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DOI: 10.1055/s-2007-966900
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Anaphylaktischer Schock nach Injektion von Solu-Decortin H
Anaphylactic Shock After Injection of Solu-Decortin HDr. med. Ingrid Feldmann-Böddeker
Hautklinik, DRK-Krankenhaus Chemnitz-Rabenstein
Unritzstraße 23
09117 Chemnitz
Email: feldmann-böddeker.ingrid@drk-chemnitz.de
Publication History
Publication Date:
04 October 2007 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Anamnese
- Allergologische Untersuchungsbefunde
- Pricktest mit Solu-Decortin H und weiteren Glukokortikoiden
- Intrakutantest mit Glukokortikoiden
- Diskussion
- Literatur
Zusammenfassung
Die Abklärung einer unerwünschten Arzneimittelreaktion ist, wie auch in der vorliegenden Kasuistik, in der Regel eine komplexe Aufgabe. Im vorliegenden Fall wurde ein anaphylaktischer Schock, der während einer Allgemeinanästhesie aufgetreten war, diagnostisch recherchiert.
Abstract
The diagnosis of adverse drug reactions is mostly a difficult job. In the reported case an anaphylactic shock was investigated which occurred during a general anaesthesia.
Einleitung
Arzneimittelinduzierte Hautveränderungen werden bei 2 bis 4 % aller hospitalisierten Patienten beobachtet. Bei vielen Patienten sind arzneimittelbedingte Hautveränderungen so gering ausgeprägt und flüchtig, dass keine diagnostische Abklärung veranlasst wird. Andererseits werden auch häufig Symptome, die in zeitlichem Zusammenhang mit einer Medikation aufgetreten sind, fälschlicherweise als unerwünschte Arzneimittelreaktion gewertet. Die Abklärung einer unerwünschten Arzneimittelreaktion ist wie auch im vorliegenden Fall eine komplexe Aufgabe. Nicht immer lässt sich ein Kausalzusammenhang zwischen Symptomatik und Arzneimittel herstellen, häufig kann letztendlich nur vermutet werden, welches Medikament die Reaktion ausgelöst hat.
Anamnese
Bei einer 28-jährigen Patientin wurde eine Kreuzbandplastik des linken Knies in Allgemeinanästhesie und unter Anwendung eines sogenannten 3 : 1-Blocks durchgeführt. Während der Allgemeinanästhesie entwickelte die Patientin zunächst ein generalisiertes Erythem sowie eine leicht ausgeprägte Gesichtsschwellung. Hierauf wurden 250 mg Solu-Decortin H intravenös injiziert. Kurze Zeit später entwickelte die Patientin einen drastischen Blutdruckabfall, der als anaphylaktischer Schock gewertet wurde. Nach Gabe von Akrinor, Suprarenin, Tavegil und Kalzium war die Schocksymptomatik rasch rückläufig. Anhand des Narkoseprotokolls wurde recherchiert, welche Medikation prä- und intraoperativ vor Auftreten der Symptome appliziert worden war, nämlich Propofol, Atropin, Rapifen, Pancuronium, MCP, Metamizol, Cefuroxim, Clexane, Diclofenac und Carbostesin. Anamnestisch war Diclofenac ein halbes Jahr vor diesem operativen Eingriff gut toleriert worden. Ebenso wurde Clexane vor ca. 4 Jahren gut toleriert. Weiterhin wurden während des operativen Eingriffes Latexhandschuhe und andere latexhaltige Materialien eingesetzt.
Allergologische Untersuchungsbefunde
Spezifisches IgE gegen Latex, Penicilloyl G und V wurden nicht nachgewiesen. Im Epikutantest mit Latex, der Innenseite der verwendeten Latexhandschuhe und sämtlichen verabreichten Medikamenten zeigte sich nach einer Ablesung über 96 Stunden keine Reaktion.
Auch im Pricktest mit zwei kommerziellen Latexextrakten, Propofol, Atropin, Rapifen, Pancuronium und MCP-Tropfen zeigte sich keine Reaktion. Im Intrakutantest mit Rapifen 1 : 100 zeigte sich eine positive, mäßig ausgeprägte Sofortreaktion. Zuvor getestete Kontrollpersonen zeigten bei dieser Konzentration keine Reaktion gegen Rapifen. Im Intrakutantest mit Atropin 1 : 100, Pancuronium 1 : 100 und 1 : 10 sowie Propofol 1 : 100 zeigte sich keine Reaktion. Im Pricktest und Intrakutantest mit Carbostesin und zahlreichen anderen Ausweichlokalanästhetika zeigte sich in den Verdünnungen 1 : 100 und 1 : 10 ebenfalls keine Reaktion. Im subkutanen Provokationstest mit den Ausweichlokalanästhetika Ultracain 1 % und Scandicain 1 % zeigte sich jeweils keine Reaktion bis zu einer kumulativen Gesamtdosis von 2,25 ml. Ein Latexhandschuh wurde im Handschuhtragetest gut toleriert. Im Pricktest und Intrakutantest mit Metamizol 1 : 10 000 und 1 : 1000 sowie Diclofenac 1 : 100 und 1 : 10 sowie weiteren Ausweichanalgetika zeigte sich keine Reaktion. Im oralen Provokationstest wurden die Ausweichanalgetika Paracetamol 500 mg und Ibuprofen 600 mg gut toleriert. Im Pricktest mit Cefuroxim, weiteren Cephalosporinen, Penicillinen und Ausweichantibiotika zeigte sich keine Reaktion, auch nicht im Intrakutantest mit Penicillin G 1 : 1000 und 1 : 100. Im Pricktest und Intrakutantest mit Clexane und weiteren Heparinen 1 : 100, 1 : 10 und pur zeigte sich keine Reaktion bei einer Ablesung über 7 Tage.
Pricktest mit Solu-Decortin H und weiteren Glukokortikoiden
Keine Reaktion gegen Solu-Decortin H 50 mg (Prednisolon mit Succinat) und Prednabene (Prednisolon ohne Succinat).
Deutlich positive Sofortreaktion gegen Hydrokortison 100 Rotexmedica (Hydrocortison mit Succinat) und gegen Urbason solubile 6 mg-Injektionslösung (Methylprednisolon mit Succinat). Bei zahlreichen zuvor in unserem Allergielabor getesteten Patienten war keine Reaktion gegen Hydrocortison 100 Rotexmedica oder Urbason solubile 6 mg-Injektionslösung aufgetreten. Keine Reaktion zeigte sich auch gegen Volon A solubile 40 mg-Injektionslösung (Triamcinolon ohne Succinat), Fortecortin 8 mg Inject (Dexamethason ohne Succinat) und Celestan solubile 4 mg Injektionslösung (Betamethason ohne Succinat).
Intrakutantest mit Glukokortikoiden
Deutlich positive Sofortreaktion mit einer Quaddel von 2 × 2 cm gegen Solu-Decortin H 50 mg 1 : 100 (succinatgebundenes Prednisolon). Zahlreiche zuvor im Allergielabor getestete Patienten hatten keine Reaktion gegen Solu-Decortin H in dieser Verdünnung entwickelt. Keine Reaktion gegen die anderen, bereits im Pricktest nicht reagierenden, nicht succinatgebundenen Kortikoide 1 : 100, 1 : 10 und pur, inklusive nichtsuccinatgebundenem Prednisolon und Methylprednisolon.
Diskussion
Während einer Allgemeinanästhesie erlitt die Patientin zunächst ein generalisiertes Erythem und eine Gesichtsschwellung, zusätzlich nach Injektion von 250 mg Solu-Decortin H (succinatgebundenes Prednisolon) einen anaphylaktischen Schock. Symptomauslösend für den anaphylaktischen Schock war nach den anamnestischen Angaben des Narkoseprotokolls und der im Intrakutantest nachgewiesenen, deutlich positiven Soforttypreaktion gegen Solu-Decortin H aller Wahrscheinlichkeit nach das injizierte Solu-Decortin H.
Interessant war weiterhin, dass sich im Intrakutantest mit Prednisolon, das nicht an Succinat gebunden war, keine Reaktion zeigte, und dass sich andererseits auch ausgeprägte Soforttypreaktionen im Pricktest mit succinatgebundenem Methylprednisolon und Hydrokortison zeigten. Von daher besteht bei der Patientin eine Soforttypsensibilisierung offensichtlich nur gegen succinatgebundene Kortikoide. Ein Bezug von reinem Succinat zu einer weiteren allergologischen Testung war leider nicht möglich. In der Literatur wird selten über das Auftreten einer Soforttypallergie gegen succinatgebundene Kortikoide berichtet, eine Soforttypallergie gegen Succinat wurde nach unserer Recherche bislang nicht beschrieben.
Insbesonders nach intravenöser Stoßtherapie mit hohen Dosen von Glukokortikoiden wurden plötzliche Todesfälle beschrieben, ebenso anaphylaktische Reaktionen wie Urtikaria und Bronchospasmus.
Bei bekannter Intoleranz von Acetylsalicylsäure und Asthmatikern werden Soforttypallergien gegen Glukokortikoide besonders häufig beschrieben.
Um der Patientin künftig verträgliche Kortikoide empfehlen zu können, empfahlen wir weiterhin die Durchführung eines oralen und auch intravenösen Provokationstestes mit nichtsuccinatgebundenen Kortikoiden. Zu dieser Testung ist die Patientin leider nicht mehr erschienen.
Beim Intrakutantest mit Rapifen 1 : 100, das u. a. vor Auftreten des generalisierten Erythems und der Gesichtsschwellung verabreicht worden war, zeigte sich eine mäßig ausgeprägte Soforttypreaktion. Von daher wurde die Eingangssymptomatik vermutlich durch Rapifen ausgelöst. Bedacht werden muss allerdings auch, dass es sich bei dem verabreichten Rapifen, Propofol und auch Pancuronium um histaminliberierende Medikamente handelt.
Die Patientin sollte künftig nicht mehr mit succinatgebundenen Kortikoiden und Rapifen behandelt werden. Vorsichtshalber empfahlen wir auch vor Einleitung einer erneuten Allgemeinanästhesie ein Antihistaminikum zu injizieren. Ein entsprechender Allergiepass wurde der Patientin ausgehändigt.
Bei der Diagnostik von Arzneimittelunverträglichkeiten ist die Erhebung einer ausführlichen Anamnese unerlässlich. Unter anderem müssen sämtliche, in den letzten vier Wochen applizierten Medikamente und deren Zusammensetzung erfasst werden. Bei den allergologischen Hauttestungen sollten sämtliche verabreichte Präparate sowie sofern erhältlich, auch deren Inhaltsstoffe, getestet werden. Wenn möglich sollten auch Reinsubstanzen, Medikamente ähnlicher chemischer Struktur, Medikamente der gleichen Wirkstoffgruppe und Ausweichmedikamente getestet werden. Unter sorgfältiger Nutzen-Risiko-Analyse kann gegebenenfalls auch eine Provokationstestung im Sinne einer Re-Exposition mit dem vermutlich symptomauslösenden Medikament, alternativ auch eine Provokationstestung mit Ausweichmedikamenten erfolgen. Wesentlich ist nach erfolgter Testung die Bestimmung der Kausalität. Zwischen der Reaktion und der Gabe eines Medikamentes kann ein ursächlicher Zusammenhang mit unterschiedlichen Graden der Wahrscheinlichkeit bestehen. Dieser Zusammenhang muss aufgrund medizinisch plausibler Informationen und Überlegungen sowie statistischer Wahrscheinlichkeiten etabliert werden. Der endgültige Beweis, dass ein bestimmtes Arzneimittel eine Nebenwirkung hervorgerufen hat, ist oft schwer zu erbringen. Aufgrund der Vielfältigkeit der klinischen Manifestationen, der oft nicht geklärten Pathogenese und der großen Anzahl auslösender Medikamente, ist die Diagnostik der kutanen Arzneimittelreaktion oft eine Herausforderung. Um künftig schwere Reaktionen zu vermeiden und auch die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen, sollten Patienten, die eine vermutliche arzneimittelbedingte Reaktion erlitten haben, unbedingt einer allergologischen Diagnostik und Beratung zugeführt werden.
Literatur
- 1 Kurzhals G. et al . Anaphylaktische Reaktion auf Succinatester von Kortikosteroiden. Allergologie. 1995; 18 156-158
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- 4 Barbaud A. et al . Guidelines for performing skin tests with drugs in the investigation of cutaneous adverse drug reactions. Contact dermatitis. 2001; 45 321-328
- 5 Bircher A. Arzneimittelallergie und Haut. Stuttgart; Georg Thieme Verlag 1996: 40-41, 127 - 153
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- 6 Jäger L, Merk M. Arzneimittelallergie. Jena; Gustav Fischer Verlag 1996: 99-101, 166 - 178
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- 7 Bork K. Arzneimittelnebenwirkungen an der Haut. Stuttgart, New York; Schattauer Verlag 1998: 371-378
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- 8 Ammon M PT. Arzneimittelneben- und Wechselwirkungen. Stuttgart; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH 2001: 1099-1100
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- 9 Burgdorff T, Venemalm L, Vogt T, Landthaler M, Stolz W. IgE-mediated anaphylactic reaction induced by succinate ester of methylprednisolone. Annals of Allergy, Asthma and Immunology. 2002; 89 425-428
- 10 Fulcher D A, Katelanis C. Anaphylactoid reaction to intravenous hydrocortisone sodium succinate: a case report and literature review. Med J Aust. 1991; 154 783-784
- 11 Nakamura H, Matsusett H. et al . Clinical evaluation of anaphylactic reactions to intravenous corticosteroids in adult asthmatics. Respiration Vol. 2002; 69 309-313
Dr. med. Ingrid Feldmann-Böddeker
Hautklinik, DRK-Krankenhaus Chemnitz-Rabenstein
Unritzstraße 23
09117 Chemnitz
Email: feldmann-böddeker.ingrid@drk-chemnitz.de
Literatur
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Unritzstraße 23
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