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DOI: 10.1055/s-2007-980294
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Strukturen im Wandel - Orthopädie und Unfallchirurgie - Zukünftige Strukturen stationärer Versorgung
Publication History
Publication Date:
01 June 2007 (online)
- Etablierung eines neuen Fachs
- Neue Strukturmodelle
- Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung
- Krankenhaus der Schwerpunkt- und Maximalversorgung
- Unikliniken, BG Unfallkliniken, einzelne Krankenhäuser der Maximalversorgung
- Fazit
- Literatur
Rasche Veränderungen gesundheitspolitischer Rahmenbedingungen sowie die Etablierung des gemeinsamen Fachgebietes Orthopädie und Unfallchirurgie erfordern in Zukunft Anpassungen existierender stationärer Versorgungsstrukturen für Orthopädie und Unfallchirurgie.
Ziel ist es, eine flächendeckende, qualitativ hochwertige orthopädische und unfallchirurgische stationäre Versorgung zu erhalten, die sich sektorenübergreifend öffnen kann. Neben einer abgesicherten Basisversorgung bieten Spezialisierung und Zentrenbildung medizinisch sowie ökonomisch sinnvolle Lösungsansätze. Dies gilt speziell auch für universitäre Einrichtungen mit Integration von Forschung und Lehre. Neben dem bisherigen Chefarzt oder Klinikdirektor können spezialisierte Oberärzte zunehmend die Funktion von leitenden Abteilungsärzten einnehmen. Hierdurch lassen sich orthopädische und unfallchirurgische Schwerpunkte und Subspezialisierungen sinnvoll zusammenführen. - In nachfolgendem Beitrag werden Modelle für Abteilungs-, Klinik- und Zentrenstrukturen vorgestellt. Das Weißbuch Schwerverletzten-Versorgung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie DGU wurde dabei als Grundlage berücksichtigt. Die für die Orthopädie und Unfallchirurgie entwickelten Strukturen stationärer Versorgung sind modellhaft auch auf andere medizinische Fachgebiete übertragbar.
#Etablierung eines neuen Fachs
Die Etablierung des neuen Fachgebiets Orthopädie und Unfallchirurgie bietet die Chancen einer Reorganisation bestehender Abteilungs- und Organisationsstrukturen. Dies betrifft kleine Fachabteilungen, große Kliniken, spezialisierte Fachklinken und Universitätskliniken gleichermaßen. Das derzeit vielerorts zu beobachtende einfache Umbenennen einzelner Abteilungen und Kliniken unter Hinzufügen des jeweils hinzukommenden Fachgebietsnamens Orthopädie oder Unfallchirurgie ist ohne strukturelle und inhaltliche Anpassungen medizinisch und ökonomisch fragwürdig.
Die international anerkannte hohe Qualität und Fachkompetenz der deutschen Orthopädie und Unfallchirurgie sind auch unter den sich dramatisch ändernden gesundheitspolitischen und ökonomischen Rahmenbedingungen zu erhalten und zusammenzuführen. Neben einer gesicherten stationären Grund- und Regelversorgung ist eine spezialisierte Hochleistungsmedizin schwerpunktmäßig in Zentren zu erbringen. Eine regionale und überregionale Vernetzung stationärer Strukturen ist hierzu erforderlich. Im Weißbuch Schwerverletzten-Versorgung der DGU wurden entsprechende Traumanetzwerke modellhaft initiiert.
Aktuelle Veränderungen gesundheitspolitischer Rahmenbedingungen können sich bei angemessener Implementierung positiv auf die Restrukturierung der gemeinsamen orthopädisch und unfallchirurgischen Abteilungsstrukturen auswirken. So ist eine sektorenübergreifende Öffnung der Abteilungen und engere Kooperation mit niedergelassenen Orthopäden und Unfallchirurgen denkbar, die in die Abteilungsstrukturen enger als im bisherigen Belegarztsystem integriert werden können. Ebenso können bisherige Oberärzte bei gegebener Sub-Spezialisierung als leitende Abteilungsärzte eine neue Karriereperspektive erhalten. Möglichkeiten außertariflicher Vertragsstrukturen eröffnen zunehmend derartige Anpassungsprozesse. Die personengebundenen Anforderungen der berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren können in einem derartigen Kooperationsmodell ebenfalls auf jeder Versorgungsstufe abgebildet werden. Diese Qualifikationen, die in Zukunft an die Zusatzbezeichnung "spezielle Unfallchirurgie" gebunden sein werden, können sowohl durch den Klinikdirektor selbst oder alternativ durch einen leitenden Abteilungsarzt erbracht werden. Hier werden lokale Klinik-Schwerpunktbildungen und Trägerentscheidungen eine wesentliche Rolle spielen. Die Karrierechancen für derzeit noch rein orthopädisch oder künftig in der "speziellen Orthopädie" tätige universitäre Oberärzte bleiben dadurch jedenfalls gewahrt.
Voraussetzungen für derartige Anpassungsprozesse sind auch ein neues Verständnis und eine Reorganisation von medizinischen Führungspositionen. Der Chefarzt alter Prägung wird künftig noch mehr die Funktion eines Abteilungs-, Klinik- oder Zentrumsdirektors mit Managementverantwortung übernehmen. Klinisch wird er in der Regel zusätzlich eine Spezialisierung vertreten. Die Oberärzte entwickeln sich bei gegebener Spezialisierung und Qualifikation zu leitenden Abteilungsärzten weiter. Diese Positionen können, je nach lokalen Gegebenheiten, im Einzelfall auch von niedergelassenen oder an einem MVZ tätigen Ärzten sektorenübergreifend ausgefüllt werden. Hierzu müssten sie im Bedarfsfall jedoch auch am Rufbereitschaftdienst teilnehmen.
Durch angemessene außertarifliche Vertragsabschlüsse mit festen Gehaltsanteilen, Zielvereinbarungen, Bonusmodellen und Zuordnungen von Liquidationserlösen müssen Krankenhausträgern den beteiligten Ärzten hierzu jedoch künftig Anreiz schaffende Vergütungsabbildungen anbieten.
#Neue Strukturmodelle
Basierend auf diesen Überlegungen wurden in Anlehnung an das Weißbuch Schwerverletzten-Versorgung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie die folgenden Modelle für zukünftige orthopädische und unfallchirurgische Abteilungsstrukturen entwickelt, die die Basis-, Maximal- und universitäre Versorgung abbilden. Eine Integration von ambulanten und Rehabilitationseinrichtungen ist auf jeder Versorgungsstufe möglich. Die Weiterbildungsinhalte des neuen Facharztes sind gegebenenfalls Klinik übergreifend abzubilden.
#Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung
Im Modell 1 (Abb. [1]) entscheidet sich der Träger für eine gemeinsame Klinik für Chirurgie. Diese wird durch den Klinikdirektor administrativ gemanagt. Die Klinik für Chirurgie hat in der Regel mindestens eine Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie eine Abteilung für Allgemein-/ und Visceralchirurgie. Der Klinikdirektor ist organisatorisch für die Klinik verantwortlich. Er vertritt klinisch einen Abteilungsschwerpunkt und leitet diese Abteilung in der weitere, spezialisierte leitende Abteilungsärzte tätig sein können. Die leitenden Abteilungsärzte der anderen Klinikabteilungen sind medizinisch fachlich unabhängig. Den spezialisierten, leitenden Abteilungsärzten können weitere Oberärzte und / oder Fachärzte zugeordnet werden.

Abb. 1 Klinikstruktur Grund- und Regelversorgung, Modell 1: ungeteilte Klinik für Chirurgie mit selbstständigen Fachabteilungen.
Im Modell 2 (Abb. [2]) entscheidet sich der Träger für eine eigenständige Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie neben einer Klinik für Chirurgie. Der Klinikdirektor der Orthopädie und Unfallchirurgie leitet diese Klinik administrativ und fachlich. Weitere spezialisierte leitende Abteilungsärzte, Oberärzte und Fachärzte können in der Klinik tätig sein.

Abb. 2 Klinikstruktur Grund- und Regelversorgung, Modell 2: getrennte Klinik für Chirurgie und Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie.
Beide Modelle bieten grundsätzlich die Voraussetzungen einer Einrichtung der Basisversorgung entsprechend dem Weißbuch Schwerverletzten-Versorgung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Die personengebundenen Anforderungen der berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren können durch den Klinikdirektor oder einen leitenden Abteilungsarzt erfüllt werden. Leitende Abteilungsärzte können auch in einem MVZ oder zusätzlich niedergelassen tätig sein. Hintergrunddienste werden in der Klinik gemeinsam organisiert.
#Krankenhaus der Schwerpunkt- und Maximalversorgung
Hier wird der Begriff des Zentrums implementiert. Die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie ist eingebettet in ein Zentrum für Chirurgie, das aus eigenständigen Kliniken besteht. Dieses Zentrum wird gegenüber dem Träger von einem aus dem Kreis der Klinikdirektoren befristet bestellten Zentrumsdirektor administrativ vertreten. Einzelne Kliniken des Zentrums Chirurgie können darüber hinaus zusätzlich in übergreifende "Organzentren" (z. B. Magen-Darmzentrum) eingebettet sein (Abb. [3]).

Abb. 3 Klinikstruktur Schwer- und Maximalversorgung: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie als Bestandteil des Zentrums für Chirurgie
Der Klinikdirektor der Orthopädie und Unfallchirurgie leitet diese Klinik administrativ und fachlich. Weitere spezialisierte leitende Abteilungsärzte, Oberärzte und Fachärzte können in der Klinik tätig sein. Das Modell bietet grundsätzlich die Voraussetzungen eines regionalen Traumazentrums entsprechend dem Weißbuch Schwerverletzten-Versorgung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Die personengebundenen Anforderungen der berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren können durch den Klinikdirektor oder einen leitenden Abteilungsarzt erfüllt werden. Leitende Abteilungsärzte können auch in einem MVZ oder zusätzlich niedergelassen tätig sein. Hintergrunddienste werden in der Klinik organisiert.
#Unikliniken, BG Unfallkliniken, einzelne Krankenhäuser der Maximalversorgung
Hier etablieren sich spezialisierte Zentren für Orthopädie und Unfallchirurgie. Der Zentrumsdirektor wird vom Träger aus dem Kreis der spezialisierten Abteilungsdirektoren bestellt und vertritt das Zentrum administrativ. Abteilungsdirektoren leiten die Spezialabteilungen mit Unterstützung von leitenden Abteilungsärzten, Ober- und Fachärzten. Oberärzte und Fachärzte können im Rotationsverfahren Zusatzqualifikationen erwerben, um ihre Karriereperspektiven zu erhöhen. Abteilungsdirektoren können, je nach lokalen Strukturen und Spezialisierung, auch zwei oder mehrere Abteilungen fachlich leiten. Auch hier ist die Einbindung niedergelassener Ärzte möglich. Hintergrunddienste werden im Zentrum organisiert (Abb. [4]).

Abb. 4 Klinikstruktur Universitätskliniken, BG-Kliniken, Maximalversorgung: differenziertes Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Spezialabteilungen
Das Modell bietet grundsätzlich die Voraussetzungen eines überregionalen Traumazentrums entsprechend dem Weißbuch Schwerverletzten-Versorgung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Die personengebundenen Anforderungen der berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren werden durch den Abteilungsdirektor der Abteilung für spezielle Unfallchirurgie erfüllt.
Dem Argument, dass durch derartige Modelle universitäre Lehrstühle eliminiert werden kann entgegnet werden, dass auf Ebene der Abteilungsdirektoren W3- oder W2-Positionen durch die Fachbereiche eingerichtet werden müssen. Hier ist lokal die gemeinsame Überzeugungskraft der speziellen Unfallchirurgen und speziellen Orthopäden gefordert, sich analog zu anderen Fachgebieten (z. B. Innere Medizin) zu positionieren.
Als mögliches Umsetzungsbeispiel sei das der Strukturkommission der Charité zur Umsetzung eingereichte Modell des Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie angeführt (Abb. [5]). Neben jeweils einer W3-Professur für spezielle Unfallchirurgie und spezielle Orthopädie sind weitere W2- und W3-Professuren, teilweise als Stiftungsprofessuren, geplant. Insbesondere die Aufwertung und Integration von Forschung und Rehabilitation erscheint für das neue Fachgebiet wegweisend.

Abb. 5 Klinikstruktur Modellentwurf eines Zentrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité Berlin
Fazit
Die raschen Veränderungen im Gesundheitswesen bieten neben vielen Risiken auch große Chancen. Speziell das neue, gemeinsame Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie hat als großes chirurgisches Fach die Möglichkeiten und die Verpflichtung neu zu denken, zu gestalten und eine Schrittmacherfunktion zu übernehmen. Fachliche Weiterentwicklungen und die gesteigerte Erwartungshaltung der Öffentlichkeit erfordern zunehmend Top-Spezialisierungen. Diese sind nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen auf Zentren zu bündeln. Eine hochwertige, breite und allgemein zugängige Basisversorgung muss künftig weiterhin gewährleistet werden. Auch hier werden jedoch bereits einzelne, spezialisierte Leistungen gefordert werden. Die vorgestellten Modelle zukünftiger Abteilungsstrukturen des Fachgebietes Orthopädie und Unfallchirurgie sollen in diesem Sinne zur Diskussion anregen. |
Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. med. Reinhard Hoffmann, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am Main.
Ärztlicher Direktor, Chefarzt Abteilung Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie
Email: aerztlicher.direktor@bgu-frankfurt.de
Co-Autoren:
D. C. Wirtz, Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie; A. Beck, Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Unfallchirurgie, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie; N. P. Haas, Charité Universitätsmedizin Berlin, Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Klinik für Orthopädie, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
#Literatur
Literatur

Abb. 1 Klinikstruktur Grund- und Regelversorgung, Modell 1: ungeteilte Klinik für Chirurgie mit selbstständigen Fachabteilungen.

Abb. 2 Klinikstruktur Grund- und Regelversorgung, Modell 2: getrennte Klinik für Chirurgie und Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie.

Abb. 3 Klinikstruktur Schwer- und Maximalversorgung: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie als Bestandteil des Zentrums für Chirurgie

Abb. 4 Klinikstruktur Universitätskliniken, BG-Kliniken, Maximalversorgung: differenziertes Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Spezialabteilungen

Abb. 5 Klinikstruktur Modellentwurf eines Zentrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité Berlin