Zusammenfassung
Durch den gezielten Einsatz der heute in der Radiologie zur Verfügung stehenden
Untersuchungsmethoden gelingt es in vielen Fällen, das Spektrum von Veränderungen
am muskuloskelettalen System nichtinvasiv differenzialdiagnostisch einzuengen
oder präzise zu diagnostizieren. Es bleiben allerdings eine Reihe von Läsionen
übrig, die einer bioptischen Abklärung bedürfen. Dies ist oft minimalinvasiv
möglich. Unter Zuhilfenahme von Computertomographie, Sonographie, Röntgendurchleuchtung
oder Magnetresonanztomographie sind dem versierten, mit Biopsietechniken vertrauten
Radiologen nahezu alle Abschnitte des Körpers zugänglich geworden. Voraussetzung
für diese Interventionen sind neben der Erfahrung des interventionell Tätigen
spezielle Kenntnisse über die Indikationsstellung und die Durchführung des
Eingriffs sowie die Interpretation der Biopsieergebnisse im klinisch-radiologischen
Kontext.
Abstract
Differential diagnosis of musculoskeletal disorders can be limited or even rendered
precise if all available non invasive radiological modalities are used. Not otherwise
classified lesions have to be biopsied. A minimal invasive approach is often applied.
Using computed tomography, ultrasonography, fluoroscopy or magnetic resonance
imaging, the herewith experienced radiologist is in a position to biopsy almost
all parts of the body. Prerequisites for the successful implementation of these
procedures are experience and specific knowledge about indication, intervention
as well as interpretation of the results of the biopsy in clinical and radiological
context.
Key words
Bone biopsy · musculoskeletal system · staging · biopsy, complications · biopsy,
technique · differential diagnosis
Kernaussagen
Beurteilung von Tumoren des muskuloskelettalen Systems
Nur etwa 10 % aller benignen primären Skelettläsionen sind mit radiologischen
Methoden nicht verlässlich einzustufen und müssen daher histologisch abgeklärt
werden.
Mit dem Lodwick-Grading ist es möglich, osteolytische Skelettläsionen im Projektionsradiogramm
zu beurteilen. Die Wachstumsgeschwindigkeit einer Läsion ist dabei umso größer,
je höher ihr Grading ist.
Biopsiegrundlagen
Nutzen einer Biopsie. Um den Nutzen einer Biopsie einschätzen zu können, sind folgende Parameter geeignet:
-
„accuracy”: berücksichtigt die richtig positiven und richtig negativen Resultate,
-
„effective accuracy”: berücksichtigt zusätzlich die fragwürdigen oder unsicheren
Ergebnisse,
-
„diagnostic utility”: berücksichtigt den klinischen Nutzen eines möglichen Testresultates
und die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Resultat eintreten wird.
Die „accuracy” bei primären oder sekundären Knochentumoren bzw. infektiösen Skelettveränderungen
liegt zwischen 80 und 90 %, die „effective accuracy” zwischen 50 und 80 %.
Indikationen. Osteolytische, in geringerem Umfang auch osteosklerotische Läsionen sind bei
Metastasenverdacht Indikationen zur Biopsie. Eine Biopsie bei Verdacht auf eine
infektiöse Veränderung ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Patient antibiotisch
nicht anbehandelt ist oder wenn die Möglichkeit einer tuberkulösen Genese
in Betracht gezogen wird („accuracy” 80 - 90 %, „diagnostic utility” ca. 50
%). Bei der - grundsätzlich ebenfalls indizierten - Biopsie primärer Knochentumoren
ist zu berücksichtigen, dass Knochentumoren in ihrem Aufbau oft inhomogener sind
als z. B. Metastasen.
Komplikationen. Komplikationsraten bei Biopsien (typischerweise Gefäß-, Nervenverletzungen, Wundinfektionen,
Pneumothorax) werden meist mit 1 - 2 % angegeben. Biopsiebedingte Probleme können
den Behandlungsplan (ca. 20 %) und die Prognose (8 %) negativ beeinflussen. Implantationsmetastasen
in den Weichteilen entlang des Biopsiekanals sind klinisch relevant, verlässliche
Zahlen gibt es aber nicht.
Zugangswege. Der Zugangsweg sollte so geplant werden, dass er im Rahmen der Tumorresektion
mit einem ausreichend großen Sicherheitsabstand revidiert werden kann. Er sollte
nicht entlang von Gefäßen oder Nerven verlaufen und keine Kompartimentgrenzen
überschreiten. Eine interdisziplinäre Absprache ist notwendig.
Durchführung der Biopsie
Patientenvorbereitung. Die Patientenvorbereitung umfasst Aufklärung, Routinelabor und oft eine Skelettszintigraphie
(systemische Erkrankungen!). Die gesamte erforderliche klinische und radiologische
Diagnostik müssen vor der Biopsie abgeschlossen sein. Die Biopsie kann meist in
Lokalanästhesie durchgeführt werden. Anschließend sollte der Patient liegen.
Durchführung. Die Durchführung einer Biopsie ist abhängig von der Art der Läsion.
Bildgebung. Perkutane Weichteil- oder Knochenbiopsien können ultraschall-, durchleuchtungs-,
CT- oder MRT-gesteuert durchgeführt werden. Die CT ist dabei den anderen Verfahren
in den meisten Fällen überlegen.
Zugangswege. An der Wirbelsäule gelten der transpedikuläre, der dorsolaterale, der interkostotransversale
und der laterale Zugang als Standardzugang. An der Halswirbelsäule, insbesondere
der oberen HWS und Schädelbasis mit schwierigen anatomischen Verhältnissen
kommen transoraler, anterolateraler, retromandibulärer, retromaxillärer, dorsal
retromastoidaler und transpedikulärer Zugang infrage. Außerdem gibt es eine elegante
Möglichkeit über die „mandibular sigmoid notch”.
Ergebnisbeurteilung
In der Interpretation der Ergebnisse von Biopsien muskuloskelettaler Läsionen
ist die Zusammenarbeit von Radiologie und Pathologie wesentlich.