänzte Prof. Jeremy Chapman, Sydney (Australien).
In der frühen Phase nach der Transplantation braucht man vor allem ein Maximum an
immunsuppressiver Effektivität, eine möglichst geringe Ischämiereperfusion und eine
schnelle Wundheilung, weshalb in dieser Phase oft eine Induktionstherapie, ein Calcineurininhibitor,
eine antiproliferative Substanz oder Steroide eingesetzt werden. Im Langzeitverlauf
ist der Anspruch an die Immunsuppression ein anderer: Das Risiko akuter Rejektionen
sinkt, dagegen steigen das kardiovaskuläre bzw. das Malignomrisiko und vor allem die
Gefahr eines erneuten Verlusts der Nierenfunktion. Deutlich mehr Gewicht liegt daher
dann auf einer möglichst geringen (Nephro-) Toxizität, wie sie zum Beispiel mTOR-Inhibitoren
wie Sirolimus aufweisen.
Schon subklinische Veränderungen sind gefährlich
Schon subklinische Veränderungen sind gefährlich
"Wir müssen längerfristig denken", mahnte Chapman. "Im ersten Jahr verlieren wir tatsächlich
nicht viele Transplantate, später sieht es jedoch ganz anders aus!" Als eine der wichtigsten
Ursachen sieht er die chronische Transplantatnephropathie (CAN = "chronic allograft
nephropathy"). Etwa die Hälfte aller Patienten entwickelt nach zehn Jahren eine solche
Transplantatdysfunktion vom Grad III, berichtete Chapman von den Ergebnissen seiner
Biopsiestudie, von geringfügigen bioptischen Veränderungen sind praktisch alle betroffen.
"Das war ein ziemlicher Schock für uns, immerhin lag das Serumkreatinin bei diesen
Patienten im Schnitt um 150 mmol/l bzw. 1,7 mg/dl und die gemessene glomeruläre Filtrationsrate
um 50 ml/min/1,73 m2 - es waren also keine Patienten, die negativ herausstechen!"
Klinisch imponiert eine Allograftnephropathie durch eine interstitielle Fibrose, eine
tubuläre Athropie, eine Glomerulosklerose und eine Verdickung der Gefäßintima. Da
eine potenzielle interstitielle Fibrose bereits sehr früh, nämlich schon in den ersten
Monaten nach einer Transplantation auftritt, ist sie ein verlässlicher Surrogatparameter
für eine chronische Transplantatnephropathie, erklärte Chapman.
Immunsuppressives Regime spielt eine wichtige Rolle
Immunsuppressives Regime spielt eine wichtige Rolle
Einen entscheidenden Einfluss auf die Rate subklinischer Rejektionen hat die Wahl
des immunsuppressiven Regimes: Cyclosporinhaltige Protokolle beispielsweise schneiden
dabei signifikant schlechter ab als die Gabe von Tacrolimus und Mycophenolatmofetil,
berichtete Chapman. Einen Beleg für den negativen Einfluss von Cyclosporin A auf die
Nierenfunktion liefert auch die viel zitierte 310- bzw. RMR[1]-Studie [2], in der die Transplantierten initial eine dreimonatige Dreifachtherapie aus Cyclosporin
A, Sirolimus und Steroiden erhalten hatten.
Bei der Hälfte der Patienten wurde dann die Gabe von Cyclosporin A langsam ausgeschlichen.
Dies wirkte sich innerhalb des ersten Jahres zwar positiv auf Nierenfunktion und Blutdruck
aus, zu diesem Zeitpunkt waren jedoch die Transplantatüberlebensraten mit 95,8 versus
97,2% noch ähnlich hoch. Nach 60 Monaten sieht die Situation jedoch anders aus. Unter
Sirolimus plus Steroiden beträgt die Transplantatüberlebensrate zu diesem Zeitpunkt
etwa 80 %, während die cyclosporinhaltige Immunsuppression mit nur rund 68% diesbezüglich
signifikant schlechter abschneidet (p = 0,004), berichtete Chapman.
Risiko ausbalancieren
Risiko ausbalancieren
Noch vor dem Rauchen oder dem Alter des Spenders bzw. Empfängers oder ob es sich um
eine Lebend- oder eine Kadaverspende handelt, ist die Gabe von Cyclosporin A der wichtigste
Risikofaktor bei Organtransplantierten, wenn es um das Transplantatüberleben geht,
pflichtete Russ bei. Immerhin verdoppele sich das Risiko des Transplantatverlusts
unter Cyclosporin innerhalb von fünf Jahren. Zum Vergleich: Ist der Spender älter
als 50 Jahre, steige das Fünfjahresrisiko "nur" um 51%. "Daher müssen wir darüber
nachdenken, wie wir unsere Patienten mit Protokollen ohne - oder nur einer geringen
- Belastung mit Cyclosporin A behandeln können", meinte Russ.
Hierzu gebe es im Prinzip drei verschiedene Möglichkeiten, erklärte Prof. Christophe
Legendre, Paris (Frankreich):
-
die bereits initial calcineurininhibitorfreie immunsuppressive Therapie
-
die Umstellung von Calcineurininhibitoren auf einen mTOR-Inhibitor
-
eine reduzierte Calcineurininhibitorexposition im Rahmen einer Kombinationstherapie.
Ganz ohne Cyclosporin?
Ganz ohne Cyclosporin?
Inzwischen gibt es verschiedene Protokolle für eine CNI-freie, antikörperinduzierte
Kombinationstherapie, die bei Patienten mit geringem immunologischen Risiko durchaus
eine gute Immunsuppression nach der Transplantation gewährleisten können, berichtete
Dr. Stuart M. Flechner, Cleveland (Ohio, USA).
So geben zum Beispiel verschiedene, in der Regel jedoch verhältnismäßig kleine Studien
zumindest einen ersten Hinweis darauf, dass die Nierenfunktion nach einer Induktion
der Immuntherapie mit Basilixumab, gefolgt von einer Kombination aus Sirolimus, Mycophenolatmofetil
und Steroiden nach einem, zwei und - so eine aktuelle Studie - auch nach fünf Jahren
signifikant besser ist als unter einem calcineurininhibitorbasierten Regime. "Die
Rate akuter Rejektionen und die Nebenwirkungsprofile unterschieden sich dabei nicht",
betonte Flechner. Jetzt müssen größere Untersuchungen diesen Effekt bestätigen.
Damit man solche guten Ergebnisse erreichen kann, sind jedoch ausreichende Wirkspiegel
der Substanzen ganz entscheidend, die über ein therapeutisches Drugmonitoring kontrolliert
werden müssen. Bei Sirolimus geht man derzeit davon aus, dass kontinuierliche Wirkspiegel
von 10-15 ng/ml erreicht werden müssen.
Möglichst wenig Calcineurininhibitor - das zahlt sich aus
Möglichst wenig Calcineurininhibitor - das zahlt sich aus
Ein vielversprechender Ansatz zur besseren Erhaltung der Organfunktion ist die Umstellung
der immunsuppressiven Therapie von einer initialen CNI-basierten Behandlung auf eine
CNI-freie Erhaltungstherapie. Denn die Ergebnisse der RMR-Studie [4] oder der CONVERT[2]-Studie [5] erlauben mit 525 bzw. 830 Patienten validere Daten. In der RMR-Studie betrug die
absolute Differenz der berechneten GFR-Rate nach 60 Monaten hier im Mittel fast 15
ml/min/1,73 m2 zugunsten der Sirolimustherapie. Pro Jahr hatte sich die glomeruläre Filtrationsrate
im Cyclosporinarm um etwa 1,7 ml/min/1,73 m2 verschlechtert, während sie unter Sirolimus in diesem Zeitraum sogar um rund 1 ml/min/1,73
m2 anstieg. Dabei profitierten insbesondere Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren
(Proteinurie, älteres Spenderorgan, stattgehabte Abstoßung) von der Umstellung ihrer
Therapie (Tab. [1]).
Tab. 1 Nierenfunktion bei Hochrisikopatienten abhängig vom Behandlungsprotokoll
Dass diese Maßnahme insbesondere bei Patienten mit einer vergleichsweise guten Nierenfunktion
von Vorteil sein kann, zeigt das Ergebnis von CONVERT. Im Rahmen dieser Studie waren
es die Patienten mit einer Ausgangs-GFR von mindestens 40 ml/min/1,73 m2, die bezogen auf die Nierenfunktion von der Konversion auf Sirolimus profitierten.
Auch für das gesamte Studienkollektiv ist der positive Effekt der sirolimusbasierten
Therapie dokumentiert. Im Sirolimusarm war nach 52 Wochen bei signifikant mehr Patienten
eine klinisch relevante Verbesserung der glomerulären Filtrationsrate zu sehen. Die
Rate des Patienten- oder Transplantatüberlebens unterschied sich zwischen den beiden
Studiengruppen jedoch nicht.
Wann genau eine Umstellung erfolgen soll, wird derzeit immer wieder diskutiert. Denn
wird der Calcineurininhibitor zu früh aus dem Therapieplan genommen, steigt das Risiko
akuter Rejektionen deutlich an. Die Studienergebnisse belegen aber klar, wie wichtig
es ist, mit einer geplanten Konversion auf Sirolimus nicht zu lange zu warten. Denn
je besser die Nierenfunktion zu diesem Zeitpunkt ist, desto geringer ist die Gefahr
einer chronischen Transplantatnephropathie im Langzeitverlauf. Wahrscheinlich sollte
die Konversion eher früh als spät erfolgen, meinte Russ, wobei sich nach der aktuellen
Studienlage ein Zeitrahmen von drei bis zwölf Monaten nach der Transplantation herauszukristallisieren
scheine.
Für welche Art der Immunsuppression man sich jedoch entscheidet, Grundlage muss immer
das individuelle Patientenprofil sein, schloss Russ. "Ein immunsuppressives Protokoll
für alle unsere Patienten - das ist sicher nicht genug!"
sts
Quelle: 7th International Wyeth Transplantation Symposium "Managing risk and improving outcomes
in renal transplantation", veranstaltet von Wyeth
Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der Wyeth Pharma GmbH, Münster
Zusatznutzen: Geringeres Malignomrisiko
Zusatznutzen: Geringeres Malignomrisiko
Nach kardiovaskulär bedingten Todesfällen sind Tumoren inzwischen die zweithäufigste
Todesursache transplantierter Patienten im Langzeitverlauf. "Bei 10 bis 15 % der Patienten,
die mit einem funktionierenden Transplantat versterben, ist die Todesursache eine
Krebserkrankung", berichtete Prof. Akinlolu Ojo, Ann Arbor (USA). Ursachen für diese
erhöhte Krebsinzidenz sind zum einen die unspezifische Immunsuppression, verbunden
mit einer gesteigerten Replikation onkogener Viren, aber auch die direkten Effekte
der immunsuppressiven Substanzen.
Im Unterschied zu Tacrolimus oder Cyclosporin hemmt Sirolimus über eine Inhibition
"vascular endothelial growth factor" (VEGF) die Angiogenese und die Tumorzellproliferation.
"Im Tiermodell haben mTOR-Inhibitoren eine deutliche Anti-Tumor-Aktivität gezeigt",
berichtete Prof. Josep M. Campistol, Barcelona (Spanien). Calcineurininhibitoren haben
dagegen den gegenteiligen Effekt, sie besitzen ein neoplastisches Potenzial.
Inzwischen gibt es gute klinische Daten, die die Potenz von Sirolimus zur Reduktion
des Malignomrisikos bestätigen - angefangen von einer retrospektiven Datenanalyse
des US-amerikanischen Transplantationsregisters [3] bis hin zu den Langzeitdaten der RMR-Studie [1]. Schon innerhalb von zwei Jahren nach der Transplantation war laut der OPTN/UNOS-Daten
die Krebsinzidenz unter der reinen CNI-Therapie dreimal so hoch wie unter Sirolimus
(1,81 versus 0,6%; p < 0,001). Bestätigt werden diese Ergebnisse durch die Fünf-Jahres-Daten
der RMR-Studie. Auch hier waren nicht nur weniger Hauttumoren und Kaposi-Sarkome zu
sehen (51 versus 18%, p < 0,001), wenn die Therapie auf Sirolimus umgestellt worden
war, ebenso reduzierte sich die Zahl der soliden De-novo-Tumoren (8 versus 4%, p <
0,043).
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