Rofo 2007; 179(6): 642-644
DOI: 10.1055/s-2007-982581
Mitteilungen der DRG
Deutschen Röntgengesellschaft
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Die Zulässigkeit der Delegation von Kontrastmittelinjektionen an nicht-ärztliches Hilfspersonal in der radiologischen Praxis

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Rechtsanwältin Antje-Katrin Heinemann

Rechtsanwälte Wigge

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Publication Date:
30 May 2007 (online)

 
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In der radiologischen Praxis besteht aufgrund des bestehenden und zunehmenden wirtschaftlichen Druckes ein immer größer werdendes Bedürfnis, bestimmte Leistungen vom Arzt auf ausgebildetes Personal zu delegieren. Dogmatisch knüpft dieses Problem an der Pflicht des Arztes zur persönlichen Leistungserbringung an. Der Arztberuf ist seiner Natur nach ein freier Beruf und der mit dem Patienten abgeschlossene Dienstvertrag verpflichtet den Arzt auch zur persönlichen Leistungserbringung. Dieser Beitrag soll am Beispiel der Kontrastmittelinjektion das Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung des Arztes und Delegationsfähigkeit darstellen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.

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Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung

Das Gebot der persönlichen ärztlichen Leistungserbringung ist einer der bedeutendsten Grundsätze im Arztrecht. Trotz dieser Bedeutung fehlt es an einer klaren gesetzlichen oder untergesetzlichen Inhaltsbestimmung dieses Grundsatzes. Normen, die diesen Grundsatz voraussetzen, gibt es indes viele, etwa zu finden im Zivilrecht, dem Steuerrecht oder den Gebührenordnungen. Im ärztlichen Berufsrecht wird der Grundsatz in § 19 Abs. 1 S. 1 MBO-Ä statuiert.

Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung bedeutet nicht, dass der Arzt jede Maßnahme im Zusammenhang mit der Behandlung eines Patienten auch eigenhändig ausführen muss. Der Einsatz von nichtärztlichen Hilfspersonen ist in begrenztem Umfang zulässig, jedoch muss in allen Fällen der Kernbereich des ärztlichen Handelns dem Arzt vorbehalten bleiben.

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Die Zulässigkeit der Delegation ärztlicher Leistungen

Zunächst soll auf die Grundzüge der Delegierbarkeit der Leistungen eines Arztes eingegangen werden.

Es lassen sich drei unterschiedliche Gruppen festlegen:

  • Nicht delegationsfähige ärztliche Leistungen

  • Im Einzelfall delegationsfähige Leistungen

  • Grundsätzlich delegationsfähige Leistungen

Hinsichtlich der Zulässigkeit der Vornahme ärztlicher Leistungen durch nichtärzt-liches Personal gelten die folgenden Grundsätze, die die Bundesärztekammer gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung entwickelt hat:

Die Anforderungen an Art und Umfang der Delegationsfähigkeit ärztlicher Leistungen hängen im Wesentlichen von der Art der Leistung, der Schwere des Krankheitsfalles und der Qualifikation des Mitarbeiters ab. Maßnahmen, die keine besonderen Gefahren für die Patienten mit sich bringen (= Heilkunde im weiteren Sinne), können dem Grundsatz nach auch von nichtärztlichem Fachpersonal durchgeführt werden. (so auch BGH vom 24. Juni 1975 - VI ZR 72/74)

Dabei gilt, je geringer die theoretische und praktische Gefährdungsmöglichkeit des Patienten ist, desto eher darf der Arzt die anstehende Verrichtung zur Durchführung einer Pflegeperson übertragen.

Die Erbringung delegierter Leistung muss aber jedenfalls unter der Aufsicht und nach Weisung des Arztes erfolgen. Eine Pflegeperson kann bzw. muss die Befolgung einer Anordnung verweigern, wenn sie sich fachlich nicht oder nicht ausreichend qualifiziert fühlt. Das tätig werdende Hilfspersonal trägt immer die Verantwortung für die "rein technisch" richtige Durchführung der angeordneten Maßnahme. Sie kann für fehlerhaftes Handeln zivilrechtlich, arbeitsrechtlich und/oder strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Grundsätzlich delegationsfähig sind Leistungen wie Laborleistungen, mit Ausnahme des Speziallabors, physikalischmedizinische Leistungen, bestimmte Messverfahren und der Wechsel einfacher Verbände.

Nicht delegationsfähige ärztliche Leistungen sind sämtliche operative Eingriffe, Untersuchung und Beratung von Patienten, Psychotherapie (wenn nicht an Diplom-Psychologen ausdrücklich zugelassen), invasive diagnostische Eingriffe und Entscheidungen über sämtliche therapeutische Maßnahmen. Diese Leistungen unterliegen dem strikten Arztvorbehalt und können nur an ärztliche Mitarbeiter delegiert werden.

Im Übrigen muss darauf geachtet werden, dass die Grundsätze des Selbstbestimmungsrechts des Patienten gewahrt sein müssen (Aufklärung, Einwilligung).

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1. Überwachung und Ausbildung des Hilfspersonals durch einen Arzt

Der Arzt trägt die Verantwortung für die Anordnung der ärztlichen Leistung und deren ordnungsgemäße Durchführung. Dem Arzt obliegen Auswahl- und Überwachungspflichten; ihm obliegt letztlich die Gesamtverantwortung für die Behandlung des Patienten (§ 28 Abs. 1 SGB V). Anhand zahlreicher Gerichtsentscheidungen lässt sich die Folgerung ziehen, dass der Arzt für die angeordnete Maßnahme und letztlich auch für die Durchführung verantwortlich, zumindest aber mitverantwortlich, bleibt.

Der Arzt hat sich von den erlernten Fähigkeiten und Erfahrungen selbst zu überzeugen. Was die Intensität der Kontrolle der Mitarbeiter angeht, so muss sie in regelmäßigen Abständen erfolgen. Der Arzt hat sich nach jeder einzelnen Leistung des Personals von der Ordnungsgemäßheit der Durchführung zu vergewissern, um so seine Mitwirkung an der Leistungserbringung sicher zu stellen. (LSG NRW, MedR 1997, 94)

In diesem Zusammenhang kann ein so genannter Spritzenschein (Befähigungsnachweis) Bedeutung erlangen. Ein solcher Spritzenschein wird üblicherweise als eine Bestätigung eingestuft, dass eine bestimmte nichtärztliche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt nachgewiesen über die Befähigung zur Ausführung einer ausdrücklich benannten Tätigkeit verfügte. Der so genannte Spritzenschein muss aber hinsichtlich seiner Aussagekraft mit äußerster Vorsicht behandelt werden, denn die grundsätzlichen Verpflichtungen eines anordnenden Arztes und einer tätig werdenden Pflegekraft, ihr konkretes Verhalten richtig anhand der aufgezeigten Grundsätze einzuschätzen, bleiben unberührt.

Zudem muss der Arzt bei diesen Leistungen persönlich anwesend sein, um die Sicherheit im Fall unerwarteter Komplikationen zu gewährleisten.

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2. Die Delegation von Injektionsleistungen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bisher noch nicht einheitlich darüber befunden, ob und welche Injektionen der Arzt an nicht ärztliche Mitarbeiter delegieren darf.

Im Jahr 1959 hat der BGH entschieden (BGH NJW 1959, 2302), dass eine examinierte, also voll ausgebildete und geprüfte Krankenschwester intramuskuläre Injektionen nur übertragen bekommen darf, wenn der verantwortliche Arzt sich vorher vergewissert, dass die Krankenschwester ihre Aufgaben erfüllen kann und der Arzt dies auch kontrollieren kann.

In einem Urteil aus dem Jahre 1979 entschied der BGH (BGH NJW 1979, 1935), intramuskuläre Injektionen durch Krankenpflegerhelferinnen seien unzulässig, da Applikationsfehler zu typischen schwerwiegenden Schäden wie Lähmungen und Spritzenabszessen führen könnten.

Intravenöse Injektionen wie Kontrastmittelinjektionen sind dann delegationsfähig, wenn der Arzt Kenntnis von dem Krankheitsbild des Patienten und von der Qualifikation des tätigen nichtärztlichen Mitarbeiters hat, und anhand dieser Kenntnis entscheiden kann, ob eine Delegation der Leistung mit den medizinischen Erfordernissen vereinbar ist, oder ob eine persönliche Leistungserbringung erforderlich ist.

Einigkeit besteht darüber, dass intravenöse Injektionen vom Arzt nur dann delegiert werden können, wenn die nichtärztlichen Mitarbeiter eine spezifische Ausbildung im Bereich der Punktions- und Injektionstechnik absolviert haben und auf diesem Gebiet erfahren sind.

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3. Zulässigkeit der Delegation von Kontrastmittelinjektionen

Bei der Injektion von Röntgenkontrastmitteln durch MTRAs gehen die Meinungen in der Literatur auseinander. (ablehnend Laufs/Uhlenbruck, 3. Auflage, S. 950 m.w.N.)

Gerichtliche Entscheidungen in diesem Bereich sind selten. Ober- oder höchstgerichtliche Entscheidungen gibt es derzeit (noch) nicht. Das Amtsgericht Karlsruhe (AG Karlsruhe 1997, 13 C 448/95) hält die Übertragung der Durchführung einer Kontrastmittelinfusion auf eine Arzthelferin, die über entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt und vom Arzt überwacht wird, für zulässig.

Diese Meinung wird vor allem damit begründet, dass bei dieser Injektion eine erhöhte Gefahr allergischer Reaktionen besteht. Dieser Gefahr sei wirksam nur bei der unmittelbaren Durchführung und Anwesenheit eines Arztes begegnet.

Unter Anwendung der oben beschriebenen Grundsätze ist diese Ansicht nicht zwingend. Bei Leistungen mit hohem Risikopersonal ist noch mehr Wert auf die Einhaltung bestimmter Vorschriften zu legen. Eine MTRA, die Kontrastmittel injiziert, muss genau auf diese Art von Injektionen ausreichend und umfassend geschult sein. Der Radiologe ist verpflichtet, bei der Durchführung durchweg anwesend zu sein, um im Notfall eingreifen zu können. Bei strengster Einhaltung dieser Verhaltensregeln kann den teilweise geäußerten Bedenken begegnet werden. Aus rechtlicher Sicht ist also eine Delegation auch von diesen Injektionen zulässig.

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Risiken der Delegationen in der ärztlichen Praxis

Aus den bisher dargestellten Grundsätzen ergibt sich also kein Verbot der Delegation der Injektionen von Kontrastmitteln.

Nachfolgend soll der Übersicht halber kurz auf die möglichen Risiken eingegangen werden, die eine Delegation mit sich bringt.

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1. Haftungsrecht

Der Arzt haftet bei Unzulässigkeit der Delegation voll. Bei Durchführung der Leistung durch eine Hilfskraft haftet er für die Auswahl des Personals. Das Hilfspersonal selbst haftet für die ordnungsgemäße Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben.

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2. Kassenarztrecht

Ein Verstoß gegen das Gebot zur persönlichen Leistungserbringung führt dazu, dass diese Leistungen nicht abgerechnet werden können.

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3. Ärztliches Berufsrecht

Bei Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten können seitens der Kassenärztlichen Vereinigung Disziplinarmaßnahmen bis zum Entzug der Zulassung erlassen werden.

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4. Steuerrecht

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes besteht bei nicht persönlich erbrachten Leistungen die Gefahr einer Veranlagung zur Gewerbesteuer.

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5. Versicherungsrecht

Bei unzulässiger Delegation von Leistungen besteht die Gefahr von Deckungsproblemen bei Haftungsfällen.

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Ergebnis

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Delegation von Kontrastmittelinjektionen bei Beachtung der dargestellten Verpflichtungen (Aufklärung, Einwilligung des Patienten, Ausbildung und Überwachung des Hilfspersonals) zwar zulässig, aber durchaus risikobehaftet ist. Eine einheitliche Rechtsprechung existiert nicht und auch in der juristischen Literatur besteht keine Einigkeit. Das bedeutet, dass nicht genau vorher gesagt werden kann, wie in einem Streitfall über diese Leistungsdelegation entschieden werden würde.

Empfohlen werden kann in diesem Bereich, die Delegation der Injektionen von Kontrastmitteln durch nichtärztliches Personal in ihrer Häufigkeit möglichst auf sehr arbeits- und stressintensive Zeiten zu begrenzen und in diesen Fällen besonders auf die korrekte Dokumentation der Leistungserbringung zu achten.

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