Balint Journal 2007; 8(3): 103
DOI: 10.1055/s-2007-981391
Leserbrief

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Leserbrief zu: Balint 2006; 7: 2-12, E. R. Petzold: Wir und der Tod - ist Psychotherapie bei Sterbenden, ihren Angehörigen und ihren Ärzten sinnvoll?

I. Scheuber
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Publication Date:
26 October 2007 (online)

Mit Interesse habe ich den Aufsatz gelesen. Es ist ein gründlich durchdachter, guter Beitrag zum Thema. Ich habe den Artikel zweimal gelesen und werde ihn für mich aufbewahren. Gerne möchte ich Ihren Ausführungen meine Gedanken, die natürlich ganz subjektiv sind, hinzufügen. Wie Sie wissen, bin ich eine Patienten mit einer lebenslangen Herzphobie, aus der ich mich langsam herausentwickle. Mit dieser seelischen Erkrankung ist mir bewusst, dass für mich Sterben mit schweren Ängsten verbunden sein kann, es sei denn, ich bewältige diesen Teil des Lebens jetzt. Aus diesem Grund und aus aktuellem Anlass beschäftige ich mich vertieft mit der letzten Lebensphase, mit Sterben und Tod.

Psychotherapie ist sinnvoll für Menschen, die in ihrem Inneren Ängste, Fragen und Probleme spüren, die sie daran hindern, vertrauensvoll und bejahend das Tor zur Ewigkeit zu durchschreiten. Der Zeitpunkt des Nachdenkens über Tod und Sterben in einer Psychotherapie sollte weit angedacht werden. Er beginnt für manche Menschen mit der Nachricht über eine zum Tode führende Krankheit, für andere kann es eine rechtzeitige Vorbereitung auf die Realität sein, dass wir alle endlich sind. Denn wer weiss schon, ob er einen längeren Sterbeprozess durchlaufen wird? Mit Sicherheit nehmen auf dem Sterbebett das Konzentrationsvermögen und die Kräfte allgemein ab. Der Blick geht nach drüben. Ein psychotherapeutischer Prozess ist aus meiner Sicht kaum mehr denkbar, jedoch eine seelsorgerliche Begleitung, die letzte Fragen klären hilft. Wohl dem Menschen, der in den letzten Stunden nicht alleine ist, sondern eine liebevolle Begleitung erfahren darf.

Zur Prognose einer Therapie: Der Tod ist für mich kein Endpunkt, sondern ein Übergang in eine andere Form des Daseins. Rückbindung. Psychotherapie hat eine Zukunftsperspektive, die über das irdische Leben hinausreicht. Anteilnahme und Zuwendung, aber auch Vermittlung von Hoffnung und Zuversicht wünschte ich mir innerhalb der Psychotherapie.

Ich habe nie daran gezweifelt, dass die Seele den Körper verlässt und in anderen Sphären weiterlebt. Wie das sein wird, kann für mich Geheimnis bleiben. Alle Religionen enthalten einen Teil der Wahrheit. Niemand kann auf dieser Welt schon das Ganze erfahren. Das bleibt Gott vorbehalten.

Im Januar d. J. hatte ich Gelegenheit, an fünf Kontemplationstagen im Schweigen teilzunehmen. In der Buchhandlung des Veranstaltungsinstituts begegnete ich den Veröffentlichungen von Bernand Jakoby: „Die Brücke zum Licht”. rororo. Die Tage im Schweigen, die Stille und das Lesen dieser Literatur haben mich eindeutig auf meinem Weg, Ängste abzubauen, weiter gebracht. Es war für mich wie eine innere Führung. Die Auseinandersetzungen über den Wert von Nahtoderfahrungen sind mir bekannt. Dennoch spüre ich, dass mir Berichte über Erlebnisse in Todesnähe sehr hilfreich sind. Sie reduzieren das Nebulöse, Geheimnisvolle, Ungewisse. Ich kann mich darauf einstellen, Dunkelheit (Tunnel) durchqueren zu müssen, aber dahinter ist Licht / Liebe (Hoffnung).

Der Frage: „Was verstehen wir unter Tod?” füge ich die Frage hinzu: „Was verstehen wir unter Heil / Heilung?” „Woran leidest Du? Was ist Deine Sehnsucht?” Bezieht sich Heil / Heilung nur auf den Körper oder auch auf die unsterbliche Seele? Wenn wir diesen Blickwinkel wählen, was verstehen wir dann unter „friedlich Sterben”?

Es liegt nahe, dass Menschen, die Psychotherapie über Fragen zu Sterben und Tod anbieten wollen, die Bereitschaft haben müssen, über das eigene Sterben nachzudenken. Man sollte eine persönliche Reife erreicht haben. Ich wünschte mir viel Offenheit über die unterschiedlichen Wege, die Menschen gehen, um ins Licht zu gelangen.

Nochmals herzlichen Dank für Ihren Aufsatz.

Isolde Scheuber

I. Scheuber

Einsteinstr. 37

72555 Metzingen

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