Dialyse aktuell 2007; 11(1): 36
DOI: 10.1055/s-2007-983908
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erhaltungstherapie nach Nierentransplantation - Immer näher an die optimale Langzeitimmunsuppression

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Publication Date:
06 June 2007 (online)

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Etwa die Hälfte aller organtransplantierter Patienten versterben mit einem funktionierenden Transplantat, stellte Prof. Norbert Senninger, Münster, auf dem letzten Kongress der Deutschen Transplantationsgesellschaft klar. Damit besteht in der Nachsorge Organtransplantierter ein erhebliches Optimierungspotenzial.

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Gefahr der Tumorneubildung ist groß!

Oft unterschätzt wird immer noch die Gefahr der Tumorneubildung unter der immunsuppressiven Therapie kritisierte Prof. Josep M. Campistol, Barcelona (Spanien). „Doch Tumore sind nach den kardiovaskulär bedingten Todesfällen die zweithäufigste Todesursache transplantierter Patienten im Langzeitverlauf!” Mit der weiteren Optimierung der immunsuppressiven Therapie, die vor allem das Problem der akuten Organrejektionen immer mehr in den Hintergrund treten lassen, wird uns dieses Problem in Zukunft sicher noch stärker beschäftigen, erwartet Campistol.

Ursachen für die erhöhte Krebsinzidenz bei Transplantationspatienten sind zum einen die unspezifische Immunsuppression, verbunden mit einer gesteigerten Replikation onkogener Viren, wie zum Beispiel des humanen Papillomavirus oder des Epstein-Barr-Virus. Darüber hinaus haben jedoch die Immunsuppressiva auch direkte Effekte auf die Tumorgenese. Gut untersucht ist dies vor allem bei den Calcineurininhibitoren (CNI) Cyclosporin und Tacrolimus - Substanzen, die Angiogenese, Tumorwachstum und Metastasierung fördern. „Nicht nur die Inzidenz der Tumoren steigt”, berichtete Campistol, „sie werden auch noch aggressiver!”

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mTOR-Inhibitoren reduzieren die Tumorinzidenz

Anders ist dies zum Beispiel bei dem Einsatz von mTOR-Inhibitoren („mammalian target of rapamycin”), wie Sirolimus (Rapamune®), die bezüglich der Tumorneubildung sogar einen protektiven Effekt haben könnten, wie Campistol vermutet. Denn mTOR habe eine zentrale Rolle bei der Regulation des Zellzyklus, angefangen bei der Translation der DNA über die Apoptose bis zur Zellproliferation.

Inzwischen gibt es viele Studiendaten, die die positiven Effekte von Sirolimus auf die Krebsinzidenz bestätigen. So dokumentieren die Langzeitdaten der internationalen Zulassungsstudie RMR[1] [1] einen deutlichen Rückgang der Tumorinzidenz unter Sirolimus im Vergleich zu einer CNI-basierten Immunsuppression nach fünf Jahren, sowohl von Hauttumoren (18 versus 51 %;

p < 0,001) als auch von soliden Tumoren (4 versus 8 %; p < 0,043). Außerdem entwickelten die Patienten ihre erste Läsion in der Kontrollgruppe signifikant schneller (491 versus 1126 Tage; p < 0,001).

Damit bestätigt die RMR-Studie eine im letzten Jahr publizierte retrospektive Auswertung des amerikanischen Transplantationsregisters, in der die Daten von über 33000 Nierentransplantierten eingingen [4]. Hatten diese eine mTOR-Therapie erhalten, betrug die Tumorinzidenz nach zwei Jahren nur 0,6 %. Unter einer reinen CNI-Therapie dagegen war die Rate mit 1,81 % signifikant höher

(p < 0,001). Solide Tumoren waren unter der mTOR-Monotherapie innerhalb des zweijährigen Beobachtungszeitraums nicht zu sehen. Wurde zusätzlich ein Calcineurininhibitor gegeben, stieg die Tumorinzidenzrate auf 0,47 %, bei der reinen CNI-Behandlung betrug sie 1,0 %.

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Kann man auf Calcineurininhibitoren verzichten?

In naher Zukunft wird es jedoch eher schwer sein, ganz auf die Gabe von Calcineurininhibitoren zu verzichten. Zwar bleibt unter immunsuppressiven Regimen, die ohne diese Substanzen arbeiten, die Nierenfunkton im Langzeitverlauf meist besser [5], doch sind oft höhere Abstoßungsraten zu beobachten. Auch eine Induktionstherapie zu Beginn der immunsuppressiven Behandlung kann den Nachteil der höheren Rejektionsraten nicht zufriedenstellend auffangen [2] [3]. „Im Langzeitverlauf der Behandlung können die Calcineurinhibitoren mit anderen Therapieoptionen jedoch nicht Schritt halten”, konstatierte PD Markus Guba, München. Denn dann kommen neben ihrem onkologischen Risikoprofil auch ihr kardiovaskuläres Nebenwirkungsprofil oder ihre nephrotoxischen Effekte zum Tragen.

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Eleganter Ansatz ist der CNI-Entzug

Einen eleganten Ausweg aus diesem Dilemma sieht er in einer CNI-sparenden Immunsuppression. Bei einem frühen Entzug der Calcineurininhibitoren zum Beispiel kombiniert man die Vorteile zweier Substanzgruppen: Die frühe Therapiephase fokussiert auf die gute Hemmung der akuten Abstoßungsreaktion mit einem Calcineurininhibitor. Später im Therapieverlauf konzentriert man sich durch den Verzicht auf diese Substanzen darauf, die Nierenprotektion im Auge zu behalten - eine Strategie, wie sie zum Beispiel in der RMR-Studie erfolgreich eingesetzt wurde. Nach drei Monaten wurde in dieser Studie Cyclosporin A durch eine erhöhte Dosierung von Sirolimus ersetzt und so ein deutlich besseres Transplantatüberleben und eine deutlich bessere Nierenfunktion erzielt [6].

Ob eine noch frühere Umstellung der Therapie einen weiteren Vorteil bringt, untersucht derzeit eine deutsche Multizenterstudie: In SMART2 werden die Patienten bereits nach Abschluss der Wundheilung auf eine calcineurininhibitorfreie Immunsuppression aus Sirolimus und Mycophenolatmophetil umgestellt. sts

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Literatur

  • 1 Campistol JM. et al. . J Am Soc Nephrol. 2006;  17 581-589
  • 2 Flechner C SM. et al. . Transplantation.  2002;  74 1070-1076
  • 3 Hamdy AF. et al. . Am J Transplant. 2005;  5 2531-2538
  • 4 Kaufman HM. et al. . Transplantation.  2005;  80 883-889
  • 5 Morales JM. et al. . Am J Transplant. 2002;  2 436-442
  • 6 Oberbauer R. et al. . Transplantation.  2003;  76 364-370

1 Rapamune Maintainence Regimen

2 sirolimusbasierte Immunsuppression nach früher CsA-Elimination

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Literatur

  • 1 Campistol JM. et al. . J Am Soc Nephrol. 2006;  17 581-589
  • 2 Flechner C SM. et al. . Transplantation.  2002;  74 1070-1076
  • 3 Hamdy AF. et al. . Am J Transplant. 2005;  5 2531-2538
  • 4 Kaufman HM. et al. . Transplantation.  2005;  80 883-889
  • 5 Morales JM. et al. . Am J Transplant. 2002;  2 436-442
  • 6 Oberbauer R. et al. . Transplantation.  2003;  76 364-370

1 Rapamune Maintainence Regimen

2 sirolimusbasierte Immunsuppression nach früher CsA-Elimination