Bei der Erkrankung Morbus Fabry handelt es sich um eine familiäre, X-chromosomal vererbbare
Systemerkrankung mit einer bis im Jahre 2006 geschätzten Inzidenz von 1:40000 bis
1:117000 pro Lebendgeburten [6]
[17]. In einer neueren Studie konnte bei einem Neugeborenenscreening eine Inzidenz von
1:3100 bei männlichen Neugeborenen ermittelt werden, weshalb von einem weitaus häufigeren
Auftreten dieser Erkrankung ausgegangen werden muss [27].
Die Fabryerkrankung gehört zu den lysosomalen Speicherkrankheiten. Ein Gendefekt führt
zu einem Mangel des Enzyms a-Galaktosidase A, was eine progrediente Anreicherung von
Globotriaosylceramid (Gb3) in Zellen multipler Organsysteme zur Folge hat. Die intrazelluläre
Akkumulation von Gb3 mündet im weiteren Krankheitsverlauf aufgrund von Zellzerstörung
in ein heterogenes, klinisches Krankheitsbild ([Tab. 1], [Abb. 1]), welches in vielen Fällen erst in der Spätphase der Erkrankung zur Diagnose führt
und unbehandelt Ursache für eine erhöhte Mortalität und eine deutlich reduzierte Lebenserwartung
ist [15]
[16].
Die Diagnose wird in erster Linie durch das Vorliegen der erwähnten klinischen Manifestationen
gestellt und durch laborchemische Messungen der α-Galaktosidase-A-Aktivität im Blut
und durch eine Genmutationsanalyse gesichert. Männer sind normalerweise klinisch manifest
betroffen, wohingegen die Erkrankung bei Frauen in der Regel milder und verzögert
auftritt. Unglücklicherweise wird die Erkrankung aufgrund des geringen Bekanntheitsgrades
in vielen Fällen erst sehr spät oder gar nicht erkannt - daher haben die betroffenen
Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung häufig bereits einen langen Leidensweg
hinter sich. Diese Tatsache ist insofern von großer Bedeutung, da seit 2001 eine Enzymersatztherapie
zur kausalen Behandlung zur Verfügung steht und die Prognose der Erkrankung deutlich
verbessert.
Tab. 1 Klinische Organmanifestationen und ihre Symptome im zeitlichen Verlauf
Abb. 1 Betroffene Organsysteme bei Kindern mit Morbus Fabry, n = 17 unter zehn Jahren, n
= 48 über zehn Jahren
Klinische Manifestation
Klinische Manifestation
Die klinische Symptomatik des Morbus Fabry ist sehr variabel. Die Vielfalt der betroffenen
Organe und die relativ unspezifische Ausprägung der Symptome erschwert das Erkennen
und die Diagnose stark. Hinzu kommt, dass der Schweregrad klinischer Symptome von
Patient zu Patient stark variiert.
Erste, auf einzelne Organsysteme beschränkte klinische Symptome können bereits im
frühen Kindesalter auftreten, welche sich im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf auf
mehrere Organsysteme ausbreiten und an Intensität zunehmen können.
[Tabelle 1] und [Abbildung 1] geben eine Übersicht über Organbeteiligungen und deren Symptome in Abhängigkeit
des Manifestationsalters.
Die Bedeutung von Morbus Fabry für den Nephrologen
Die Bedeutung von Morbus Fabry für den Nephrologen
Auch nierenspezifische Symptome können bereits im Kindes- und Jugendalter auftreten.
Sie sind jedoch typischerweise in der zweiten bis dritten Lebensdekade auffällig,
wobei viele Frauen, aber praktisch alle Männer betroffen sind [3]
[28].
Als Frühzeichen werden bei einer Nierenbeteiligung eine Proteinurie (Mikroalbuminurie)
sowie eine Mikrohämaturie diagnostiziert. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass
der Nephrologe in vielen Fällen die Erstdiagnose stellt. Seit Fabryfälle mit isolierter
Nierenbeteilung beschrieben wurden, muss man bei einer isolierten Proteinurie unklarer
Genese differenzialdiagnostisch auch an eine Fabryerkrankung denken [3].
Mit fortschreitendem Alter nimmt die Nierenfunktion zunehmend ab und führt unbehandelt
im Alter zwischen 30 und 50 Jahren schließlich zum terminalen Nierenversagen [5]
[26]. Aber auch bei einem nicht geringen Anteil von bereits dialysepflichtigen oder nierentransplantierten
Patienten konnte als Grunderkrankung Morbus Fabry diagnostiziert werden. Dies hat
in der Folge aufgrund der jetzt möglichen Enzymersatztherapie (ERT) für diese Patienten
im Hinblick auf die Lebensqualität große Bedeutung [13]
[18]
[20]
[21].
Diagnostik
Diagnostik
Aufgrund der oben beschriebenen systemischen Ausprägung, der Variabilität der Symptome
und des relativ niedrigen Bekanntheitsgrades wird die Erkrankung durch den behandelnden
Arzt in vielen Fällen nicht erkannt. So bleibt die Erstdiagnose in den meisten Fällen
Spezialambulanzen in großen Zentren vorbehalten. Die Verdachtsdiagnose wird in erster
Linie anhand der klinischen Symptome und der Familienanamnese gestellt. Die körperliche
Untersuchung sowie eine organspezifische Diagnostik (bildgebende Verfahren, Funktionsdiagnostik)
ergänzen die Anamnese und sollten alle Organsysteme umfassen. Dies erfordert eine
gute Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachdisziplinen.
Der nächste Schritt zur Diagnose führt über laborchemische Analysen. Klassisch ist
der Nachweis einer erniedrigten α-Galaktosidase-A-Aktivität in Leukozyten und Plasma.
Während betroffene hemizygote männliche Patienten oft kaum noch nachweisbare Restaktivität
besitzen, liegt der a-Galaktosidase-A-Wert bei heterozygoten Frauen meistens im Bereich
von 0 bis normal [4]. Deshalb ist bei Frauen zusätzlich ein molekulargenetischer Nachweis der Mutation
zur Bestätigung der Diagnose notwendig (Mutationsanalyse). Zusätzlich können die Gb3-Konzentrationen
im Blut oder Urin herangezogen werden. Bestehen Zweifel bei der Diagnosestellung,
ist in vielen Fällen eine Gewebsbiopsie der Schlüssel zur Diagnose. Die Diagnose des
Morbus Fabry gilt dann als gesichert, wenn eine Mutation im GLA-Gen nachgewiesen wird.
Therapie
Therapie
Seit 2001 ist eine kausale Therapie des Morbus Fabry mit Hilfe einer Enzymersatztherapie
möglich. Hierbei handelt es sich um eine intravenöse Infusion von gentechnologisch
gewonnener a-Galaktosidase A, die alle zwei Wochen verabreicht wird. Gegenwärtig sind
zwei Enzympräparate verfügbar:
-
Agalsidase alfa (Replagal®) wird in einer humanen Zelllinie hergestellt und in einer
Dosis von 0,2 mg/kg Körpergewicht verabreicht.
-
Agalsidase beta (Fabrazyme®) wird rekombinant in CHO-Zellen produziert und mit einer
Dosis von 1,0 mg/kg Körpergewicht bei einer Infusionsdauer von zirka vier Stunden
gegeben [8]
[9].
Ist die Therapie mit Enzymersatz effektiv und sicher?
Ist die Therapie mit Enzymersatz effektiv und sicher?
Die ersten klinischen Phase-I/II-Studien zeigten, dass die Infusion von gentechnologisch
hergestellter a-Galaktosidase A gut toleriert wird und zu einer Reduktion von Gb3
im Gewebe führt [4]
[24]. Im Vergleich mit Plazebo bewirkte die Therapie mit Agalsidase alfa eine signifikante
Reduktion der neuropathischen Schmerzen mit gleichzeitiger Reduktion der begleitenden
Schmerzmedikation und einer Verbesserung der schmerzbedingten Lebensqualität [23]. Auch die Nierenfunktion stabilisierte sich, was auch im Langzeitverlauf über 4,5
Jahre bestätigt werden konnte [25].
Die linksventrikuläre Herzwanddicke verringert sich bereits nach sechs Monaten unter
ERT mit Agalsidase alfa, wie zwei kleinere, doppelblinde, plazebokontrollierte Studien
zeigten [12]
[14]. Im Hinblick auf die zerebrovaskulären Verlaufsuntersuchungen konnte die Arbeitsgruppe
um Moore et al. erstmals nachweisen, dass bei Patienten mit Morbus Fabry erhöhte zerebrale
Blutflussgeschwindigkeiten auftreten und diese sich unter Enzymersatztherapie mit
Agalsidase alfa im Verlauf signifikant verbesserten [19]. Auch longitudinalen Langzeitdaten zufolge entwickeln sich die gastrointestinalen
Symptome sowie die Kälteempfindung und das Schwitzen unter Therapie mit Agalsidase
alfa positiv [1]
[11].
In Therapiestudien mit Agalsidase beta wurden die mikrovaskulären endothelialen Gb3-Ablagerungen
in der Niere, im Herz und in der Haut nach 20 Wochen ERT signifikant reduziert [7]. Im Plasma konnte nach 20 Wochen ERT kein Gb3 mehr nachgewiesen werden. Dagegen
gab es im Vergleich zu Plazebo keine signifikanten Unterschiede bezüglich Schmerzen
und Lebensqualität. Es ist zu erwarten, dass fast alle Patienten - meist innerhalb
von drei Monaten nach Behandlungsbeginn - IgG-Antikörper gegen Agalsidase beta entwickeln.
Bei einer begrenzten Patientenzahl wurden IgE-Antikörper nachgewiesen [8].
Wilcox et al. haben in ihrer Studie die Gb3-Spiegel mit einer massenspektrometrischen
Methode gemessen: Es zeigte sich eine maximale Reduktion von zirka 50 % im Vergleich
zu den Werten vor Therapie [30]. In einer späteren Studie wurde über eine Abnahme der linksventrikulären Masse am
Herzen [29] sowie über eine Verbesserung der peripheren Nervenfunktionen unter Therapie mit
Agalsidase beta berichtet [10].
In einer offenen, prospektiven Studie mit 26 Morbus-Fabry-Patienten, die im Mittel
über 23 ± 8 Monate behandelt wurden, konnte bei 16 Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion
(GFR 71 ± 17 ml/min/1,73m2) eine weitere Verschlechterung auf 60 ± 23 ml/min/ 1,73m2
nicht verhindert werden. Die posteriore Herzwanddicke (PWT) veränderte sich dagegen
nicht und blieb stabil.
Interessanterweise war zu beobachten, dass die Patienten ohne eingeschränkte Nierenfunktion
(n = 9) dagegen von der ERT mit Agalsidase beta zu profitieren schienen, da sich die
Nierenfunktion in dieser Gruppe stabilisierte und die PWT sich sogar leicht verbesserte.
Während des Studienverlaufes traten keine schwerwiegenden klinischen Ereignisse auf
[2].
Schlussfolgerungen
Schlussfolgerungen
Morbus Fabry ist eine hereditäre Multisystemerkrankung, welche zu einer erhöhten Morbidität
und Mortalität bei betroffenen Patienten führt. Aufgrund des vielfältigen und schwierigen
Krankheitsbildes und des geringen Bekanntheitsgrades wird die Erkrankung in den meisten
Fällen erst spät diagnostiziert. Seit 2001 steht zur Behandlung der Morbus-Fabry-Erkrankung
eine Enzymersatztherapie zur Verfügung. Nach aktueller Datenlage scheint die Therapie
die Symptome der Erkrankung sowie die Lebensqualität zu verbessern. Sie hat somit
das Potenzial, die Morbidität und Mortalität zu verringern.
Die bislang vorliegenden Ergebnisse aus klinischen Studien und Langzeitbeobachtungen
deuten jedoch darauf hin, dass die Wirksamkeit der Enzymersatztherapie sich bei bereits
schwer betroffenen Patienten weniger positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Eine
möglichst frühzeitige Diagnose und Enzymersatztherapie könnte wohl die Chancen zur
Stabilisierung beziehungsweise Verbesserung dieser Erkrankung begünstigen. Es ist
zu wünschen, dass weitere klinische Therapieverlaufsstudien diese Annahme belegen
können.