Dialyse aktuell 2007; 11(2): 56-57
DOI: 10.1055/s-2007-983934
Markt und Forschung

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neue Aspekte der renalen Osteopathie - Deutsche Therapieergebnisse mit selektiven Vitamin-D-Rezeptor-Aktivatoren

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Publikationsdatum:
06. Juni 2007 (online)

Inhaltsübersicht

Ein 1,25-Vitamin-D-Mangel wird bereits im Stadium III der chronischen Nierenerkrankung („chronic kidney disease”, CKD) auffällig und etwa zeitgleich beginnen die Parathormonwerte (PTH) zu steigen [3] [4] [5]. Die geschädigte Niere bildet nicht mehr ausreichend 1,25-Vitamin-D - mitverantwortlich für die Regulation des Mineralstoffhaushaltes und der Gegenspieler von Parathormon. Die Folge ist eine ungebremste PTH-Sekretion der Nebenschilddrüse. Davon unabhängig stimuliert auch die sich in Stadium IV entwickelnde Hyperphosphatämie die Ausbildung eines Hyperparathyreoidismus.

Die Auswirkungen von Hyperphosphatämie, Hyperkalzämie und 1,25-Vita-min-D-Mangel auf die Sterblichkeit von Dialysepatienten sind beträchtlich. Wie Block et al. [1] in einer retrospektiven Analyse zeigten, steigt bei Serumphosphatwerten von > 9 mg/dl das Mortalitätsrisiko um den Faktor zwei an. Teng et al. [8] konnten in ihrer retrospektiven Kohortenstudie zeigen, dass intravenöses aktiviertes Vitamin D das Mortalitätsrisiko signifikant senkt, unabhängig vom iPTH-, Serumkalzium- und Serumphosphatspiegel.

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Parathormonspiegel schneller und effektiver senken

Die Gabe von Calcitriol ist beim niereninsuffizienten Patienten nicht unproblematisch. An der Nebenschilddrüse führt Calcitriol zur beabsichtigten Parathormonsuppression, am Darm zu einer unerwünscht hohen Resorption von Kalzium und Phosphat [6]. Paricalcitol (Zemplar®) hingegen zeigt eine gesteigerte Selektivität zur PTH-Senkung an der Nebenschilddrüse im Vergleich zu den Effekten auf die Kalziumresorption im Darm.

Paricalcitol senkt bei dosisäquivalenter Gabe den Parathormonspiegel schneller und effektiver als die bisherige Standardtherapie Calcitriol und verursacht dabei signifikant weniger Hyperkalzämien oder erhöhte Kalzium-Phosphat-Produkte, so das Ergebnis einer Untersuchung von Sprague et al. [7]. Dies könnte ein Grund der verringerten Mortalität unter Paricalcitol sein, die Teng et al. [9] in einer großen retrospektiven Kohortenstudie an über 67000 Hämodialysepatienten beobachtet haben. In der Studie zeigte sich ein 16 %iger Überlebensvorteil für Paricalcitol im Vergleich zu Calcitriol.

Die Ergebnisse einer anderen großen retrospektiven Untersuchung von Kalantar-Zadeh et al. [2] weisen sogar eine dosisassoziierte Mortalitätssenkung unter Paricalcitol nach, wobei das Patientenkollektiv mit der höchsten Dosis den geringsten Überlebensvorteil von immer noch 20 % im Vergleich zu der Patientengruppe aufwies, die kein Paricalcitol erhalten hatte. Die Autoren führen diesen Dosiseffekt auf den Schweregrad des sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) vor Therapiebeginn zurück: Die mit einer Hochdosis Paricalcitol behandelten Patienten befanden sich vermutlich in einem zumindest partiell therapierefraktären Stadium, sodass der verhältnismäßig größte Benefit durch die moderate Paricalcitol-Dosis reflektiert wird.

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Anwendung von Paricalcitol in Deutschland

Prof. Markus Ketteler, Coburg, präsentierte in Potsdam die vorläufigen Daten der deutschen Anwendungsbeobachtung von Paricalcitol i.v. zur Therapie des sHPT bei Dialysepatienten. Ziel der Anwendungsbeobachtung ist, die Sicherheit und Wirksamkeit des Präparates zu prüfen. Zu diesem Zweck soll unter anderem der Anteil der Patienten ermittelt werden, der innerhalb einer sechsmonatigen Behandlung mit Paricalcitol seinen iPTH-Spiegel in den K/DOQI1-Normbereich senkt (150-300 pg/ml).

Das Durchschnittsalter der Population (n = 385) betrug 64 Jahre und die durchschnittliche Dialysepflicht der Patienten belief sich auf 3,6 Jahre. 59,5 % der Patienten wurden vor Paricalcitol mit einem aktiviertem Vitamin D behandelt und trotzdem lagen die iPTH-Werte bei mehr als 80 % dieser Patienten zu Beobachtungsbeginn über 300 pg/ml. Insgesamt befanden sich bei lediglich 7,8 % der Patienten die iPTH-Werte zu Beginn der Untersuchung im K/DOQI-Zielbereich. 35,8 % der Teilnehmer hatte Werte zwischen 500 und 900 pg/ml, 21,6 % wiesen sogar iPTH-Spiegel über 900 pg/ml auf.

Im Rahmen der Untersuchung wurden die Werte für iPTH, Serumkalzium, Serumphosphat und das Kalzium-Phosphat-Produkt zu Beginn der Untersuchung, nach zwei Wochen und dann jeweils monatlich dokumentiert. Eine effektive iPTH-Senkung war deutlich nachweisbar: Nach sechs Monaten hatte sich der durchschnittliche Parathormonspiegel von mittleren 706 pg/ml auf im Mittel 357 pg/ml reduziert, bei 47,8 % der Patienten lagen die iPTH-Spiegel unter 300 pg/ml.

Die Durchschnittswerte von Kalzium und Phosphat hingegen blieben nahezu konstant. Bei der schwer erkrankten Patientengruppe ist diese deutliche PTH-Suppression interessanterweise sogar mit einer Dosisreduktion von 34,6 % auf 14 μg/Woche nach sechs Monaten erreicht worden. Zusammenfassend zeigen die ersten Ergebnisse der deutschen Untersuchung, so Ketteler, eine sichere und effektive iPTH-Senkung unabhängig von der Vorbehandlung mit oder ohne aktivem Vitamin D durch Paricalcitol. Die Kalzium- und Phosphatwerte blieben annähernd unbeeinflusst.

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Aktuelle Ergebnisse bestätigen internationale Studien

Auch Dr. Jens Ringel, Potsdam-Babelsberg, zeigte in ersten Ergebnissen einer Crossoverstudie zu Alfacalcidol und Paricalcitol die Effektivität des selektiven Vitamin-D-Rezeptor-Aktivators (sVDRA) Paricalcitol. In der ersten Untersuchungsphase wurden mit Alfacalcidol i.v. austherapierte sHPT-Patienten auf Paricalcitol gewechselt. Bei allen 16 Patienten konnte innerhalb von sechs Monaten eine signifikante iPTH-Senkung beobachtet werden, ohne dass Serumkalzium und -phosphat nennenswert anstiegen. Im Anschluss wurden die Patienten erneut mit Alfacalcidol i.v. behandelt, was wiederum zu einem Anstieg der Parathormonspiegel führte. Eine Normalisierung der Parathormonspiegel ist demnach auch bei mit Alfacalcidol vorbehandelten Patienten durch die Umstellung auf Paricalcitol zu erreichen.

Die ersten Daten aus Deutschland bestätigen somit die Ergebnisse der internationalen Studien und zeigen erneut, dass selektive Vitamin-D-Rezeptor-Aktivatoren (sVDRA) essenziell für eine erfolgreiche sHPT-Therapie sind.

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Literatur

  • 1 Block GA, Klassen PS, Lazarus JM. et al. . Mineral metabolism, mortality, and morbidity in maintenance hemodialysis.  J Am Soc Nephrol. 2004;  15 2208-2218
  • 2 Kalantar-Zadeh K, Kuwae N, Regidor DL. et al. . Survival predictability of time-varying indicators of bone disease in maintenance hemodialysis patients.  Kidney Int. 2006;  70 771-780
  • 3 Kates DM, Sherrard DJ, Andress DL.. Evidence that serum phosphate is independently associated with serum PTH in patients with chronic renal failure.  Am J Kidney Dis. 1997;  30 809-813
  • 4 Martinez I, Saracho R, Montenegro J, Llach F.. A deficit of calcitriol synthesis may not be the initial factor in the pathogenesis of secondary hyperparathyroidism.  Nephrol Dial Transplant. 1996;  11 22-28
  • 5 Martinez I, Saracho R, Montenegro J, Llach F.. The importance of dietary calcium and phosphorous in the secondary hyperparathyroidism of patients with early renal failure.  Am J Kidney Dis. 1997;  29 496-502
  • 6 Slatopolsky E, Weerts C, Thielan J. et al. . Marked suppression of secondary hyperparathyroidism by intravenous administration of 1,25-dihydroxy-cholecalciferol in uremic patients.  J Clin Invest. 1984;  74 2136-2143
  • 7 Sprague SM, Llach F, Amdahl M, Taccetta C. et al. . Paricalcitol versus calcitriol in the treatment of secondary hyperparathyroidism.  Kidney Int. 2003;  63 1483-1490
  • 8 Teng M, Wolf M, Ofsthun MN. et al. . Activated injectable vitamin D and hemodialysis survival: a historical cohort study.  J Am Nephrol. 2005;  16 1115-1125
  • 9 Teng M, Wolf M, Lowrie E. et al. . Survival of patients undergoing hemodialysis with paricalcitol or calcitriol therapy.  N Engl J Med. 2003;  349 446-456
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  • 9 Teng M, Wolf M, Lowrie E. et al. . Survival of patients undergoing hemodialysis with paricalcitol or calcitriol therapy.  N Engl J Med. 2003;  349 446-456