Die steigende Inzidenz von Asthmaerkrankungen bei Kindern ist in der Vergangenheit
schon oft mit einem Vitaminmangel in Verbindung gebracht worden, konnte aber niemals
in Studien belegt werden. Jetzt kommt eine prospektive Beobachtungsstudie zu dem Ergebnis,
dass Kinder 5-mal häufiger an persistierendem Asthma erkranken, wenn ihre Mütter während
der Schwangerschaft mit Vitamin E unterversorgt waren. Auch für Zink wird eine - wenn
auch schwächere Assoziation - beschrieben. Am J Respir Crit Care Med 2006;174:499-507
Im Jahr 1994 stellte Prof. Anthony Seaton von der Universität Aberdeen die Hypothese
auf, dass die in den Industrieländern verbreitete Unterversorgung mit antioxidativen
Vitaminen und Spurenelementen für die steigende Asthmaprävalenz verantwortlich sei.
Hierfür wurde später auch eine Reihe von Hinweisen aus epidemiologischen Studien gefunden:
Asthmaerkrankungen traten häufiger bei Kindern und Erwachsenen auf, die sich vitamin-
und spurenelementearm ernährten und deshalb niedrige Plasmaspiegel dieser lebenswichtigen
Substanzen hatten. Trotzdem fehlt der Beweis dafür, dass eine Supplementierung hilfreich
ist. Denn die wenigen randomisierten Studien hierzu verliefen alle negativ.
Zeitpunkt der Einnahme entscheidend?
Zeitpunkt der Einnahme entscheidend?
G. Devereux et al. vertreten in ihrer Publikation die These, dass der Zeitpunkt der
Einnahme entscheidend sei, nämlich während der pränatalen Entwicklungsphase der Lungen.
Um ihre Hypothese zu stützen, stellten sie jetzt die Ergebnisse einer prospektiven
Beobachtungsstudie vor. Bei 1856 Schwangeren wurden in der 12. Gestationswoche Blutproben
zur Bestimmung der Vitaminkonzentration entnommen. In der 32. Woche füllten die Schwangeren
einen Diätfragebogen aus, aus dem die Zufuhr mit Vitaminen und Spurenelementen berechnet
wurde. Diese Untersuchungen fanden 1997-1999 statt. Seitdem untersucht die Gruppe,
ob die Unterversorgung mit Vitaminen und Spurenelementen mit späteren Atopien oder
allergischen Erkrankungen der Kindern korreliert. Die erste Untersuchung fand nach
der Geburt statt: Eine abnorme zelluläre Antwort der Monozyten im Nabelschnurblut,
die auf eine "allergische" Prädisposition hindeuten könnte, fand das von G. Devereux
geleitete Team nicht. Danach wurden die Kinder im Alter von 2 Jahren untersucht.
Auch zu diesem Zeitpunkt deutete nichts auf eine allergische Störung hin.
Negative Assoziation bei 5-Jährigen gefunden
Negative Assoziation bei 5-Jährigen gefunden
Erst im Alter von 5 Jahren fanden die Autoren, wonach sie suchten: Eine negative Assoziation
zwischen Vitamin E bei den Müttern und Asthmaerkrankungen der Kinder. Bei einer Vitamin-E-Unterversorgung
der Mütter während der Schwangerschaft stieg das Risiko der Kinder auf eine persistierende
Asthmaerkrankung um den Faktor 5,14 (95%-Konfidenzintervall von 1,49-17,7; p = 0,01).
Die Assoziation betraf dabei nur die mangelnde Vitamin-E-Zufuhr in der 32. Schwangerschaftswoche
und nicht die Serumkonzentration. Damit war eine unsichere Angabe der Mütter (Ernährungsfragebogen)
mit einer ebenso unsicheren Diagnose "persistierendes Asthma" assoziiert, denn die
Diagnosen wurden nicht den Krankenakten entnommen, sondern von den Müttern erfragt.
Bei den "härteren" Daten war die Assoziation weniger deutlich und nur in wenigen Punkten
signifikant: Die Plasmawerte von α-Tocopherol in der 12. Gestationswoche waren mit
einer Sensitivierung im Hautpricktest negativ assoziiert. Die Autoren errechneten
eine Odds Ratio (OR) von 0,60 (95%-Konfidenzintervall 0,40-0,91; p = 0,02), also eine
Reduktion um etwa 40%.
Signifikant negative Assoziation mit α-Tocoferol-Spiegeln während der Geburt
Signifikant negative Assoziation mit α-Tocoferol-Spiegeln während der Geburt
Für die Bestimmung der NO-Exhalation (als Parameter für Entzündungen in den Atemwegen)
fanden sich widersprüchliche Angaben. Eine signifikante negative Assoziation bestand
nur mit den a-Tocoferol-Spiegeln während der Geburt, nicht aber mit den Werten während
der Schwangerschaft, wie man erwarten sollte. Die Autoren versuchten diesen Widerspruch
aufzulösen, indem sie einen "dualen Effekt" postulierten. Danach soll sich die Vitamin-E-Versorgung
während der Schwangerschaft auf die Lungenfunktion auswirken. Hierfür spricht auch
eine Assoziation der post-bronchodilatorischen FEV1-Werte der 5-jährigen Kinder mit der Vitamin-E-Versorgung der Schwangeren. Für die
allergische Seite der Erkrankung, also die NO-Exhalation, sollte hingegen die Vitamin-E-Versorgung
des Kindes in der Postnatalphase von Bedeutung sein.
Für Zink ergaben sich ebenfalls nur wenige, die Hypothese bestätigende, signifikante
Assoziationen, die ausschließlich die klinische Diagnose (in der Mitteilung der Mütter)
betrafen, nämlich eine negative Beziehung zwischen der Zufuhr in der Schwangerschaft
und einer Asthmadiagnose (OR 0,83; 0,71-0,78) und aktivem Asthma (OR 0,72; 0,59-0,89).
Fazit
Fazit
Dass diese Befunde allgemein als Beleg für die Vitaminmangelhypothese der Asthmaentstehung
anerkannt werden, muss bezweifelt werden, zumal der eigentliche Beweis, die Durchführung
einer randomisierten, kontrollierten Studie, noch aussteht. Und dieser konnte in früheren
Untersuchungen nicht erbracht werden.
Rüdiger Meyer, Hannover