Dialyse aktuell 2007; 11(4): 50-51
DOI: 10.1055/s-2007-985032
Markt und Forschung

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PD-Workshop in Erfurt machte seinem Namen alle Ehre - Peritonealdialyse zum "Anfassen"

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Publikationsdatum:
11. Juli 2007 (online)

 
Inhaltsübersicht

Die Didaktiker sind sich einig: Die wohl effizienteste Lehrmethode ist "erlebtes Lernen" - oder auch einfach neudeutsch "learning by doing". Die Dinge, die man unter Anleitung eines "Profis" oder Lehrers eigenständig durchgeführt hat, bleiben haften. Eine so erworbene Kenntnis ist um ein Vielfaches lebendiger und präsenter als angelesenes oder rein theoretisch erworbenes Wissen. Und erst diese Methode vermittelt die Sicherheit, dass ein bestimmter Lehrstoff nicht nur theoretisch verstanden wurde, sondern auch praktisch angewandt werden kann.

Schließlich reicht in der Regel allein die Lektüre eines Schwimmleitfadens auch nicht aus, um sich längere Zeit über Wasser zu halten. Sind jedoch die ersten eigenen Schwimmzüge unter Anleitung und Aufsicht eines Bademeisters gemacht, ist die Angst vorm Wasser genommen und der Rest ein Kinderspiel.

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Nephrologen an die Peritonealdialyse heranführen

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Dr. C.C. Haufe, Initiator des Tandem-Workshops Peritonealdialyse

In der medizinischen Fort- und Weiterbildung steht jedoch noch die "frontale" Stoffvermittlung hoch im Kurs, Experten geben ihr Wissen via Vortrag weiter, lediglich unterstützt durch unzählige Powerpointfolien - praktische Übungen hingegen stehen eher selten auf der Agenda. Darin sieht Dr. C. C. Haufe, Erfurt, ein gravierendes Problem, wenn es sich um die Aneignung neuer Diagnose- oder Therapiemethoden handelt.

"Auch uns Ärzten erschließt sich nicht alles durch die wissenschaftliche Lektüre oder durch Vorlesungen - erst Praktika können Hemmschwellen abbauen und dazu führen, dass sich ein Verfahren flächendeckend durchsetzt." Der Blick in die Statistik zeigt: Beim Thema Peritonealdialyse (PD) ist dies bislang nicht der Fall - obwohl man weiß, dass dieses Nierenersatzverfahren aus medizinischer Sicht ebenso gut ist wie die Hämodialyse.

Lediglich bei knapp 5% der Dialysepatienten in Deutschland fällt gegenwärtig eine Entscheidung zugunsten der Peritonealdialyse, wobei die Faktoren vielfältig sind (Aufklärung, Patientenwille, Arztentscheidung, Verfügbarkeit u. a.). Haufe sieht einen Grund dafür - natürlich neben vielen anderen, hauptsächlich strukturellen Problemen - auch in der unzureichenden PD-Ausbildung der Nephrologen. "Wenn Sie noch keinen einzigen PD-Patienten in ihrer Laufbahn eigenverantwortlich behandelt haben, sind Sie natürlich unsicher. Nachvollziehbar, dass solche Situationen gern vermieden werden, und man lieber auf Bewährtes zurückgreift.

Hat aber jemand schon praktische Erfahrungen gesammelt und steht ihm darüber hinaus noch ein Netzwerk mit Rat und Tat zur Seite, dann ist die Bereitschaft Neues zu erproben einfach sehr viel höher. Um die PD in Deutschland nach vorn zu bringen, müssen wir die "PD-Novizen" intensiver an das Verfahren heranführen." Haufe entwarf in Zusammenarbeit mit der Firma Fresenius Medical Care Deutschland GmbH ein neues Workshop-Konzept, dass neben einer Reihe interessanter Kurzvorträge und Diskussionen auch einen praktischen Teil anbietet: Deshalb fand der erste Teil des Tandem-Workshops auch im Helios-Klinikum Erfurt statt.

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Selbstvertrauen tanken, Bedenken und Vorurteile abbauen

Der Gastgeber hatte mehrere seiner Peritonealdialysepatienten eingeladen, und die Teilnehmer konnten an diesen "echten" Fällen den PD-Alltag durchspielen. Unter Anleitung von Haufe und Mitarbeitern seines PD-Teams wurden Beutelwechsel vorgenommen und in kleinen Gruppen Verbandswechsel geübt. Die Teilnehmer hatten sogar die Möglichkeit, unter Aufsicht selbst eine Tunnelsonografie durchzuführen.

Eine einmalige Gelegenheit, wie Frau Dr. Kirsten Jahn, eine junge Ärztin aus Suhl, kommentierte: "Das gibt eine solide Basis und Selbstvertrauen für den Einstieg". Ganz ähnlich sah das auch ihre Kollegin, Dr. Christine Hintzen-Kruse aus Chemnitz: "Seit Oktober 2006 habe ich die ersten drei PD-Patienten, der Workshop hat mir nun mehr Sicherheit im Umgang mit ihnen vermittelt." Gleiches Fazit zog die junge Berliner Ärztin Dr. Anette Fleck: "Ich hatte bislang Horror vor dem Tag, an dem ein PD-Patient mit Problemen kommt und kein anderer Arzt auf der Station ist. Nun fühle ich mich besser auf diese Situation vorbereitet."

Aber auch "alte PD-Hasen" profitierten vom Workshop, wie Dr. Frank Seibt, Berlin, ausführte: "Es ist interessant zu sehen, dass sich im Laufe der Jahre doch auch Fehler einschleichen. Die werden einem erst durch ein solches Training bewusst, und man hat die Chance, sich zu korrigieren". Das Votum der Teilnehmer war durchweg positiv - und die Veranstaltung so die beste "Werbung" für das bislang in Deutschland stiefmütterlich behandelte Nierenersatzverfahren. Die Teilnehmer fühlten sich für die Praxis präpariert und konnten Bedenken oder Vorurteile abbauen - oder, wie es Frau Dr. Marina Schatz aus Augsburg zusammenfasst: "Ich habe nun auch gegenüber Kollegen gute Argumente pro Peritonealdialyse".

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Ziel ist, in Deutschland mehr Dialysepatienten an die PD zu bringen

Gute Argumente gibt es schon lange. Bereits im alten Ägypten war das Bauchfell beschrieben worden, wie Dr. Andreas Baus, Frankfurt/Oder, ausführte, und Mitte des 18. Jahrhunderts erfand man die peritoneale Lavage. Anfang des 20. Jahrhunderts häuften sich Berichte über das Peritoneum als Dialysemembran, auch wenn das "Zeitalter der kontinuierlichen ambulanten Peritonealdialyse" erst Mitte der 1970er-Jahre begann.

Die technischen Entwicklungen und die Einsatzmöglichkeiten im Medizinalltag schritten voran - jedoch bedingt durch unterschiedliche finanzielle und gesundheitspolitische Hintergründe nicht in allen europäischen Ländern parallel. Bis heute gibt es extreme Unterschiede in der Verbreitung der Peritonealdialyse. So gehört Deutschland bekanntermaßen zu den "Schlusslichtern", wohingegen Großbritannien, die Niederlande und Dänemark die europäischen PD-Nationen darstellen. 2003 wurde von den Protagonisten das "PD-first"-Konzept etabliert, und so gibt es das - allerdings noch sehr ferne - Ziel, auch in Deutschland einen Anteil von rund 20% zu erreichen.

Laut Sozialgesetzbuch müssen jedem Patienten alle für ihn möglichen Formen der Nierenersatztherapie angeboten werden. Die Transplantation als optimale Therapie steht nicht generell zur Verfügung, Peritonealdialyse und Hämodialyse (HD) sind daher nebeneinander als integriertes Versorgungskonzept abzuwägen, wobei die PD, für viele Patienten als Einstiegsvariante für die ersten Jahre der HD überlegen ist.

PD Dr. Dominik Alscher, Stuttgart, berichtete über die großen Outcome-PD-Studien des letzten Jahrzehnts (CANUSA[1], ADEMEX[2]) und empfiehlt die konsequente Umsetzung des Konzeptes "PD first" [2], wonach das beste Outcome die Patienten haben, die mit der PD beginnen und - sofern keine Transplantation erfolgte - nach vier bis fünf Jahren an die HD wechseln.

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Auch für geriatrische Patienten geeignet

Dass auch geriatrische Patienten von der PD profitieren können und nicht per se, wie lange angenommen, für dieses Verfahren untauglich sind, zeigte Prof. Markus Hollenbeck, Bottrop. Ein gutes Beispiel dafür war der Patient Herr Franz-Josef Wokittel, Erfurt, der trotz seines Alters von fast 70 Jahren den Workshop-Teilnehmern routiniert seinen Beutelwechsel vorführte.

Bei der Hämodialyse treten gerade in dieser Altersgruppe häufiger Probleme mit dem Gefäßzugang, aber auch Blutdruckabfall bei Volumenentzug, vorbestehenden und fortschreitenden Herzerkrankungen, sowie gastrointestinalen Blutungen auf - durch den Einsatz der PD sind diese vermeidbar. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, für den großen Prozentsatz der alten Patienten, die ihre PD nicht selbst durchführen können, eine verlässliche Assistenz zu gewährleisten.

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Neue Parameter der adäquaten Peritonealdialyse

Haufe stellte den Teilnehmern die neu formulierten Parameter der adäquaten Peritonealdialyse vor. Leitliniengerechte PD erfordert (ebenso wie die seit II/2007 geltenden Qualitätssicherungsvorschriften) eine regelmäßige Bestimmung der Dialysedosis anhand der Parameter kt/Vurea und wöchentliche Kreatininclearance.

In der Praxis kombiniert man dieses sinnvollerweise mit dem peritonealen Equilibrationstest (PET), auf dessen Basis bei unzureichender Dialysedosis das PD-Regime optimiert werden kann. Wichtig ist: Während das wöchentliche Ziel-kt/V in der neuen Leitlinie [1] von ≥ 2,0 auf ≥ 1,7 korrigiert wurde, ist für anurische Patienten ein täglicher Flüssigkeitsentzug von mindestens 1000 ml seit 2005 als neues Dosisziel klar festgelegt worden. Der Gemeinsame Bundesausschuss schreibt in seinen Richtlinien von 2004 noch einen Zielwert von ≥ 1,9 für 85% der Patienten des jeweiligen Zentrums vor, hier ist jedoch eine Korrektur zu erwarten.

Außerdem müssen PD-Patienten bezüglich Kalorien (35 kcal/kgKG/d) und Eiweißzufuhr (1,2 g/kgKG/d) adäquat ernährt sein - ein Aspekt, der generell noch zu wenig beachtet wird und am besten mit der SGA-Methode ("subjectiv global assessment") erfasst werden kann.

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PD-Patient Franz-Josef Wokittel, Pfarrer an der Severikirche zu Erfurt

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Neben medizinischen auch wirtschaftliche Fragen beantwortet

Darüber hinaus erfuhren die Teilnehmer alles über Katheterauswahl und -implantation, worüber Dr. Klaus Elsebach, Erfurt, berichtete, des Weiteren wurden sie über mögliche Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei infektiösen und nichtinfektiösen Komplikationen informiert. Weitere Vorträge zu verschiedenen PD-Lösungen und deren Einsatz oder auch Trainingskonzepte zur Schulung der Patienten rundeten die Veranstaltung ab. Das Workshop-Programm deckte somit die ganze Bandbreite des PD-Wissens ab und brachte die Teilnehmer auf den neuesten Stand.

Mit besonderem Interesse wurden auch die wirtschaftlich orientierten Beiträge von Dr. Christian Friedrichsohn, Villingen-Schwenningen, verfolgt, der zahlreiche praktische Tipps für den Start und den Aufbau einer PD-Ambulanz gab und dabei auch wirtschaftliche Aspekte und Abrechnungsfragen thematisierte. Wie die interessierten Nachfragen der Teilnehmer zeigten, war das Ziel der Veranstalter, das Verfahren der Peritonealdialyse auch zu "bewerben" und die unbegründeten Vorbehalte und geistigen Barrieren abzubauen, geglückt. Teilnehmer, die bisher keine PD praktizierten, waren nun bereit, sich auf dieses neue Terrain zu begeben und ihren Patienten auch die Peritonealdialyse anzubieten.

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Ansprechpartner bei Problemen und offenen Fragen

Mut machte wohl auch das Wissen um eine "Community" - denn den Abschluss des Workshops bildete die Besprechung von Falldemonstrationen und Fragen, welche die Kursteilnehmer zuvor eingereicht hatten. Dass die Teilnehmer aber auch im Nachgang zum Workshop nicht mit ihren Problemen allein gelassen werden, wurde deutlich: Alle Referenten gaben ihre persönlichen E-Mail-Adressen und Telefonnummern bekannt und ermunterten die Teilnehmer, sich bei Fragen oder Problemfällen direkt an sie zu wenden.

Wer nun denkt, eine großartige Fortbildung verpasst zu haben, hat Recht. Ärgern muss sich aber dennoch niemand - eine Neuauflage des Tandem-Workshops ist für das kommende Jahr bereits am 05. und 26. April geplant. Die Referenten haben bereits zugesagt und die Firma Fresenius Medical Care Deutschland GmbH wird auch die Folgeveranstaltung aktiv unterstützen. Interessierte können sich bereits jetzt bei Herrn Haufe (eMail: christoph.haufe@helios-kliniken.de) voranmelden.

Dr. Bettina Albers, Weimar

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Literatur

  • 01 European best practice guidelines for peritoneal dialysis. Nephrol Dial Transplant 2005; 20. 
  • 02 Van Biesen W . Vanholder RC . Veys N . et al . An evaluation of an integrative care approach for end-stage renal disease patients.  J Am Soc Nephrol. 2000;  11 (1) 116-125

01 CANada/USA

02 ADEquacy of PD in MEXico

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Literatur

  • 01 European best practice guidelines for peritoneal dialysis. Nephrol Dial Transplant 2005; 20. 
  • 02 Van Biesen W . Vanholder RC . Veys N . et al . An evaluation of an integrative care approach for end-stage renal disease patients.  J Am Soc Nephrol. 2000;  11 (1) 116-125

01 CANada/USA

02 ADEquacy of PD in MEXico

 
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Dr. C.C. Haufe, Initiator des Tandem-Workshops Peritonealdialyse

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PD-Patient Franz-Josef Wokittel, Pfarrer an der Severikirche zu Erfurt