Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2007-966901
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Chronische Skrotalulcera
Chronic Scrotal Ulceration
Dr. med. Ingrid Feldmann-Böddeker
Hautklinik, DRK-Krankenhaus Chemnitz-Rabenstein
Unritzstraße 23
09117 Chemnitz
Email: feldmann-böddeker.ingrid@drk-chemnitz.de
Publication History
Publication Date:
04 October 2007 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Anamnese
- Hautbefund bei Aufnahme
- Untersuchungsbefunde
- Labordiagnostik
- Therapie und Verlauf
- Diskussion
- Literatur
Zusammenfassung
Anhand der dargestellten Kasuistik wird insbesondere auf die differenzialdiagnostischen Überlegungen zur Abklärung von Skrotalulcera eingegangen.
#Abstract
This case report is focused on the differential diagnosis of scrotal ulceration.
#Einleitung
Die Blickdiagnose chronische Skrotalulcera lässt zunächst an eine Vielzahl möglicher Differenzialdiagnosen denken. Neben zahlreichen Infektionskrankheiten müssen bei der Diagnostik auch Malignome und Autoimmundermatosen bedacht werden.
#Anamnese
Seit August 2006 bestehen zwei therapieresistente schmerzlose Ulcera am Skrotum des 56-jährigen Patienten. Über 6 Monate wurden Behandlungen mit unterschiedlichen antibiotischen und glukokortikoidhaltigen Externa durchgeführt. Seit 6 Wochen bemerkt der Patient eine Größenprogredienz der Ulcera, derzeit verwendet er lediglich eine Wundsalbe.
Im November 2006 wurde eine histologische Untersuchung einer Probebiopsie eines Skrotalulcus durchgeführt. Hier zeigte sich Ulcusrandgewebe mit Granulationsgewebe, fokalen kapillaritischen Zeichen, Plasmazellen und vereinzelten Eosinophilen. Kein Hinweis für Lymphom oder malignes Neoplasma.
Bekannt sind bei dem Patienten weiterhin eine diabetische Polyneuropathie bei Diabetes mellitus Typ 2, eine Hypercholesterinämie, eine arterielle Hypertonie, eine Prostatahyperplasie I - II°, eine Varikozele re. und eine Nebenhodenzyste li. Im Jahr 2005 erfolgte eine Behandlung wegen einer Borreliose.
Wegen der Therapieresistenz der Skrotalulcera erfolgte im Januar 2007 eine stationäre Einweisung in unsere Hautklinik.
#Hautbefund bei Aufnahme
Am linken Skrotum zwei scharf begrenzte, tiefreichende, nicht belegte Ulcera von 4 × 3 cm und 2 × 2 cm Durchmesser ([Abb. 1]), die umgebende Haut ist unauffällig, die Ulcera sind nicht schmerzhaft, Lymphknoten sind beidseitig inguinal nicht palpabel.
Das übrige Integument und die Mundschleimhaut weisen keine Hautveränderungen auf.

Abb. 1 Hautbefund bei Aufnahme: Chronische Skrotalulcera.
Untersuchungsbefunde
Histologischer Befund einer Probebiopsie aus einem Skrotalulcus (Gemeinschaftspraxis für Pathologie und Zytologie, Dres. med. Beister/Neukirchner/Schweigert, Stollberg): Ulzerierende Dermatitis. Eine leukozytoklastische Vaskulitis liegt nicht vor. In der Defektzone imponieren fibrinoide Gefäßwandnekrosen und eine leukozytäre Infiltration, weiterhin ein perivasales, bis mäßig dichtes Rundzellinfiltrat. Differenzialdiagnostisch sollten ein Ulcus molle und ein Lymphogranuloma inguinale mit in die engere Wahl einbezogen werden. Gegen eine Lues spricht das Fehlen von plasmazellulären Infiltraten im entzündlichen Infiltrat. Kein Anhalt für Malignität.
Histologische Zweitbegutachtung der Probebiopsie des Skrotalulcus (Dermatologische Gemeinschaftspraxis Dres. Kutzner/Rütten, Mentzel et al., Friedrichshafen): Sekundäre Vaskulitis, die im Rahmen des chronisch-ulzerierenden Prozesses aufgetreten sein dürfte. Eine primär leukozytoklastische Vaskulitis liegt nicht vor. Mittels molekularpathologischer Methoden konnte keine Treponema pallidum-DNA, keine Herpes-simplex-Typ I- oder Typ II-DNA nachgewiesen werden. Es ergaben sich auch keine Hinweise für das Vorliegen einer Chlamydia trachomatis-, Haemophilus ducrey-, Pseudomonas-, Donovania granulomatis- oder Cytomegalovirus-DNA.
Immunfluoreszenzmikroskopische Untersuchung einer Probebiopsie eines Skrotalulcus: In den mit Anti-C 3-beschichteten Schnitten zeigte sich in der tiefen Epidermis eine Fluoreszenz entlang der Gefäßwände, ebenso an den mit Anti-Fibrinogen beschichteten Schnitten. Keine Fluoreszenz in den Schnitten, die mit Antikörpern gegen IgG und IgM beschichtet worden waren.
Molekularbiologische Untersuchung einer erneuten Biopsie aus einem Skrotalulcus (Institut für Virologie/Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus Dresden): Cytomegalie PCR negativ, Epstein-Barr-Virus PCR positiv.
#Labordiagnostik
Bakteriologische und mykologische Untersuchung von Abstrichen beider Skrotalulcera: Staphylococcus aureus und Enterococcus species, keine Anzucht von Anaerobiern oder Hefepilzen (Staphylococcus aureus war sensibel gegen Chloramphenicol und Cotrimoxazol, der andere Keim war sensibel gegen Amoxicillin, Ampicillin, Augmentan und Ciprofloxacin).
Lymphozytenstatus: Bei absolut normalen Lymphozyten liegen die Absolutwerte der Gesamt T-, B- und NK-Zellen im Normbereich. Die Helfer/Suppressor Ratio ist unauffällig mit 1,2.
Routinelabor: Differenzial-Blutbild Hb 8,4 mmol/l, Erythrozyten 4,57 Tpt/l, sonst unauffällig. Unauffällig waren auch der Gerinnungsstatus, Albumin, Elektrolyte, Lebertransaminasen, alk. Phosphatase, Kreatinin, Harnsäure, GFR, CRP, TSH, T3, T4.
Glukose im Serum: 10,7 mmol/l, HbA1c 7,6 %.
Urinstatus: Glukose 5,55 mmol/l, ansonsten unauffällig.
PSA: nicht erhöht.
Unauffällig waren auch ANA und Antikörper gegen dsDNS, weiterhin waren unauffällig die Serologie für HSV I, HSV II, Chlamydien IgG- und IgM-AK, HIV-AK, TPHA, Epstein-Barr-Virus-AK IgG und IgM, Borrelien-AK IgM, Borrelien-AK IgG 1 : 1280 (bekannte abgelaufene Borrelieninfektion).
Unauffällige Eiweißelektrophorese.
CMV-IgG 6,03 IE/ml (Referenzbereich < 0,4 IE/ml), unauffällig waren CMV-KBR und CMV-IgM: Befund wie bei abgelaufener CMV-Infektion.
#Therapie und Verlauf
Entsprechend der bakteriologischen Abstrichuntersuchungen erfolgte zunächst eine Antibiose mit Ciprobay und Cotrimoxazol sowie eine wechselweise Lokaltherapie zunächst mit Fucidine-Creme, dann mit Triclosan 2 %-DAC-Basiscreme. Nachdem die Ulcera nach zweiwöchiger Behandlung in unveränderter Ausdehnung persistierten, erfolgte versuchsweise eine Therapie mit Protopic 0,1 % Salbe. Auch unter dieser Behandlung persistierte der Hautbefund.
Nach insgesamt vierwöchiger Behandlung traf der PCR-Befund ein, in dem DNA gegen Epstein-Barr-Virus nachgewiesen wurde. Nach einer jetzt fünftägigen Behandlung mit Aciclovir 250 mg/kg Körpergewicht 3 × tgl. als Kurzinfusion und weiterer Lokaltherapie mit Triclosan 2 % in DAC-Basiscreme heilten die Ulcera innerhalb kurzer Zeit ab. Ein nochmalig durchgeführter HIV-Test war wiederum negativ.
#Diskussion
Die vorliegende Kasuistik soll auf die Vielzahl der zu diskutierenden und zu berücksichtigenden Differenzialdiagnosen bei chronischen und therapieresistenten Skrotalulcera hinweisen.
Ekthymata und Mykosen lassen sich durch entsprechende bakteriologische und mykologische Abstrichuntersuchungen klären. Mittels histologischer Untersuchung einer Probebiopsie sollten u. a. ein Karzinom, ein ulzeriertes Lymphom, eine Vaskulitis, ein Pyoderma gangraenosum, durch Histologie und Immunfluoreszenzhistologie weiterhin ein möglicherweise bestehender ulzerierender Lichen ruber erosivus oder Lupus erythematodes, ebenso ein bullöses Pemphigoid, ein Pemphigus vulgaris oder vegetans und ein extraintestinaler Morbus Crohn abgeklärt werden. Klinisch muss weiterhin an Artefakte und an einen Morbus Behcet gedacht werden. Auch die Abklärung einer Lues, eines Ulcus molle, eines durch Chlamydia trachomatis ausgelösten Lymphogranuloma inguinale sowie eines durch Calommatobacterium granulomatosis ausgelösten Donovania granulomatosis sollten ebenfalls diagnostisch abgeklärt werden. Schließlich muss bei persistierenden Ulcera im Genitoanalbereich auch an eine Herpes simplex-Virusinfektion durch HSV I oder HSV II, eine Zytomegalievirusinfektion oder wie im vorliegenden Fall diagnostiziert, an eine Epstein-Barr-Virus-Infektion gedacht werden. Die drei letztgenannten Infektionen treten in Zusammenhang mit Genitoanalulcera zumeist bei gleichzeitiger HIV-Infektion auf. Sofern die Serologie wie auch in der vorliegenden Kasuistik für die zuletzt genannten Viren negativ ausfällt, empfiehlt sich auf jeden Fall auch der Versuch eines DNA-Nachweises, der möglicherweise vorhandenen Keime mittels PCR aus einer Probebiopsie aus der entsprechenden Läsion.
Interessant ist bei der vorliegenden Diagnostik, dass die HIV-Serologie negativ war und sich auch kein Anhalt für einen Defekt im zellulären Immunsystem ergab. Da bei dem erwähnten Patienten möglicherweise noch keine Serokonversion erfolgt ist und er sich im sogenannten diagnostischen Fenster befindet, empfahlen wir auf jeden Fall weiter regelmäßige Kontrollen der HIV-Serologie durchzuführen.
#Literatur
- 1 Altmeyer P. et al .Dermatologische Differenzialdiagnosen. Heidelberg; Springer Medizin Verlag 2007: 321-339
- 2 Schmoeckel C. Diagnostisches und Differenzialdiagnostisches Lexikon der Dermatologie. Stuttgart; Georg Thieme Verlag 1997: 321-340
- 3 Braun-Falco O, Plewig G, Wolf H. Dermatologie und Venerologie, 3. Auflage. Heidelberg; Springer Medizin Verlag 2005: 209-254, 1036 - 1048
- 4 Vartian C V, Septimus E J. Genital ulceration in a young woman with infectious mononucleosis. Infections diseases in clinical practice. 1999; 8 354-355
- 5 Barnes C J, Alio A B. et al . Epstein-Barr-Virus-associated genital ulcers: An Under-recognized disorder. Pediatric dermatology. 2007; 24 130-134
- 6 Taylor S, Drake S M. et al . Genital ulcers associated with acute Epstein-Barr virus infection. Sexually transmitted infections. 1998; 74 296-297
Dr. med. Ingrid Feldmann-Böddeker
Hautklinik, DRK-Krankenhaus Chemnitz-Rabenstein
Unritzstraße 23
09117 Chemnitz
Email: feldmann-böddeker.ingrid@drk-chemnitz.de
Literatur
- 1 Altmeyer P. et al .Dermatologische Differenzialdiagnosen. Heidelberg; Springer Medizin Verlag 2007: 321-339
- 2 Schmoeckel C. Diagnostisches und Differenzialdiagnostisches Lexikon der Dermatologie. Stuttgart; Georg Thieme Verlag 1997: 321-340
- 3 Braun-Falco O, Plewig G, Wolf H. Dermatologie und Venerologie, 3. Auflage. Heidelberg; Springer Medizin Verlag 2005: 209-254, 1036 - 1048
- 4 Vartian C V, Septimus E J. Genital ulceration in a young woman with infectious mononucleosis. Infections diseases in clinical practice. 1999; 8 354-355
- 5 Barnes C J, Alio A B. et al . Epstein-Barr-Virus-associated genital ulcers: An Under-recognized disorder. Pediatric dermatology. 2007; 24 130-134
- 6 Taylor S, Drake S M. et al . Genital ulcers associated with acute Epstein-Barr virus infection. Sexually transmitted infections. 1998; 74 296-297
Dr. med. Ingrid Feldmann-Böddeker
Hautklinik, DRK-Krankenhaus Chemnitz-Rabenstein
Unritzstraße 23
09117 Chemnitz
Email: feldmann-böddeker.ingrid@drk-chemnitz.de

Abb. 1 Hautbefund bei Aufnahme: Chronische Skrotalulcera.