Ein 1,25-Vitamin-D-Mangel wird bereits im Stadium III der chronischen Nierenerkrankung
(„chronic kidney disease”, CKD) auffällig und etwa zeitgleich beginnen die Parathormonwerte
(PTH) zu steigen [3]
[4]
[5]. Die geschädigte Niere bildet nicht mehr ausreichend 1,25-Vitamin-D - mitverantwortlich
für die Regulation des Mineralstoffhaushaltes und der Gegenspieler von Parathormon.
Die Folge ist eine ungebremste PTH-Sekretion der Nebenschilddrüse. Davon unabhängig
stimuliert auch die sich in Stadium IV entwickelnde Hyperphosphatämie die Ausbildung
eines Hyperparathyreoidismus.
Die Auswirkungen von Hyperphosphatämie, Hyperkalzämie und 1,25-Vita-min-D-Mangel auf
die Sterblichkeit von Dialysepatienten sind beträchtlich. Wie Block et al. [1] in einer retrospektiven Analyse zeigten, steigt bei Serumphosphatwerten von > 9
mg/dl das Mortalitätsrisiko um den Faktor zwei an. Teng et al. [8] konnten in ihrer retrospektiven Kohortenstudie zeigen, dass intravenöses aktiviertes
Vitamin D das Mortalitätsrisiko signifikant senkt, unabhängig vom iPTH-, Serumkalzium-
und Serumphosphatspiegel.
Parathormonspiegel schneller und effektiver senken
Parathormonspiegel schneller und effektiver senken
Die Gabe von Calcitriol ist beim niereninsuffizienten Patienten nicht unproblematisch.
An der Nebenschilddrüse führt Calcitriol zur beabsichtigten Parathormonsuppression,
am Darm zu einer unerwünscht hohen Resorption von Kalzium und Phosphat [6]. Paricalcitol (Zemplar®) hingegen zeigt eine gesteigerte Selektivität zur PTH-Senkung
an der Nebenschilddrüse im Vergleich zu den Effekten auf die Kalziumresorption im
Darm.
Paricalcitol senkt bei dosisäquivalenter Gabe den Parathormonspiegel schneller und
effektiver als die bisherige Standardtherapie Calcitriol und verursacht dabei signifikant
weniger Hyperkalzämien oder erhöhte Kalzium-Phosphat-Produkte, so das Ergebnis einer
Untersuchung von Sprague et al. [7]. Dies könnte ein Grund der verringerten Mortalität unter Paricalcitol sein, die
Teng et al. [9] in einer großen retrospektiven Kohortenstudie an über 67000 Hämodialysepatienten
beobachtet haben. In der Studie zeigte sich ein 16 %iger Überlebensvorteil für Paricalcitol
im Vergleich zu Calcitriol.
Die Ergebnisse einer anderen großen retrospektiven Untersuchung von Kalantar-Zadeh
et al. [2] weisen sogar eine dosisassoziierte Mortalitätssenkung unter Paricalcitol nach, wobei
das Patientenkollektiv mit der höchsten Dosis den geringsten Überlebensvorteil von
immer noch 20 % im Vergleich zu der Patientengruppe aufwies, die kein Paricalcitol
erhalten hatte. Die Autoren führen diesen Dosiseffekt auf den Schweregrad des sekundären
Hyperparathyreoidismus (sHPT) vor Therapiebeginn zurück: Die mit einer Hochdosis Paricalcitol
behandelten Patienten befanden sich vermutlich in einem zumindest partiell therapierefraktären
Stadium, sodass der verhältnismäßig größte Benefit durch die moderate Paricalcitol-Dosis
reflektiert wird.
Anwendung von Paricalcitol in Deutschland
Anwendung von Paricalcitol in Deutschland
Prof. Markus Ketteler, Coburg, präsentierte in Potsdam die vorläufigen Daten der deutschen
Anwendungsbeobachtung von Paricalcitol i.v. zur Therapie des sHPT bei Dialysepatienten.
Ziel der Anwendungsbeobachtung ist, die Sicherheit und Wirksamkeit des Präparates
zu prüfen. Zu diesem Zweck soll unter anderem der Anteil der Patienten ermittelt werden,
der innerhalb einer sechsmonatigen Behandlung mit Paricalcitol seinen iPTH-Spiegel
in den K/DOQI1-Normbereich senkt (150-300 pg/ml).
Das Durchschnittsalter der Population (n = 385) betrug 64 Jahre und die durchschnittliche
Dialysepflicht der Patienten belief sich auf 3,6 Jahre. 59,5 % der Patienten wurden
vor Paricalcitol mit einem aktiviertem Vitamin D behandelt und trotzdem lagen die
iPTH-Werte bei mehr als 80 % dieser Patienten zu Beobachtungsbeginn über 300 pg/ml.
Insgesamt befanden sich bei lediglich 7,8 % der Patienten die iPTH-Werte zu Beginn
der Untersuchung im K/DOQI-Zielbereich. 35,8 % der Teilnehmer hatte Werte zwischen
500 und 900 pg/ml, 21,6 % wiesen sogar iPTH-Spiegel über 900 pg/ml auf.
Im Rahmen der Untersuchung wurden die Werte für iPTH, Serumkalzium, Serumphosphat
und das Kalzium-Phosphat-Produkt zu Beginn der Untersuchung, nach zwei Wochen und
dann jeweils monatlich dokumentiert. Eine effektive iPTH-Senkung war deutlich nachweisbar:
Nach sechs Monaten hatte sich der durchschnittliche Parathormonspiegel von mittleren
706 pg/ml auf im Mittel 357 pg/ml reduziert, bei 47,8 % der Patienten lagen die iPTH-Spiegel
unter 300 pg/ml.
Die Durchschnittswerte von Kalzium und Phosphat hingegen blieben nahezu konstant.
Bei der schwer erkrankten Patientengruppe ist diese deutliche PTH-Suppression interessanterweise
sogar mit einer Dosisreduktion von 34,6 % auf 14 μg/Woche nach sechs Monaten erreicht
worden. Zusammenfassend zeigen die ersten Ergebnisse der deutschen Untersuchung, so
Ketteler, eine sichere und effektive iPTH-Senkung unabhängig von der Vorbehandlung
mit oder ohne aktivem Vitamin D durch Paricalcitol. Die Kalzium- und Phosphatwerte
blieben annähernd unbeeinflusst.
Aktuelle Ergebnisse bestätigen internationale Studien
Aktuelle Ergebnisse bestätigen internationale Studien
Auch Dr. Jens Ringel, Potsdam-Babelsberg, zeigte in ersten Ergebnissen einer Crossoverstudie
zu Alfacalcidol und Paricalcitol die Effektivität des selektiven Vitamin-D-Rezeptor-Aktivators
(sVDRA) Paricalcitol. In der ersten Untersuchungsphase wurden mit Alfacalcidol i.v.
austherapierte sHPT-Patienten auf Paricalcitol gewechselt. Bei allen 16 Patienten
konnte innerhalb von sechs Monaten eine signifikante iPTH-Senkung beobachtet werden,
ohne dass Serumkalzium und -phosphat nennenswert anstiegen. Im Anschluss wurden die
Patienten erneut mit Alfacalcidol i.v. behandelt, was wiederum zu einem Anstieg der
Parathormonspiegel führte. Eine Normalisierung der Parathormonspiegel ist demnach
auch bei mit Alfacalcidol vorbehandelten Patienten durch die Umstellung auf Paricalcitol
zu erreichen.
Die ersten Daten aus Deutschland bestätigen somit die Ergebnisse der internationalen
Studien und zeigen erneut, dass selektive Vitamin-D-Rezeptor-Aktivatoren (sVDRA) essenziell
für eine erfolgreiche sHPT-Therapie sind.