Dialyse aktuell 2007; 11(4): 12-13
DOI: 10.1055/s-2007-985025
Fachgesellschaften

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Handhabung der Infektionsprophylaxe nach Organtransplantation

"Evidenzbasiertes" Vorgehen fehlt
Further Information

Publication History

Publication Date:
11 July 2007 (online)

 
Table of Contents
Zoom Image

Die Pfleger an insgesamt 44 Transplantationszentren wurden mittels eines standardisierten Fragebogens gefragt, wie sie mit den Aspekten Isolation, Körper- und Mundpflege sowie orale Ernährung umgehen. Wie die Auswertung ergab, ist die Spannbreite zwischen dem Ergreifen oder dem Unterlassen von Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe bei transplantierten Patienten enorm groß, ein wirklich fundiertes "evidenzbasiertes" Vorgehen ist nicht zu erkennen. Es erscheint notwendig, die Vorgehensweisen sowohl auf ihre Effektivität und Effizienz, als auch auf ihre "Sinnhaftigkeit" hin zu untersuchen.

Im Sommer 2005 wurde im Auftrag des AKTX-Pflege e.V. eine Befragung des Pflegepersonals mittels eines standardisierten Fragebogens zur Infektionsprophylaxe nach Organtransplantation an insgesamt 44 Transplantationszentren in Deutschland mit unterschiedlichen Fachdisziplinen wie Urologie, Viszeralchirurgie, Herzchirurgie, Kinderherzchirurgie, Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie sowie Pädiatrie durchgeführt.

Ziel der Befragung war die Erhebung des Status Quo zum Umgang mit den Aspekten Isolation, Körper- und Mundpflege sowie orale Ernährung in Bezug auf die Infektionsprophylaxe. Im Vordergrund stand dabei die Darstellung eventueller Unterschiede im Umgang mit den genannten Punkten und möglicher Begründungen hierfür.

#

Ausgangssituation

Die Idee zu diesem Projekt entstand durch die immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen und Diskussionen zu dieser Thematik. Hierbei wurde besonders oft der "Sinn und Zweck" von Isolationsmaßnahmen sowie deren Durchführung bei transplantierten Patienten seitens der Pflegekräfte im Rahmen ihrer täglichen Arbeit hinterfragt. Diese Auseinandersetzung fand auch im Dialog mit den Ärzten sowie im Austausch auf den jährlichen Symposien des AKTX statt.

#

Durchführung

Insgesamt erstreckte sich die Befragung über knapp sechs Monate. Dabei nahm die Entwicklung des Fragebogens von der Idee bis zur Fertigstellung einen Zeitraum von etwa acht Wochen in Anspruch, danach erfolgte ein Pretest in zwei Kliniken. Verschickt wurden insgesamt 186 Fragebögen. Dabei gingen jeder Fachdisziplin zwei Fragebögen gleichen Inhalts zu, unterteilt nach Intensiv- und Normalstation.

Der Rücklauf erfolgte anonym und lag bei etwas mehr als 50%. Insgesamt flossen 82 Fragebögen in die Wertung ein. Der größte Anteil kam aus den kleineren Zentren mit 5-25 Transplantationen im Jahr. Im Anschluss fand sowohl eine quantitative, als auch qualitative Auswertung der Fragebögen statt.

#

Auswertung

Der gewünschte Aspekt der Anonymität beim Rücklauf der Fragebögen hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Vergleichbarkeit der Daten. Dies führte unter anderem dazu, dass die Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe innerhalb einer Klinik, also zwischen Intensivstation und Normalstation nicht miteinander verglichen werden konnten, ebenso entfiel dadurch ein direkter Vergleich zwischen einzelnen Transplantationszentren.

#

Protektive Isolation

Isolationsmaßnahmen wurden auf den Intensivstationen in etwa 75% der Fälle durchgeführt und zwar fast grundsätzlich ohne Angabe von speziellen Gründen. Auf den Normalstationen lag die Isolationsrate lediglich bei rund 50% der Patienten, diese erfolgte bei etwa 25% ohne Differenzierung nach bestimmten Kriterien. Die weiteren Aussagen beziehen sich auf beide Bereiche (Intensiv- und Normalstation).

Bei ungefähr 30% der isolierten Patienten erstreckte sich der Isolationszeitraum über die gesamte Dauer des stationären Aufenthaltes. Bei etwa jedem zehnten Fall wurde der Zeitraum auf zwei Wochen begrenzt. Untergebracht wurden die Patienten fast immer in einem Einzelzimmer, selten in Form einer Kohorte, in der Regel nach Erregerspektrum differenziert.

Als "Einzelmaßnahmen zur Isolation" wurden am häufigsten die separate Händedesinfektion vor Betreten des Zimmers sowie die Kombination der Händedesinfektion mit dem Tragen eines unsterilen Kittels und das Anlegen eines Mundschutzes genannt.

In etwas mehr als der Hälfte der gemachten Aussagen existieren schriftlich fixierte Standards zur Anwendung von Isolationsmaßnahmen, die in Einzelfällen schon einmal hausintern durch die Hygieneabteilung überprüft wurden. Eine wissenschaftlich fundierte Überprüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen erfolgte nicht.

Zoom Image
#

Infektionsprophylaxe bei der Körperpflege

Die am häufigsten genannte Maßnahme zur Infektionsprophylaxe bei der Körperpflege ist der Einsatz eines Legionellenfilters vor den Wasserhähnen, gefolgt von der Anwendung keimreduzierender Zusätze. Häufig wird beides auch kombiniert angewendet. Dieser Vorgehensweise liegt meist die Kontrolle der jeweiligen Hygieneabteilung des Hauses zugrunde, Richtlinie ist hier der allgemeine Hygieneplan.

#

Infektionsprophylaxe bei der Mundpflege

Zu den "Spitzenreitern" der Infektionsprophylaxe bei der Mundpflege zählen die Anwendung von oralen Antimykotika, sowie der regelmäßige Gebrauch von Rachendesinfektionsmitteln. In den überwiegenden Zentren wurden diese Anwendungsmöglichkeiten nicht auf ihre Wirksamkeit hin überprüft.

#

Infektionsprophylaxe bei der oralen Ernährung

Ungefähr 20% der Zentren bieten ihren Patienten eine besondere Kost an oder streichen bestimmte Lebensmittel vom Speiseplan. Besonders empfohlen wird hierbei der Verzicht auf rohes Fleisch und rohen Fisch sowie Nüsse und Schimmelkäse. Auch den Verzehr von Eiern schränken einige Zentren aufgrund der allgemeinen Gefahr einer Salmonellenvergiftung ein. Die meisten verzichten jedoch auf Einschränkungen bestimmter Nahrungsmittel.

#

Resümee

Die Spannbreite bei der Ergreifung oder dem Unterlassen von Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe bei transplantierten Patienten ist enorm groß. Die Maßnahmen erfolgen, wenn angewendet, relativ willkürlich. Es ist in keinem Fall - ob nun Infektionsmaßnahmen ergriffen werden oder nicht - ein wirklich fundiertes "evidenzbasiertes" Vorgehen zu erkennen.

Im Hinblick zum einen auf das Outcome der Patienten und zum anderen auch auf die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen, sollten diese doch überwiegend willkürlich erscheinenden und zum Teil sehr differenten Vorgehensweisen sowohl auf ihre Effektivität und Effizienz, als auch auf ihre "Sinnhaftigkeit" hin untersucht werden.

Vorstand AKTX Pflege e.V.

 
Zoom Image
Zoom Image