Efeu (Hedera helix) gehört zu der sehr alten Pflanzenfamilie der Araliaceae, die vorwiegend in den tropischen
und subtropischen Wäldern des Südens zu Hause ist. In diese Familie gehören so berühmte
Pflanzen wie der Chinesische Ginseng, der seit Jahrtausenden als Heilmittel zur Steigerung
der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit geschätzt wird, wie auch die ähnlich
wirkende „Taigawurzel“. Ein weiterer Vertreter ist Tetrapanax papyriferum, aus dessen cellulosehaltigem Mark das so genannte „Reispapier“ und Verbandmaterial
hergestellt wird.
Efeu ist der einzige Vertreter dieser Familie in Europa und zudem die einzige kletternde
Gattung dieser Art. Er gilt als uralte Kult- und Mysterienpflanze, deren heilende
Kraft schon in der Antike bekannt war.
Die Pflanzengestalt
Efeu ist ein immergrünes, kletterndes oder am Boden kriechendes Holzgewächs, dessen
Triebe bis zu 50 m Länge erreichen. Er kann bis zu hundert Jahre alt werden und dabei
beachtliche Stammdurchmesser von mehr als 50 cm entwickeln. Die zumeist in Schlangenlinien
aufwärts strebenden Sprosse besitzen viele tausend Haftwurzeln. Diese sind lichtempfindlich
und wachsen nur in Richtung der stützenden Unterlage, also stets im Schatten der Sprosse.
Sie dienen nicht dem Nahrungsentzug aus der Unterlage, etwa einem Baum, sondern ausschließlich
dem Halt der Pflanze und lassen sich nicht ohne Substanzverlust von ihrer Kletterhilfe
ablösen. Bei Kontakt mit Humus können die Haftwurzeln auch zu Nährwurzeln auswachsen.
Efeu ist kein Schmarotzer, kann seinen Wirtsbaum aber durch Lichtkonkurrenz schädigen.
Neben den sprossbürtigen Haftwurzeln hat Efeu auch echte, nährende Erdwurzeln, die
sich oberflächlich im Boden verzweigen. Das Blattwerk ist sehr vielgestaltig (heterophyll).
In Bodennähe herrschen fünfeckige, gelappte Blätter vor, weiter oben sind sie eher
dreieckig. Charakteristisch ist ihre dunkelgrüne, lederige Oberfläche, die von einer
hellen Äderung durchzogen ist ([Abb. 1]). Die Blattunterseite ist zumeist heller graugrün. Auf dem Stamm der Efeupflanze
bildet sich mit den Jahren eine feste Borke, die häufig der der Wirtsbäume ähnelt.
Abb. 1 Blattwerk der Efeupflanze.
Das Biotop
Besonders in krautreichen Laubwäldern fühlt sich Efeu wohl auf lockeren, nährstoffreichen,
lehmhaltigen Böden, gern als Begleiter von Eichen und Buchen, an denen er emporklettert,
um aus dem Schatten des Waldes ans Licht zu gelangen. Efeu gedeiht besonders in milden
Lagen mit hoher Luftfeuchtigkeit. Auch Mauerwerk dient ihm als Stütze. Er klettert
zudem an Felsen empor und ist in den Alpen bis auf 1200 m anzutreffen. Auf dieser
Höhe kommt er jedoch nicht zur Blüte. Auch Efeupflanzen, die über schattigen Waldboden
kriechen und keine Klettermöglichkeiten finden, bleiben steril.
Fortpflanzung und Entwicklung
Efeu beginnt im Frühjahr Sprosse und Blätter zu treiben, blüht jedoch im Herbst, frühestens
ab August bis in den Dezember hinein. Zur Blüte gelangt der im Schatten wachsende
Efeu erst, wenn er bei seinem Emporstreben das Licht erreicht hat. Doch selbst Efeu,
der nicht beschattet wird, kommt in der Regel erstmals mit 8 - 10 Jahren zur Blüte.
Die sich zum Blühen anschickende Efeupflanze ändert sowohl ihre äußere Gestalt als
auch ihr Verhalten: Die Sprossenden bilden keine Haftwurzeln mehr aus, lösen sich
von der Unterlage, neigen sich dem Licht zu und ändern ihre Blattform. Die jetzt erscheinenden
Blätter sind ungelappt, oval bis eiförmig, manche herzförmig, von einem kräftigen,
glänzenden Grün. Sie wachsen nicht mehr wechselständig, sondern quirlig um die jetzt
vielverzweigten Triebe. Der Efeu wird buschig.
Die fünfzipfeligen Blüten sind unscheinbar grünlich-gelb. Der Honigduft der in halbkugeligen
Dolden stehenden Blüten lockt im blütenarmen Herbst an warmen Tagen unzählige Insekten
an. Nach blütenökologischen Gesichtspunkten gehört der Efeu zu den so genannten „Scheibenblumen“,
das heißt, in den flach ausgebreiteten Blüten sind Nektar und Pollen ohne Schwierigkeiten
für viele Insektenarten zugänglich. Der Nektar fließt so reichlich, dass man ihn in
manchen Blüten auskristallisiert findet. Neben den Bienen, für die die Efeublüten
eine wichtige Pollenquelle in dieser Jahreszeit sind, werden durch zusätzliche „Fäulnis-Düfte“
vor allem Schmeißfliegen angezogen. Diese gelten als wichtige Bestäuber des Efeus.
Die Reife der Efeufrüchte zieht sich bis in den Frühling hinein. Dabei durchlaufen
die Beeren eine breite Farbskala von grün über rötlich, violett und dunkelbraun bis
blauschwarz im ausgereiften Zustand ([Abb. 2]). Die Beeren sind dann etwa erbsengroß und enthalten in ihrem gefächerten Inneren
nierenförmige, dreikantige Samen. Bei der Verbreitung der Samen spielen Vögel eine
Rolle. Nach Aufnahme der im reifen Zustand süßen Beeren werden die Samen, von der
Fruchthülle befreit, mit dem Kot ausgeschieden. Keimfähig sind sie jedoch erst nach
den ersten Bodenfrösten des nächsten Winters. Beginnen wird der Keimling sein Wachstum
mit eben jener Blattform, die bei der Stammpflanze die bevorstehende Blütenentwicklung
ankündigte.
Abb. 2 Beeren der Efeupflanze in ausgereiftem Zustand.
Heilwirkungen des Efeus
Geschichte/Volksheilkunde
Efeu spielte schon in der Antike als Kult- und Mysterienpflanze eine Rolle. In Ägypten
war er dem Herrscher des Totenreiches, Osiris, geheiligt.
Neben dem Weinstock galt Efeu als heilige Pflanze des Zeus-Sohnes Dionysos (Bacchus),
dem Gott der Ekstase und der Fruchtbarkeit. Auf antiken Amphoren und Trinkschalen
findet man Dionysos und sein Gefolge, die als Mänaden bekannten ekstatischen Frauengestalten
und die Satyrn, vielfach mit Efeu bekränzt dargestellt. Die Art der Darstellung lässt
dabei durchaus an einen Zusammenhang zwischen den ekstatischen Zuständen der Götterwesen
und bekannten psychoaktiven Wirkungen des Efeus, etwa Halluzinationen, denken.
Der im ersten Jahrhundert n. Chr. praktizierende Arzt Dioskurides schreibt, dass der
Genuss des Saftes vom schwarzen Efeu Schlaffheit und - im Übermaß genossen - Erschütterung
des Verstandes bewirke. An anderer Stelle ist von „Anfällen von Irresein“ die Rede.
Auch Leonhart Fuchs (1501 - 1566) schreibt, dass Efeu „den Nerven etwas schädlich“
sei. Er empfiehlt verschiedenste Efeuzubereitungen, insbesondere zur Behandlung brandiger
und schwärender Wunden, die lokale Applikation bei stinkender Entzündung der Nase,
aber auch den innerlichen „steintreibenden“ Gebrauch. Der heute noch in der Volksheilkunde
bekannte Einsatz gegen Läuse und Krätze findet sich auch schon in Fuchs' „New Kreüterbuch“.
Im Vordergrund steht allerdings in der Volksheilkunde neuerer Zeit der Einsatz von
Efeublättertee und ‒tinkturen bei Katarrhen aller Art, insbesondere der Luftwege.
Inhaltsstoffe und Wirkspektrum
Arzneilich genutzt werden getrocknete Efeublätter, Hederae helicis folium, gesammelt
von Frühjahr bis Frühsommer aus dem unteren Bereich der Pflanze.
Wichtige Inhaltsstoffe sind Triterpensaponine mit bis zu 80 % Hederasaponin C (Hederacosid
C) als Hauptkomponente, Flavonylglykoside, unter anderem das als Venentonikum bekannte
Rutin, und Polyine, unter anderem Falcarinol. Außerdem findet man Sterole, Scopolin,
Kaffeesäurederivate und in geringen Mengen ätherische Öle.
Efeu gehört zu der sehr heterogenen Gruppe der Saponindrogen.
Vom Indikationsgebiet mit den Efeublättern vergleichbare und oft in Kombination verabreichte
Saponindrogen sind unter anderem Seifenkraut-, Primel- und Süßholzwurzel.
Die Wirkungsweise dieser Saponindrogen ist endgültig noch nicht geklärt. Wahrscheinlich
läuft diese bei oraler Aufnahme über die Reizung der vagalen Nervenendigungen im Bereich
des Magens (gastro-pulmonaler Reflex). Die Erregung des Nervus vagus führt reflektorisch
zur vermehrten Bildung von dünnflüssigen Sekreten im Bereich der Bronchialschleimhaut.
Außerdem wird diskutiert, dass die Saponine die Empfindlichkeit der Betarezeptoren
steigern sollen, wodurch die physiologische Wirkung der endogenen Neurotransmitter
in der Lunge verstärkt werden soll. Diese angenommene systemische Wirkung könnte erklären,
warum Efeu auch bei rektaler Anwendung per Suppositorien seine positiven Effekte auf
die Lunge entfaltet.
Das Flimmerepithel wird aktiviert und die Oberflächenspannung des Sputums herabgesetzt.
Letzteres wird bei Inhalation von Efeu-Extraktpräparaten durch Ultraschall-Vernebelungen
auch direkt erreicht. Neben sekreto- und mukolytischen sowie sekretomotorischen Eigenschaften
besitzen die Saponine des Efeus durch ihre Oberflächenaktivität auch antibakterielle
und antimykotische Qualitäten. Außerdem wirkt Efeu spasmolytisch, leicht sedativ und
antiphlogistisch. Letzteres lässt sich dadurch erklären, dass einige Saponine zu einer
Erhöhung der Sekretion von Nebennierenrinden-Hormonen führen und damit insgesamt das
Entzündungsgeschehen hemmen.
Phytotherapie
Die Monografie der Kommission E nennt als Indikationen für Efeu Katarrhe der Luftwege
und die symptomatische Behandlung chronisch-entzündlicher Bronchialerkrankungen. In
der Humanmedizin ist es insbesondere der Keuchhusten, bei dem Efeu durch seine Wirkungsqualitäten
Linderung bringt. Verschiedene Studien konnten die ausgezeichnete Verträglichkeit
bei sehr guter therapeutischer Wirksamkeit gerade bei Kindern belegen. Letztlich kann
jeder durch eine Dyskrinie der Bronchialschleimhäute ausgelöste Reizhusten durch Efeu
positiv beeinflusst werden. Angewendet werden Fertigpräparate in Form von Lösungen
(Tropfen - auch zur Inhalation, Saft) sowie Tabletten und Suppositorien. Wichtig ist
eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr während der Therapie. In der Veterinärmedizin
wird Efeu zurzeit bei Pferd und Hund erfolgreich eingesetzt.
Homöopathie
Zur Herstellung der homöopathischen Tinktur von Hedera helix werden die jungen Blattsprossen der im Herbst blühenden Pflanze verwendet, da diese
den höchsten Jodgehalt besitzen. Der Jodgehalt von Efeu wurde überhaupt erst durch
die 1932 von Mezger an Gesunden vorgenommene Arzneimittelprüfung (AMP) mit Efeu offenbar.
Erst die hierbei aufgetretenen Erscheinungen einer Hyperthyreose führten zur Untersuchung
der Pflanze auf Jod und dessen Nachweis in Höhe von 1,9 mg auf 100 g Tinktur.
Die AMP ergab neben der Symptomatik im Bereich der Schilddrüse (Spannungsgefühl, Vergrößerung
bestehender Struma, Angst, Herzklopfen, Exophthalmus) vor allem katarrhalische Erscheinungen
an allen Schleimhäuten (Nase, Augen, Rachen, Bronchien, Magen-Darm, Scheide) sowie
eine sich auf Magen und Gallenblase schmerzhaft auswirkende Reizung des Leber-Galle-Systems,
verbunden mit Appetitlosigkeit oder mit nervösem Hunger, bei dessen Befriedigung es
typischerweise zu prompter Besserung kam. Auffallende Modalitäten waren außerdem die
Besserung der Beschwerden an frischer Luft bei gleichzeitiger Empfindlichkeit gegen
Erkältung und eine Verschlimmerung der Beschwerden gegen Morgen sowie in Frühjahr
und Herbst. Neben dem bewährten Einsatz bei Erkrankungen der Schilddrüse und beim
Asthma bronchiale, insbesondere bei Kindern, sowie bei chronifizierten Gallenblasenentzündungen
und Gallensteinleiden kann Hedera helix unter anderem auch bei Muskel- und Gelenkrheumatismus sowie beim Altersherz mit anginoiden
Beschwerden und Arteriosklerose erfolgreich eingesetzt werden.
Nebenwirkungen und Toxizität
Saponindrogen wie Efeu werden eher kurzzeitig angewandt (2 - 3 Wochen), da es bei
Langzeitanwendung wie auch bei Überdosierung zu Magenbeschwerden durch Reizung der
Schleimhaut kommen kann.
Efeu wird in seiner Toxizität sehr unterschiedlich beurteilt. Dies mag mit starken
jahreszeitlichen Schwankungen der Inhaltsstoffe zusammenhängen. Die meisten Autoren
halten Efeu nur bei Aufnahme großer Mengen für giftig.
Es werden Vergiftungsbilder bei Kindern durch die Aufnahme von reifen Beeren beschrieben,
bei denen Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Halluzinationen, Somnolenz und Delirium
beobachtet wurden, Erscheinungen, die, wie bereits erwähnt, schon aus der Antike bekannt
sind.
Alle Teile des Efeus sind durch ihren Gehalt an Saponinen potenziell giftig. Allerdings
hat Efeu eine die Mundschleimhaut reizende Wirkung und einen bitteren Geschmack. Dies
verhindert insbesondere in Herbst und Winter, in der Zeit also, in der diese immergrüne
Pflanze für Pflanzenfresser wegen ansonsten geringen Angebotes an grünen Pflanzen
attraktiv sein könnte, gewöhnlich die Aufnahme gefährlicher Mengen. So kann man zwar
überall über die Gefährlichkeit von Efeu für Pferde lesen. Es findet sich jedoch kein
Fall einer dokumentierten Efeuvergiftung.
Saponine sind im Pflanzenreich als Fraßschutz weit verbreitet. Sie sind in etwa 70
% aller Samenpflanzen enthalten. Sie zeigen dosisabhängig Membranaktivität. So erklärt
sich auch ihre bakterizide und fungizide Wirkung. Bei sehr hohen Saponinkonzentrationen
zeigt sich die Membranaktivität in der Zerstörung der Erythrozyten-Zellmembran. Gelangen
größere Mengen von normalerweise nur schwer resorbierbaren Saponinen in die Blutbahn,
kommt es wegen Hämolyse und Zytolyse zu schweren systemischen Vergiftungserscheinungen.
Für Efeu sind solche Fälle nicht dokumentiert.
Die Berührung der Pflanze kann zu Hautreizungen, gelegentlich auch zu allergischen
Kontaktdermatitiden führen.
Fazit
Efeu hat sich bisher als Phytotherapeutikum nicht durchsetzen können. Allerdings wird
in den letzten Jahren zumindest im Bereich der Veterinärmedizin ein Umdenken bei der
Therapie der Atemwegserkrankungen erkennbar, die zu einer neuen Bewertung dieser Droge
führen könnte: Zähe Bronchialsekrete lösen quälenden Hustenreiz aus, sind Ursache
für Bronchialobstruktion und zudem guter Nährboden für Bakterien.
Die bisher grundsätzlich eingesetzte antibiotische Therapie hat ernst zu nehmende
Nachteile. In der Veterinärmedizin rücken die Gefahren der Antibiotika-Rückstände
beim Lebensmittel liefernden Tier und der Resistenzbildung gerade auch bei humanpathogenen
Erregern ins Bewusstsein. Breitband-Antibiotika, die das zumeist gramnegative Spektrum
der häufigsten Erreger von Bronchitiden abdecken, sind für den wachsenden Organismus,
der besonders von Affektionen der Atemwege betroffen wird, in der Regel toxisch. Um
im zähen Bronchialschleim ausreichende bakterizide und bakteriostatische Antibiotika-Wirkspiegel
zu erreichen, muss besonders hoch dosiert und lange therapiert werden, was auch unter
immunologischen Aspekten problematisch ist.
Die gute mukolytische, sekretomotorische und spasmolytische Wirkung des Efeus bei
hoher therapeutischer Sicherheit lässt deshalb gerade beim jungen Organismus den Einsatz
dieser Droge zur Unterstützung körpereigener Schutzmechanismen sinnvoll erscheinen.