Einleitung
Einleitung
Das Lipödem ist ein Krankheitsbild, welches immer noch vielen Laien - oft aber auch
Ärzten und medizinischem Personal - nicht geläufig ist. Künstlerische Darstellungen,
die heute als Lipödem interpretiert werden, gibt es bereits aus der Frühzeit der Menschheit.
So existieren eine steinerne Statue der Großen Göttin im Tempel Hal Tarxien auf Malta
von ca. 3000 v. Ch. ([Abb. 1 a] - im Vergleich mit einem klinischen Befund [Abb. 1 b]) und ein Relief der Königin von Punt im ägyptischen Hatshepsut-Tempel in Deir el
Bahari von ca. 1500 v. Chr. ([Abb. 1 c]).
Abb. 1 Historische Darstellungen. a Ca. 5000 Jahre alte steinerne Statue der Großen Göttin im Tempel Hal Tarxien, Malta.
b Klinisches Bild zum Vergleich. c Ca. 3500 Jahre altes Relief der Fürstin von Punt. Hatschepsut-Tempel, Der el-Bahari,
Ägypten (Umzeichnung nach Mariette).
Die vorhandene Literatur zum Lipödem ist - im Gegensatz zum Lymphödem - insgesamt
spärlich. Wissenschaftlich exakt beschrieben wurde die Krankheit erst 1940 von den
amerikanischen Ärzten Allen und Hines [1]. Trotzdem wird die Entität dieses Krankheitsbildes in den USA vereinzelt immer noch
angezweifelt; aus diesem Grund wurden sogar Publikationen zu diesem Thema abgelehnt
(Schmeller, eigene Erfahrungen). Im neuen angloamerikanischen Schrifttum finden sich
nur einzelne Fallberichte [2]
[3]
[4]. Demgegenüber existiert im deutschen Sprachraum - überwiegend im Bereich der Lymphologie
- eine größere Zahl von Publikationen sowie eine Monographie [5]. In den Lehrbüchern der Dermatologie wird das Lipödem als Entität dargestellt [6]
[7]
[8]
[9]. In manchen Büchern wird es aber entweder überhaupt nicht aufgeführt [10]
[11]
[12] oder falsch beschrieben [13]
[14]. Bei vielen Betroffenen wird daher erst nach einem jahrelangen Leidensweg die korrekte
Diagnose gestellt und eine wirksame Therapie eingeleitet.
Seit einiger Zeit wird von Betroffenen bzw. von Selbsthilfegruppen im Internet relativ
ausführlich über Symptome und Behandlungen informiert (www.lymphnetz.de, www.lipödem-liposuktion,
www.Bundesverband-Lymphselbsthilfe.de). Nach Einführung neuer operative Therapiemöglichkeiten
in den letzten Jahren wurde auch in wissenschaftlichen Zeitschriften wieder vermehrt
über diese Krankheit berichtet [15].
Definition
Definition
Das Lipödem ist charakterisiert durch eine chronisch progrediente, symmetrisch angeordnete
Vermehrung des Unterhautfettgewebes mit orthostatischer Ödembildung. Betroffen sind
überwiegend die unteren Extremitäten, teilweise in Kombination mit den Armen. Pathognomonisch
sind Berührungs-, Druck- und Spannungsschmerzen sowie eine Neigung zu Hämatomen nach
minimalen Traumen. Aus der Vielzahl der für das Lipödem benutzten Bezeichnungen sind
die wichtigsten in [Tab. 1] aufgeführt.
Tab. 1 Synonyme für das Lipödem
Lipalgie |
Adiposalgie |
Adipositas dolorosa |
Lipomatosis dolorosa der Beine |
Lipohypertrophia dolorosa |
schmerzhaftes Säulenbein |
schmerzhaftes Lipödemsyndrom |
Pathogenese
Pathogenese
Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Entscheidend sind sicher hormonelle Aspekte,
da sich die Erkrankung fast ausschließlich bei Frauen findet. Männer sind nur in Ausnahmefällen,
z. B. bei ausgeprägten hormonellen Störungen wie nach äthyltoxischer Leberzirrhose
oder nach Hormontherapie, betroffen. Unseres Wissens gibt es lediglich einen Fallbericht
über das Auftreten des Lipödems bei einem gesunden Mann [16].
Bezüglich des Krankheitsbeginns ergaben Untersuchungen an 119 Betroffenen aus den
1940er-Jahren eine weitgehend gleichmäßige Verteilung auf die einzelnen Lebensdekaden
[17]. Demgegenüber wird in der neueren Literatur betont, dass die Erkrankung meist zur
Zeit der Pubertät auftritt [18] oder sich nach Schwangerschaften manifestiert; bei 100 in den letzten Jahren ausgewerteten
Patientinnen lag das Maximum des Auftretens des Lipödems im 3. und 4. Lebensjahrzehnt
[19].
Neben hormonellen Einflüssen wird von einer genetischen Disposition ausgegangen, da
häufig mehrere weibliche Mitglieder einer Familie betroffen sind. Die diesbezüglich
aufgeführten Zahlen sind jedoch unterschiedlich und reichen von 16 bis 64 Prozent
der Fälle [1]
[17]
[20]. Ob die vereinzelt beschriebenen nervalen Einflüsse in Form einer Schädigung des
autonomen Nervensystems kausal von Bedeutung sind, ist unklar [21]. Dies gilt auch für Veränderungen der Mikrozirkulation [5]
[21]
[22], von denen nicht sicher gesagt werden kann, ob es sich um ätiopathogenetisch relevante
Veränderungen im Sinne einer so genannten Initialzündung oder um reine Sekundärphänomene
handelt. Ebenfalls unklar ist, inwieweit beim Lipödem die bei Adipositas von Fettzellen
freigesetzten Adipokine eine Rolle spielen [23]. Das Unterhautfettvolumen beim Lipödem ist - im Gegensatz zu dem beim Übergewicht
- nicht „abhungerungsfähig”; auch treten beim Lipödem nicht die typischen Folgeschäden
der Adipositas auf. Daher muss von anderen Rezeptoren und möglicherweise sogar von
unterschiedlichen Fettzellen ausgegangen werden. Eine gleichzeitige Adipositas findet
sich allerdings bei etwa 50 Prozent der Lipödempatientinnen [24].
Pathophysiologie
Pathophysiologie
Kausal liegen der Erkrankung mehrere Faktoren zugrunde. Optisch im Vordergrund steht
- insbesondere bei schlanken Patienten - die Dysproportion zwischen Oberkörper und
unterer Körperhälfte aufgrund der umschriebenen pathologischen Vermehrung des Unterhautfettgewebes.
Ob es sich hierbei um eine Hypertrophie der Fettzellen, eine Hyperplasie oder eine
Kombination von beidem handelt, ist immer noch unklar. Entscheidend ist ferner eine
erhöhte Kapillarpermeabilität; sie führt zu einer vermehrten Flüssigkeits- und Eiweißansammlung
im Interstitium und verursacht die orthostatischen Ödeme [22]
[25]. Deren Ausmaß - und nicht die absolute Fettmenge - ist für die Berührungs- und Druckempfindlichkeit
des Gewebes entscheidend [18]. Eine verstärkte Kapillarfragilität bedingt die oft auffallende Hämatomneigung.
Früher wurde vermutet, dass der zunehmende fett- bzw. ödembedingte Gewebedruck eine
mechanische Abflussbehinderung von Lymphkapillaren, Präkollektoren und Kollektoren
verursacht. Neuere Untersuchungen zeigten jedoch in frühen Stadien des Lipödems eine
unbeeinträchtigte Funktion des Lymphsystems mit sogar erhöhtem Abtransport des vermehrten
Flüssigkeitsvolumens. Bei den zunächst auftretenden passageren abendlichen Ödemen
im Ober- bzw. Unterschenkelbereich kann das intakte Lymphgefäßsystem das während des
Tages vermehrt anfallende Volumen nicht mehr komplett abtransportieren (dynamische
oder Hochvolumeninsuffizienz). Erst wenn die erhöhte lymphpflichtige Last jahre- bzw.
jahrzehntelang die vorhandene Transportkapazität überschreitet, erfolgt eine Dekompensation
[26]
[27] mit Erschöpfung der Funktionsreserven des Lymphgefäßsystems (mechanische oder Niedrigvolumeninsuffizienz).
Hierzu tragen besonders die Sekundärveränderungen an den Lymphkollektoren bei. Als
Folge der lang persistierenden Eiweißvermehrung im Interstitium entstehen abakterielle
Entzündungen mit konsekutiver Verhärtung des Gewebes, wie dies auch beim Phlebödem
in Form der Dermatoliposklerose bekannt ist. Die beim chronischen Lipödem sich entwickelnde
perilymphovaskuläre Fibrose mit Lymphangiosklerose führt zu einer Verminderung des
abtransportierten Volumens. In dieser späten Krankheitsphase besteht somit eine Kombination
von erhöhtem Lymphanfall und vermindertem Abtransport. Dadurch entwickelt sich ein
sekundäres Lymphödem in Form des Lipo-Lymphödems, was an einer Schwellung des Vorfußes
erkennbar ist. Das Lipödem per se ist also primär keine lymphologische Erkrankung.
Es wird immer wieder betont, dass sich das Lipödem im Laufe von Jahrzehnten aus einer
Lipohypertrophie (siehe unter Differenzialdiagnosen) entwickelt [28]; dem schmerzhaften Krankheitsbild des Lipödems würde somit ein schmerzloses Stadium
der Lipohypertrophie vorangehen. Einerseits wird jedoch immer wieder beobachtet, dass
sich auch Lipödeme schon ohne offensichtliche Vorstadien sehr früh in der Pubertät
entwickeln können; andererseits bestehen die meisten Lipohypertrophien bis zum Lebensende
ohne wesentliche Ödeme oder Schmerzen. Ob und wodurch das eine in das andere übergeht,
ist unklar. Offensichtlich müssen relevante Zusatzfaktoren wie Genetik, Hormone -
möglicherweise auch noch Zirkulationsstörungen und nervale Veränderungen - sowie das
Lebensalter hinzukommen, um die krankheitsentscheidende Erhöhung der Kapillarpermeabilität
und -fragilität und damit die charakteristische Symptomatik zu bewirken.
Pathologische Anatomie
Pathologische Anatomie
Die beim Lipödem histologisch nachweisbaren Veränderungen sind nicht pathognomonisch.
Neben vermehrten und teils wohl auch hypertrophen Fettzellen zeigt sich im Interstitium
ein hoher Gehalt kapillärer Blutgefäße; perivaskulär finden sich Makrophagen, Fibroblasten,
Mastzellen sowie einzelne Fettgewebsnekrosen. In den Spätphasen der Erkrankung nimmt
der fibrotische Anteil zu (22). Die histologischen Befunde sind dann weitgehend identisch
mit denen der Dermatoliposklerose. Es handelt sich somit um das Endprodukt einer unspezifischen
entzündlichen Gewebsreaktion, wie sie in vergleichbarer Weise z. B. bei der chronischen
Veneninsuffizienz (CVI) vorkommt.
Epidemiologie
Epidemiologie
Bezüglich der Häufigkeit existieren bislang keine exakten epidemiologischen Daten.
In der Literatur wird ein Befall von 11 % der weiblichen Bevölkerung in Deutschland
vermutet [21]. Beim ausgesuchten Kollektiv einer lymphologischen Fachklinik in den Jahren 1995/96
fand sich bei etwa 15 % der stationären Patienten ein Lipödem (29). Eigene Nachfragen
in vier deutschen Lymphkliniken im Jahre 2003 ergaben einen vergleichbaren Anteil
der Lipödeme in der Größenordnung von 8 bis 17 % [15].
Diagnostik
Diagnostik
Das Lipödem kann normalerweise anhand klinischer Kriterien eindeutig diagnostiziert
werden. Typisch sind Zeitpunkt des Auftretens, symmetrische Verteilung der Fettpolster,
Ödeme, Schmerzhaftigkeit bei Berührung und Druck sowie Hämatomneigung. Eine apparative
bzw. invasive Diagnostik ist in der Regel nicht nötig. Besteht ein Lipo-Lymphödem,
kann mittels bildgebender Verfahren (indirekte Lymphangiographie, Funktions-Lymphszintigraphie)
eine zusätzliche Quantifizierung morphologischer bzw. funktioneller Veränderungen
des Lymphsystems erfolgen.
Klinische Untersuchungsmethoden
Klinische Untersuchungsmethoden
Anamnese: Der Erkrankungsbeginn ist meist in der Pubertät, gelegentlich aber nach einer Schwangerschaft
oder erst nach der Menopause. Manchmal wird über eine gleichzeitig einsetzende starke
Gewichtszunahme berichtet; beim Stadium I des Lipödems liegt jedoch oft kein Übergewicht
vor. Die betroffenen Frauen klagen über ein spontan auftretendes Spannungs- bzw. Schwellungsgefühl
sowie über eine oft auffallende Berührungs- und Druckschmerzhaftigkeit an Ober- und
Unterschenkeln. Die Beschwerden verstärken sich meist im Laufe des Tages, insbesondere
nach langem Stehen oder Sitzen. Ihre Ausprägung ist unabhängig von der Größe der Fettvermehrung.
Zusätzlich werden meist abendliche Ödeme, vermehrt in der warmen Jahreszeit, angegeben.
Berichtet wird ferner über bereits nach leichtem Anstoßen auftretende Einblutungen;
Minitraumen, die bei Gesunden keinerlei Hautveränderungen bewirken, können an den
lipödematösen Extremitäten Hämatome verursachen. Die Symptome sind an den Armen normalerweise
geringer ausgeprägt als an den Beinen.
Die Betroffenen leiden ferner massiv unter Ihrem Aussehen; auf diese Problematik wurde
bereits in den ersten Publikationen hingewiesen [1]
[17]. Viele Frauen berichten aufgrund des im Laufe der Zeit - trotz Sport und Diäten
- zunehmenden Befundes über Frustrationen; diese führen dann häufig zu übermäßigem
Essen mit folgender Gewichtszunahme. So ist die oft zusätzlich bestehende Adipositas
nachvollziehbar. Sekundäre Lymphabflussstörungen in Form des Lipo-Lymphödems sind
bei Übergewichtigen eher und häufiger zu finden als bei Normalgewichtigen.
Inspektion: Die meisten Patientinnen weisen eine deutliche Diskrepanz zwischen schlankerem Oberkörper
und kräftiger unterer Körperhälfte auf. Bei ca. 97 % der betroffenen Frauen sind die
Beine - Oberschenkel mit Hüften, oft zusätzlich noch die Unterschenkel - betroffen;
bei ca. 30 % der Fälle findet sich ein Befund an den Oberarmen, evtl. auch an den
Unterarmen bis zum Handgelenk [29].
Die Erkrankung ist chronisch und meist progredient. Die [Abb. 2 a - e] zeigen unterschiedliche Schweregrade ([Tab. 2]) und Lokalisationen ([Tab. 3 a] u. b). Anfangs findet sich eine gleichmäßig kleinknotig verdickte Subkutanschicht, wobei
die Hautoberfläche makroskopisch glatt erscheint (Stadium I). Wenn die Knoten im Laufe
der Zeit an Größe zunehmen, entstehen Unebenheiten der Hautoberfläche, die wellig
wird oder einer Orangenschale ähneln kann (Stadium II). Dies wird in Laienkreisen
oft als „Cellulite” bezeichnet. Bei fortgeschrittenen Formen wird das Subkutangewebe
zunehmend indurierter; schließlich treten Lipom-ähnliche Knoten sowie lappige Fettwülste
im Knie- und Oberschenkelbereich auf, die zu einer Behinderung beim Gehen führen können
(Stadium III). Das betroffene Gewebe ist - meist in Abhängigkeit vom Ausmaß des Ödems
- druckempfindlich. Eine Einteilung des Lipödems nach dem Ausmaß der Beschwerden oder
Schmerzen existiert nicht. Funktionelle Veränderungen der Mikrozirkulation zeigen
sich klinisch u. a. darin, dass die Haut an umschriebenen Stellen kühl ist. Oft bestehen
Hämatome, ohne dass Traumen erinnerlich sind. In intertriginösen Bereichen subinguinal
oder zwischen den Oberschenkeln können nässende Erosionen vorhanden sein. Beim Lipödem
findet man keine Ödeme an Fußrücken oder Zehen. Wenn diese in späteren Verlaufsstadien
als Folge einer sekundären Lymphabflussstörung auftreten (Lipo-Lymphödem), sind die
Hautfalten an den Zehen verdickt und nicht abhebbar. Dieses so genannte Stemmersche
Zeichen ist pathognomonisch für eine Beteiligung des Lymphsystems.
Abb. 2 Klinische Bilder. a Lipödem Stadium I (Ganzbeintyp). b Lipödem Stadium II (Ganzbeintyp). c Lipödem Stadium III (Ganzbeintyp). d Lipödem Stadium III (Oberschenkeltyp). e Lipödem Stadium III (Unterschenkeltyp).
Palpation: Die umschriebene Fettvermehrung allein hinterlässt auf Druck keine Eindellungen;
diese findet man nur bei einem deutlichen Begleitödem. Im Stadium I hat das Unterhautgewebe
eine weiche Konsistenz und eine gleichmäßige oder auch feinknotige Struktur. Im Stadium
II tastet man subkutan grobknotige Veränderungen. Im Stadium III ist der Befund noch
ausgedehnter. An den Extremitäten kann die Volumenvermehrung abrupt oberhalb von Knöchel
oder Handgelenk in einem Fettkragen enden; an den Beinen hat man dies früher als „Suaven-”
oder „Türkenhosenphänomen” bezeichnet. Dabei finden sich umschriebene Fettvermehrungen,
welche gelegentlich die Kniegelenkregionen schürzenförmig überlappen können. Meist
bestehen deutliche Verhärtungen des Unterhautgewebes, besonders beim Lipo-Lymphödem;
als Ursache wird eine Fibrosklerose der interlobulären Septen angesehen [22].
Apparative bzw. bildgebende Untersuchungsmethoden
Apparative bzw. bildgebende Untersuchungsmethoden
Beim Lipödem können Lokalisation und Ausmaß der Fettvermehrung mittels Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) erfasst werden [30]
[31]. Auch mithilfe der Sonographie lassen sich quantitative und qualitative Aspekte des Fettgewebes erfassen. Während
sich die normale Subkutis eher echoarm darstellt, ist sie beim Lipödem homogen verbreitert
und weist zunächst eine gleichmäßig vermehrte Echogenität („Schneegestöber”) mit echoreichen
Bindegewebssepten auf [32]. In späteren Stadien erscheinen zusätzlich echoarme Areale, wahrscheinlich aufgrund
interstitieller Flüssigkeitsanreicherung. Bei der Kompressions-Sonographie ist der
erzeugte Druckschmerz umso stärker und das Unterhautfettgewebe umso schwerer komprimierbar,
je ausgeprägter das Ödem ist.
In der indirekten Lymphangiographie finden sich beim Lipödem geschlängelt verlaufende Lymphkollektoren und gefiederte
bzw. flammenartige Kontrastmitteldepots, wie sie in ähnlicher Form aber auch bei Lymphödem
und bei der Adipositas auftreten können [25]. Demgegenüber scheinen die mittels Fluoreszenz-Mikrolymphographie an betroffenen Extremitäten nachweisbaren sackförmigen oder fusiformen Mikroaneurysmen
der Lymphkapillaren pathognomonisch zu sein [33]; ob ihnen jedoch eine Bedeutung im Rahmen der Pathogenese zukommt, ist unklar. Beim
Lipo-Lymphödem können zusätzlich zu den oben aufgeführten Befunden - abhängig vom
Ausmaß der Störungen am Lymphsystem - erweiterte initiale Lymphgefäße sowie geschlängelte
Lymphkollektoren nachweisbar sein.
Zur Bestimmung einer evtl. vorhandenen Lymphabflussstörung kann die Funktions-Lymphszintigraphie eingesetzt werden. Dabei findet man beim reinen Lipödem oft keine oder nur geringe
Veränderungen des epifaszialen Lymphtransports [34]. Der bereits beschriebene hyperdyname Lymphtransport in den frühen Stadien zeigt
sich in Form von erhöhten Lymphknoten-Uptake-Werten [20]
[27]. Bei der nach Jahren auftretenden Überlastung des Lymphgefäßsystems mit Ausbildung
eines Lipo-Lymphödems lässt sich das Ausmaß der Lymphschädigung durch verlängerte
Transportzeiten und einen erniedrigten Uptake in den regionalen Lymphknoten erfassen.
Bedeutsam kann der Einsatz dieser Methode u. a. im Stadium I sein, um eine evtl. begleitende
- und klinisch noch nicht sichtbare - Schädigung des Lymphgefäßsystems frühzeitig
zu erkennen.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnosen
Die wichtigste Differenzialdiagnose des Lipödems ist die Lipohypertrophie. Hierbei besteht - ebenfalls bei Frauen - anlagemäßig bedingt eine dysproportionierte
Körperform aufgrund einer symmetrischen Unterhautfettvermehrung im Hüft- bzw. Beinbereich
bei schlankem Rumpf. Die Ausdrücke Reit(er)hosen bzw. Reithosenadipositas bezeichnen
die häufigste Formvariante; ein Befall der Arme ist selten. Während die morphologischen
Veränderungen somit völlig gleich sein können, finden sich im Gegensatz zum Lipödem
aber keine Ödeme. Daher weisen die Betroffenen auch keine Druck- oder Spannungsschmerzen
auf. Somit besteht also auch keine behandlungsbedürftige Erkrankung, sondern allenfalls
ein kosmetisches Problem. Es scheint aber Fälle zu geben, bei denen sich im Laufe
der Zeit aus einer Lipohypertrophie ein Lipödem entwickelt [28].
Auch beim primären Lymphödem tritt beim weiblichen Geschlecht - überwiegend in der Pubertät - eine ein- oder beidseitige
Schwellung der Beine auf; diese ist bei beidseitigem Befall immer asymmetrisch. Während
die Schwellung beim Lymphödem jedoch typischerweise an den Zehen beginnt und erst
später den Oberschenkel erreicht, tritt beim Lipödem die Umfangsvermehrung meist zuerst
- oder gleichzeitig - am Oberschenkel auf. Beim Lymphödem ist aufgrund des Fußbefalls
das Stemmersche Zeichen - im Gegensatz zum Lipödem - positiv. Druckschmerzhaftigkeit,
Spannungs- bzw. Schweregefühl des Gewebes oder Hämatomneigung bestehen nicht. Kombinationen
mit einem Lipödem (Lympho-Lipödem) können allerdings vorkommen.
Das Phlebödem ist ein Symptom der chronischen Veneninsuffizienz (CVI). Es kann bei beiden Geschlechtern
ein- oder beidseitig auftreten und geht typischerweise den kutanen und subkutanen
Veränderungen (Stauungsekzem, Hyperpigmentierung, Hypodermitis, Dermatoliposklerose,
Ulzeration) voraus. Funktionsuntersuchungen wie Ultraschall-Doppler, Licht-Reflexions-Rheographie
und Duplex-Sonographie weisen pathologische Befunde auf. Allerdings existieren auch
hier Mischformen (Phlebo-Lipödem).
Beim Morbus Dercum (Lipomatosis dolorosa) haben die Betroffenen - meist übergewichtige Frauen mittleren Alters - ausgesprochen
schmerzhafte, symmetrische Fettansammlungen an Rumpf oder Armen, aber vor allem an
den Beinen; die Füße sind ausgespart. Im Gegensatz zum Lipödem manifestiert sich die
Erkrankung aber häufig erst mit dem Beginn der Menopause. Es ist kein Ödem nachweisbar,
manchmal wird eine Muskelschwäche angegeben. Häufig bestehen zusätzlich Alkoholabusus
sowie psychische Veränderungen wie Reizbarkeit und Depressionen. Therapeutisch wurde
bezüglich der Schmerzsymptomatik über gute Erfahrungen mit Lidocaininfusionen berichtet
[35]. Unklar ist, ob der Morbus Dercum tatsächlich eine eigene Entität oder vielleicht
nur eine Sonderform eines spät aufgetretenen Lipödems ist.
Bei der benignen symmetrischen Lipomatose Launois-Bensaude (Madelung-Krankheit) finden sich diffuse, teigig-derbe Unterhautfettvermehrungen. Bezüglich der Lokalisation
unterscheidet man den Hals-Nacken-Typ (Typ I; Madelung-Fetthals, „Büffelhöcker”, lokalisierter
Typ), den Schultergürteltyp (Typ II; pseudoathletischer Typ), den Beckentyp (Typ III;
gynäkoider Typ) und den abdominellen Typ (Typ IV). Die Erkrankung betrifft Männer
häufiger als Frauen; anamnestisch läßt sich fast immer ein deutlich erhöhter Alkoholkonsum
nachweisen. Innere Erkrankungen wie Leberschaden, Polyneuropathie, Diabetes mellitus,
Hyperurikämie, Hyperlipidämie u. a. sind oft nachweisbar [36].
Oft wird das Lipödem mit der Adipositas verwechselt oder als Teilsymptom der Adipositas angesehen. Das Übergewicht entsteht
jedoch durch eine meist weiche Fettgewebsvermehrung (epi- und supfaszial) entweder
des Rumpfes (Stammfettsucht) oder des gesamten Körpers. Das Fettgewebe verursacht
dabei keine Schmerzen und die Proportionen zwischen Rumpf und Extremitäten können
normal sein. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Ätiopathogenetisch sind
offensichtlich genetische Faktoren (u. a. Leptin-Gen, Mutationen im Melanocortin-4-Rezeptor-Gen)
sowie vor allem eine falsche bzw. eine Überernährung entscheidend [37]. Die von hypertrophierten Fettzellen sezernierten Proteine (Adipokine) werden für
das Auftreten der charakteristischen Folgeerscheinungen in Form von Insulinresistenz,
Dyslipidämie und Hypertonus verantwortlich gemacht [23]. Bei der Therapie steht die Gewichtsreduktion durch verminderte Kalorienzufuhr oder
vermehrten Kalorienverbrauch (sportliche Betätigung) im Mittelpunkt. Operative Maßnahmen
wie z. B. „gastric banding” sind besonderen Fällen vorbehalten.
Verlauf
Verlauf
In der Mehrzahl der Fälle nehmen die Beschwerden mit zunehmendem Alter zu; der Verlauf
ist jedoch im Einzelfall nicht vorhersehbar. Eine Verschlimmerung kann einerseits
durch Vermehrung des umschriebenen Unterhautfettvolumens erfolgen; diese tritt manchmal
innerhalb kurzer Zeit unabhängig von bestehenden Ernährungsgewohnheiten auf. Andererseits
gibt es auch Fälle, wo sich primär die Ödemneigung verstärkt. Wenn die eiweißreichen
Ödeme lange Zeit unbehandelt bestehen, kann eine zunehmende Fibrosierung des Gewebes
mit Ausbildung eines Lipo-Lymphödems auftreten. Wie bereits erwähnt, scheint letzteres
bei adipösen Patienten schneller und öfter aufzutreten. Angaben über die Häufigkeit
von Lipo-Lymphödemen bei Patienten in lymphologischen Fachkliniken reichen von 4 bis
23 Prozent [15].
Therapie
Therapie
Aufgrund der Unkenntnis des Krankheitsbildes Lipödem wurden und werden zum Teil immer
noch unsinnige Therapieempfehlungen ausgesprochen. Diese beinhalten Diäten, Training
der betroffenen Körperregionen oder Medikamente. Insbesondere Diäten werden aufgrund
des starken Leidensdrucks von beinahe allen Patienten durchgeführt. Sie helfen allerdings
nur bei Adipositas und bewirken lediglich eine Umfangsreduktion am Stamm. Da die Lipödem-spezifischen
Fettvermehrungen aber nicht „abhungerungsfähig” sind, verstärkt sich die Diskrepanz
zwischen Rumpf und Extremitäten noch mehr. Auch der durch Sport erzeugte Kalorienverbrauch
führt nicht zu der gewünschten Fettreduktion an den betroffenen Stellen. Sowohl der
Einsatz von Abführmitteln zur möglichen Verminderung der Aufnahme von Nahrungsbestandteilen
als auch von Diuretika zur Linderung ödembedingter Beschwerden ist nicht indiziert.
Diuretika können allenfalls einmal kurzfristig, d. h. wenige Tage, adjuvant bei sehr
starker Schwellneigung eingesetzt werden. Eine länger dauernde Gabe führt über die
relative Erhöhung der Proteinkonzentration im Interstitium zu einer verstärkten Osmose
und verschlimmert somit den Befund.
Die moderne Therapie des Lipödems beruht auf zwei Säulen [38]. Die konservative Behandlung hat die Beseitigung der vermehrten interstitiellen
Flüssigkeitsansammlung, die operative Therapie die Reduzierung der erhöhten Unterhautfettmenge
zum Ziel. Durch die Kombination beider Verfahren lassen sich sehr gute Ergebnisse
erzielen [39]
[40]. Da diese Behandlungen jedoch keinen Einfluss auf die gesteigerte Kapillarpermeabilität
und somit auf die bestehende Ödemneigung haben, ist das Lipödem meist auf Dauer -
postoperativ allerdings in deutlich geringerem Maße - therapiebedürftig.
Konservative Therapie
Konservative Therapie
Sie wirkt über eine Verminderung des interstitiellen Flüssigkeitsvolumens. In ganz
frühen Krankheitsstadien kann bereits die Entstehung des orthostatischen Ödems durch
eine Kompression in Form von Strümpfen vermieden werden. Bei nicht mehr spontan reversiblem
Ödem wird die Kombinierte Physikalische Entstauungstherapie (KPE) eingesetzt.
Ihr wesentlicher Bestandteil, die manuelle Lymphdrainage (ML), bewirkt durch mit unterschiedlichem
Druck durchgeführte Massagen des epifaszial gelegenen Gewebes eine Steigerung der
Transportkapazität der oberflächlichen - und u. U. auch der tiefen - Lymphkollektoren.
Durch Schöpf-, Dreh- und Pumpgriffe wird Ödemflüssigkeit zentripetalwärts, das heißt
herzwärts verschoben. Die Behandlung wird zunächst ödemfern am Rumpf zur Erzielung
eines „Sog”-Effekts und erst anschließend an den ödematösen Arealen der Extremitäten
durchgeführt. Die danach angelegte Kompression mit Kurzzugbinden (Bandagierung) in
Kombination mit Krankengymnastik unterstützt die Entödematisierung und verhindert
die Reödematisierung.
Nach Abschluss der täglich durchgeführten Behandlung in der Ödemreduktionsphase werden
bevorzugt flach gestrickte Strumpfhosen bzw. Strümpfe der Kompressionsklasse II, manchmal
auch III, angepasst. In der folgenden Ödemerhaltungsphase ist die ML meist nur noch
ein- bis zweimal wöchentlich notwendig. Zu Hause kann ergänzend die apparative intermittierende
Kompression (AIK) in Form pneumatischer Mehrkammergeräte (optimal: 12 Kammern) eingesetzt
werden [18]
[41]. Zu dieser Methode gibt es aber auch kritische Stimmen [42]
[43]; eine regelmäßige Kontrolle der Therapieergebnisse sollte auf jeden Fall gewährleistet
sein. Für die Physikalische Ödemtherapie gelten dekompensierte Herzinsuffizienz, akute
bakterielle Entzündungen und frische Thrombosen als Kontraindikationen [44].
Mit den konservativen Maßnahmen lassen sich bei den Lipödempatienten pro Bein Umfangsverminderungen
von durchschnittlich 10 Prozent sowie Volumenabnahmen von bis zu 3 Litern erzielen
[45]. Dies bewirkt ein Nachlassen der Spannungs- und Druckschmerzen. Beim Aussetzen der
KPE kommt es zur Nachbildung der Ödeme. Beim Lipo-Lymphödem ist das Vorgehen vom Prinzip
her gleich. In ausgeprägten Fällen kann zu Behandlungsbeginn der Aufenthalt in einer
lymphologischen Fachklinik sinnvoll sein.
Operative Therapie
Operative Therapie
Die operative Behandlung des Lipödems hat sich erst in der letzten Zeit durchgesetzt.
Bis Anfang der 1990er-Jahre wurden beim Lipödem noch großflächige Lipektomien oder
Absaugungen in Vollnarkose mit dicken und vorne scharfen Absaugkanülen ohne vorherige
Auffüllung des Subkutangewebes mit Flüssigkeit („dry technique”) durchgeführt. Aufgrund
teilweise gefährlicher Blutungen sowie vereinzelt wohl ausgeprägter Lymphgefäßverletzungen
mit persistierenden Schwellungen postoperativ wurde dieses Vorgehen von lymphologischer
Seite zu Recht ablehnend beurteilt [5]
[21].
Durch die Entwicklung neuer Betäubungs- und Operationstechniken hat in den letzten
Jahren ein Wandel der Einstellung stattgefunden [18]
[28]
[38]. Die Risiken bzw. Nachteile einer Vollnarkose konnten durch Einführung der Tumeszenz-Lokalanästhesie
(TLA) beseitigt werden [46]. Hierbei werden mehrere Liter einer 0,04 %igen Betäubungslösung mit einem Gemisch
aus Lidocain und Prilocain in den Subkutanraum infiltriert („wet technique”); bei
der Absaugung wird dadurch ein dünnflüssiges Fett-Lösungs-Gemisch entfernt. Vorteile
dieser lokalen Betäubungsform sind die große Sicherheit für den Patienten, die Hydrodissektion
(Straffung des Gewebes mit Verminderung der Scherkräfte, Lösen der Fettgewebsläppchen
von den stabilisierten Bindegewebsfasern), die Hämostase (Vasokonstriktion durch den
erhöhten Gewebedruck und den Adrenalinanteil in der Lösung), die langfristige postoperative
Schmerzfreiheit (aufgrund der Lipophilie der Lokalanästhetika), die niedrige Infektionsrate
(durch die antibakterielle Wirkung und den Auswascheffekt der postoperativ noch aus
den Stichkanälen austretenden TLA-Lösung) sowie die fehlende Notwendigkeit zusätzlicher
Infusionen (vorteilhaft z. B. bei kompensierter Herzinsuffizienz).
Durch den Einsatz stumpfer Mikrokanülen von 2 bis 4 mm Durchmesser sowie durch die
Einführung der Vibrationsliposuktion lassen sich Verletzungen wichtiger Strukturen
vermeiden; so konnte eine ausgeprägte Verringerung der Gewebetraumatisierung erzielt
werden. Die mit hoher Frequenz (4000 Hz) vibrierenden Kanülen saugen nur noch das
locker zwischen dem Bindegewebsgerüst liegende Fett an und schonen umliegende Strukturen
wie Nerven und Gefäße weitgehend. Dies ergibt bessere kosmetische Ergebnisse sowie
- aufgrund der Verminderung der Scherwirkung - eine schnellere Heilung.
Die Liposuktion hat sich inzwischen zu einem Standardverfahren entwickelt, welches
- bei Durchführung unter den oben geschilderten Bedingungen - sehr wirksam und ausgesprochen
sicher ist [47]. Die in der Literatur geschilderten Komplikationen und z. T. auch Todesfälle waren
überwiegend Folge der fehlenden Beachtung international etablierter Richtlinien und
manchmal auch fehlender medizinischer Basiskenntnisse des Operateurs [48]
[49]. Da pro Eingriff möglichst nicht mehr als 4 Liter reines Fett entfernt werden sollte,
sind je nach Ausmaß des Befundes meist zwischen ein und vier Operationen im Abstand
von mehreren Monaten notwendig ([Abb. 3] u. [4]). Damit kann man einerseits das äußere Erscheinungsbild der Patientinnen optimieren
und wieder harmonische Körperproportionen herstellen; andererseits lassen sich - über
die Reduzierung der epifaszial gelegenen Fettvolumina - auch die Ödeme und damit die
Schmerzempfindlichkeit des Gewebes beseitigen oder zumindest deutlich reduzieren [16]
[40]
[50]. Da postoperativ meist kurzfristig eine vermehrte Schwellneigung auftritt, sollte
die physikalische Therapie bereits kurz nach dem Eingriff begonnen bzw. weitergeführt
werden.
Abb. 3 Lipödem prä- und postoperativ. a Lipödem Stadium II, 37-Jährige, 109 kg, Ausgangsbefund. b Zustand 7 Monate nach Entfernung von 4150 ml Fett aus den Oberschenkeln vorne und
1 Monat nach Entfernung von 1100 ml Fett aus den Oberschenkeln hinten.
Abb. 4 Dieselbe Patientin, 38-jährig, 97 kg. a Ausgangsbefund. b 4 Monate nach Entfernung von 1100 ml Fett aus den Oberarmen.
Die früher teilweise beschriebenen Lymphgefäßschädigungen durch die Liposuktion mit
nachfolgendem Auftreten von Lymphödemen ließen sich bei Einsatz der neuen Methoden
bisher weder experimentell noch klinisch beobachten. So konnten anatomische Untersuchungen
nach Absaugung in Längsrichtung der Extremitäten makroskopisch keine Schädigungen
epifaszialer Lymphgefäße nachweisen [51]
[52]. Bei immunhistologischen Untersuchungen im abgesaugten Aspirat zeigten sich zwar
Wandfragmente von Blutkapillaren, nicht jedoch von Lymphgefäßen [53].
In der Literatur berichtete klinische Nachbeobachtungen mit bisher noch geringen Zahlen
(19 Patientinnen) über einen Zeitraum von 8 Jahren zeigten weder eine vermehrte Schwellneigung
noch eine Progredienz der Erkrankung [50]. Bezüglich der eigenen Ergebnisse kann gesagt werden, dass derzeit die operative
Behandlung bei 71 Lipödempatientinnen abgeschlossen ist; insgesamt wurden dabei 175
Eingriffe (durchschnittlich 2,46 (Spannweite 1 - 7) pro Patient) durchgeführt. Bei
diesem Kollektiv kann ein Nachbeobachtungszeitraum von bis zu 4 1/2 Jahren (durchschnittlich:
13,2 Monate) überblickt werden.
Bezüglich des postoperativen Verlaufs gaben 25 Prozent der Patientinnen an, keine
weitere Kompression und auch keine Lymphdrainage mehr zu benötigen; 41 Prozent erklärten,
dass die Weiterführung der konservativen Therapie in deutlich verringertem Ausmaß
nötig war. 23 Prozent beschrieben - bei weitgehender Beibehaltung von Kompression
und Lymphdrainagen - eine deutliche Besserung der Lebensqualität; die konservative
Behandlung wurde postoperativ als wesentlich wirksamer beschrieben. 11 Prozent hatten
erst nach der Diagnosestellung bei uns von der Möglichkeit einer Lymphdrainage erfahren
bzw. deren Vorteile kennen gelernt. Die [Abb. 5 a - d] zeigen die Selbsteinschätzungen der operierten Patienten.
Abb. 5 Selbsteinschätzung der Befundbesserung bei 71 Patientinnen präoperativ und durchschnittlich
13,2 (Spannbreite 1 - 55) Monate postoperativ. a Druckschmerz. b Schwellung. c Hämatomneigung. d Bewegungseinschränkung.
Leider werden die Kosten für die Liposuktion bisher überwiegend nicht von den gesetzlichen
Krankenkassen übernommen.
Abschließende Bemerkung
Abschließende Bemerkung
Die Behandlung des Lipödems hat in den letzten 10 Jahren einen entscheidenden Wandel
erfahren. Durch die Kombination operativer und konservativer Maßnahmen können heute
optimale Ergebnisse erzielt werden. Die Fettabsaugung sollte frühzeitig durchgeführt
werden, um durch Verminderung der Zahl der betroffenen Fettzellen die Progredienz
des Krankheitsbildes zu bremsen. Damit allein ist die Erkrankung jedoch meist nicht
vollständig zu beseitigen. Entscheidend ist das Ausmaß der Ödemneigung.
Die Liposuktion kann zwar die Fettmenge vermindern bzw. normalisieren; sie hat jedoch
keinen Einfluss auf die bestehende Kapillardurchlässigkeit. Die von den Betroffenen
bemerkte Verminderung der Schwellneigung postoperativ ist wahrscheinlich Folge der
Verkleinerung des epifaszialen Raums. Nach der Absaugung kann - unabhängig vom Stadium
der Erkrankung - bei etwa einem Viertel der Fälle eine vollständige Beschwerdefreiheit
erzielt werden; bei den übrigen Patientinnen existiert aber immer noch eine gewisse
Ödemneigung. Daher muss die Basistherapie in Form der KPE - allerdings überwiegend
in deutlich verringerter Frequenz und mit geringerer Kompressionsstärke - weitergeführt
werden.
Entscheidend für den Dermatologen ist somit - nach richtiger Diagnosestellung - die
Weiterleitung der Patientinnen an ausgebildete Lymphtherapeuten sowie an Operateure,
die mit der Liposuktion bei diesem Krankheitsbild vertraut sind.
Tab. 2 Stadien beim Lipödem
Stadium I |
Subkutis verdickt und weich mit kleinen Knötchen, Haut glatt |
Stadium II |
Subkutis verdickt und weich mit größeren Knoten, Haut uneben |
Stadium III |
Subkutis verdickt und induriert, große Knoten, wammenartige, deformierende Fettlappen
an Innenseiten von Oberschenkeln und Knien |
Tab. 3 a Einteilung nach Lokalisationen
Typ 1 |
Hüften |
Typ 2 |
Hüften und Oberschenkel |
Typ 3 |
Hüften, Ober- und Unterschenkel |
Typ 4 |
Arme |
Typ 5 |
Unterschenkel |
Tab. 3 b Alternative Einteilung nach Lokalisationen
Oberschenkel-Typ |
Unterschenkel-Typ |
Waden-Typ |
Ganzbein-Typ |
Oberarm-Typ |
Unterarm-Typ |
Ganzarm-Typ |