Zeitschrift für Ganzheitliche Tiermedizin 2007; 21(04): 166-168
DOI: 10.1055/s-2007-965793
Pflanzenporträt
Sonntag Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Das persönliche Pflanzenporträt

Hedera helix
Cäcilia Brendieck-Worm
Further Information
Dr. med. vet. Cäcilia Brendieck-Worm
Talstr. 59
67700 Niederkirchen

Publication History

Publication Date:
07 November 2007 (online)

 

Efeu (Hedera helix) gehört zu der sehr alten Pflanzenfamilie der Araliaceae, die vorwiegend in den tropischen und subtropischen Wäldern des Südens zu Hause ist. In diese Familie gehören so berühmte Pflanzen wie der Chinesische Ginseng, der seit Jahrtausenden als Heilmittel zur Steigerung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit geschätzt wird, wie auch die ähnlich wirkende „Taigawurzel“. Ein weiterer Vertreter ist Tetrapanax papyriferum, aus dessen cellulosehaltigem Mark das so genannte „Reispapier“ und Verbandmaterial hergestellt wird.

Efeu ist der einzige Vertreter dieser Familie in Europa und zudem die einzige kletternde Gattung dieser Art. Er gilt als uralte Kult- und Mysterienpflanze, deren heilende Kraft schon in der Antike bekannt war.

Die Pflanzengestalt

Efeu ist ein immergrünes, kletterndes oder am Boden kriechendes Holzgewächs, dessen Triebe bis zu 50 m Länge erreichen. Er kann bis zu hundert Jahre alt werden und dabei beachtliche Stammdurchmesser von mehr als 50 cm entwickeln. Die zumeist in Schlangenlinien aufwärts strebenden Sprosse besitzen viele tausend Haftwurzeln. Diese sind lichtempfindlich und wachsen nur in Richtung der stützenden Unterlage, also stets im Schatten der Sprosse. Sie dienen nicht dem Nahrungsentzug aus der Unterlage, etwa einem Baum, sondern ausschließlich dem Halt der Pflanze und lassen sich nicht ohne Substanzverlust von ihrer Kletterhilfe ablösen. Bei Kontakt mit Humus können die Haftwurzeln auch zu Nährwurzeln auswachsen. Efeu ist kein Schmarotzer, kann seinen Wirtsbaum aber durch Lichtkonkurrenz schädigen. Neben den sprossbürtigen Haftwurzeln hat Efeu auch echte, nährende Erdwurzeln, die sich oberflächlich im Boden verzweigen. Das Blattwerk ist sehr vielgestaltig (heterophyll). In Bodennähe herrschen fünfeckige, gelappte Blätter vor, weiter oben sind sie eher dreieckig. Charakteristisch ist ihre dunkelgrüne, lederige Oberfläche, die von einer hellen Äderung durchzogen ist ([Abb. 1]). Die Blattunterseite ist zumeist heller graugrün. Auf dem Stamm der Efeupflanze bildet sich mit den Jahren eine feste Borke, die häufig der der Wirtsbäume ähnelt.

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Abb. 1 Blattwerk der Efeupflanze.

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Das Biotop

Besonders in krautreichen Laubwäldern fühlt sich Efeu wohl auf lockeren, nährstoffreichen, lehmhaltigen Böden, gern als Begleiter von Eichen und Buchen, an denen er emporklettert, um aus dem Schatten des Waldes ans Licht zu gelangen. Efeu gedeiht besonders in milden Lagen mit hoher Luftfeuchtigkeit. Auch Mauerwerk dient ihm als Stütze. Er klettert zudem an Felsen empor und ist in den Alpen bis auf 1200 m anzutreffen. Auf dieser Höhe kommt er jedoch nicht zur Blüte. Auch Efeupflanzen, die über schattigen Waldboden kriechen und keine Klettermöglichkeiten finden, bleiben steril.


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Fortpflanzung und Entwicklung

Efeu beginnt im Frühjahr Sprosse und Blätter zu treiben, blüht jedoch im Herbst, frühestens ab August bis in den Dezember hinein. Zur Blüte gelangt der im Schatten wachsende Efeu erst, wenn er bei seinem Emporstreben das Licht erreicht hat. Doch selbst Efeu, der nicht beschattet wird, kommt in der Regel erstmals mit 8 - 10 Jahren zur Blüte.

Die sich zum Blühen anschickende Efeupflanze ändert sowohl ihre äußere Gestalt als auch ihr Verhalten: Die Sprossenden bilden keine Haftwurzeln mehr aus, lösen sich von der Unterlage, neigen sich dem Licht zu und ändern ihre Blattform. Die jetzt erscheinenden Blätter sind ungelappt, oval bis eiförmig, manche herzförmig, von einem kräftigen, glänzenden Grün. Sie wachsen nicht mehr wechselständig, sondern quirlig um die jetzt vielverzweigten Triebe. Der Efeu wird buschig.

Die fünfzipfeligen Blüten sind unscheinbar grünlich-gelb. Der Honigduft der in halbkugeligen Dolden stehenden Blüten lockt im blütenarmen Herbst an warmen Tagen unzählige Insekten an. Nach blütenökologischen Gesichtspunkten gehört der Efeu zu den so genannten „Scheibenblumen“, das heißt, in den flach ausgebreiteten Blüten sind Nektar und Pollen ohne Schwierigkeiten für viele Insektenarten zugänglich. Der Nektar fließt so reichlich, dass man ihn in manchen Blüten auskristallisiert findet. Neben den Bienen, für die die Efeublüten eine wichtige Pollenquelle in dieser Jahreszeit sind, werden durch zusätzliche „Fäulnis-Düfte“ vor allem Schmeißfliegen angezogen. Diese gelten als wichtige Bestäuber des Efeus. Die Reife der Efeufrüchte zieht sich bis in den Frühling hinein. Dabei durchlaufen die Beeren eine breite Farbskala von grün über rötlich, violett und dunkelbraun bis blauschwarz im ausgereiften Zustand ([Abb. 2]). Die Beeren sind dann etwa erbsengroß und enthalten in ihrem gefächerten Inneren nierenförmige, dreikantige Samen. Bei der Verbreitung der Samen spielen Vögel eine Rolle. Nach Aufnahme der im reifen Zustand süßen Beeren werden die Samen, von der Fruchthülle befreit, mit dem Kot ausgeschieden. Keimfähig sind sie jedoch erst nach den ersten Bodenfrösten des nächsten Winters. Beginnen wird der Keimling sein Wachstum mit eben jener Blattform, die bei der Stammpflanze die bevorstehende Blütenentwicklung ankündigte.

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Abb. 2 Beeren der Efeupflanze in ausgereiftem Zustand.

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Heilwirkungen des Efeus

Geschichte/Volksheilkunde

Efeu spielte schon in der Antike als Kult- und Mysterienpflanze eine Rolle. In Ägypten war er dem Herrscher des Totenreiches, Osiris, geheiligt.

Neben dem Weinstock galt Efeu als heilige Pflanze des Zeus-Sohnes Dionysos (Bacchus), dem Gott der Ekstase und der Fruchtbarkeit. Auf antiken Amphoren und Trinkschalen findet man Dionysos und sein Gefolge, die als Mänaden bekannten ekstatischen Frauengestalten und die Satyrn, vielfach mit Efeu bekränzt dargestellt. Die Art der Darstellung lässt dabei durchaus an einen Zusammenhang zwischen den ekstatischen Zuständen der Götterwesen und bekannten psychoaktiven Wirkungen des Efeus, etwa Halluzinationen, denken.

Der im ersten Jahrhundert n. Chr. praktizierende Arzt Dioskurides schreibt, dass der Genuss des Saftes vom schwarzen Efeu Schlaffheit und - im Übermaß genossen - Erschütterung des Verstandes bewirke. An anderer Stelle ist von „Anfällen von Irresein“ die Rede. Auch Leonhart Fuchs (1501 - 1566) schreibt, dass Efeu „den Nerven etwas schädlich“ sei. Er empfiehlt verschiedenste Efeuzubereitungen, insbesondere zur Behandlung brandiger und schwärender Wunden, die lokale Applikation bei stinkender Entzündung der Nase, aber auch den innerlichen „steintreibenden“ Gebrauch. Der heute noch in der Volksheilkunde bekannte Einsatz gegen Läuse und Krätze findet sich auch schon in Fuchs' „New Kreüterbuch“. Im Vordergrund steht allerdings in der Volksheilkunde neuerer Zeit der Einsatz von Efeublättertee und ‒tinkturen bei Katarrhen aller Art, insbesondere der Luftwege.


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Inhaltsstoffe und Wirkspektrum

Arzneilich genutzt werden getrocknete Efeublätter, Hederae helicis folium, gesammelt von Frühjahr bis Frühsommer aus dem unteren Bereich der Pflanze.

Wichtige Inhaltsstoffe sind Triterpensaponine mit bis zu 80 % Hederasaponin C (Hederacosid C) als Hauptkomponente, Flavonylglykoside, unter anderem das als Venentonikum bekannte Rutin, und Polyine, unter anderem Falcarinol. Außerdem findet man Sterole, Scopolin, Kaffeesäurederivate und in geringen Mengen ätherische Öle.

Efeu gehört zu der sehr heterogenen Gruppe der Saponindrogen.

Vom Indikationsgebiet mit den Efeublättern vergleichbare und oft in Kombination verabreichte Saponindrogen sind unter anderem Seifenkraut-, Primel- und Süßholzwurzel.

Die Wirkungsweise dieser Saponindrogen ist endgültig noch nicht geklärt. Wahrscheinlich läuft diese bei oraler Aufnahme über die Reizung der vagalen Nervenendigungen im Bereich des Magens (gastro-pulmonaler Reflex). Die Erregung des Nervus vagus führt reflektorisch zur vermehrten Bildung von dünnflüssigen Sekreten im Bereich der Bronchialschleimhaut. Außerdem wird diskutiert, dass die Saponine die Empfindlichkeit der Betarezeptoren steigern sollen, wodurch die physiologische Wirkung der endogenen Neurotransmitter in der Lunge verstärkt werden soll. Diese angenommene systemische Wirkung könnte erklären, warum Efeu auch bei rektaler Anwendung per Suppositorien seine positiven Effekte auf die Lunge entfaltet.

Das Flimmerepithel wird aktiviert und die Oberflächenspannung des Sputums herabgesetzt. Letzteres wird bei Inhalation von Efeu-Extraktpräparaten durch Ultraschall-Vernebelungen auch direkt erreicht. Neben sekreto- und mukolytischen sowie sekretomotorischen Eigenschaften besitzen die Saponine des Efeus durch ihre Oberflächenaktivität auch antibakterielle und antimykotische Qualitäten. Außerdem wirkt Efeu spasmolytisch, leicht sedativ und antiphlogistisch. Letzteres lässt sich dadurch erklären, dass einige Saponine zu einer Erhöhung der Sekretion von Nebennierenrinden-Hormonen führen und damit insgesamt das Entzündungsgeschehen hemmen.


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Phytotherapie

Die Monografie der Kommission E nennt als Indikationen für Efeu Katarrhe der Luftwege und die symptomatische Behandlung chronisch-entzündlicher Bronchialerkrankungen. In der Humanmedizin ist es insbesondere der Keuchhusten, bei dem Efeu durch seine Wirkungsqualitäten Linderung bringt. Verschiedene Studien konnten die ausgezeichnete Verträglichkeit bei sehr guter therapeutischer Wirksamkeit gerade bei Kindern belegen. Letztlich kann jeder durch eine Dyskrinie der Bronchialschleimhäute ausgelöste Reizhusten durch Efeu positiv beeinflusst werden. Angewendet werden Fertigpräparate in Form von Lösungen (Tropfen - auch zur Inhalation, Saft) sowie Tabletten und Suppositorien. Wichtig ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr während der Therapie. In der Veterinärmedizin wird Efeu zurzeit bei Pferd und Hund erfolgreich eingesetzt.


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Homöopathie

Zur Herstellung der homöopathischen Tinktur von Hedera helix werden die jungen Blattsprossen der im Herbst blühenden Pflanze verwendet, da diese den höchsten Jodgehalt besitzen. Der Jodgehalt von Efeu wurde überhaupt erst durch die 1932 von Mezger an Gesunden vorgenommene Arzneimittelprüfung (AMP) mit Efeu offenbar. Erst die hierbei aufgetretenen Erscheinungen einer Hyperthyreose führten zur Untersuchung der Pflanze auf Jod und dessen Nachweis in Höhe von 1,9 mg auf 100 g Tinktur.

Die AMP ergab neben der Symptomatik im Bereich der Schilddrüse (Spannungsgefühl, Vergrößerung bestehender Struma, Angst, Herzklopfen, Exophthalmus) vor allem katarrhalische Erscheinungen an allen Schleimhäuten (Nase, Augen, Rachen, Bronchien, Magen-Darm, Scheide) sowie eine sich auf Magen und Gallenblase schmerzhaft auswirkende Reizung des Leber-Galle-Systems, verbunden mit Appetitlosigkeit oder mit nervösem Hunger, bei dessen Befriedigung es typischerweise zu prompter Besserung kam. Auffallende Modalitäten waren außerdem die Besserung der Beschwerden an frischer Luft bei gleichzeitiger Empfindlichkeit gegen Erkältung und eine Verschlimmerung der Beschwerden gegen Morgen sowie in Frühjahr und Herbst. Neben dem bewährten Einsatz bei Erkrankungen der Schilddrüse und beim Asthma bronchiale, insbesondere bei Kindern, sowie bei chronifizierten Gallenblasenentzündungen und Gallensteinleiden kann Hedera helix unter anderem auch bei Muskel- und Gelenkrheumatismus sowie beim Altersherz mit anginoiden Beschwerden und Arteriosklerose erfolgreich eingesetzt werden.


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Nebenwirkungen und Toxizität

Saponindrogen wie Efeu werden eher kurzzeitig angewandt (2 - 3 Wochen), da es bei Langzeitanwendung wie auch bei Überdosierung zu Magenbeschwerden durch Reizung der Schleimhaut kommen kann.

Efeu wird in seiner Toxizität sehr unterschiedlich beurteilt. Dies mag mit starken jahreszeitlichen Schwankungen der Inhaltsstoffe zusammenhängen. Die meisten Autoren halten Efeu nur bei Aufnahme großer Mengen für giftig.

Es werden Vergiftungsbilder bei Kindern durch die Aufnahme von reifen Beeren beschrieben, bei denen Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Halluzinationen, Somnolenz und Delirium beobachtet wurden, Erscheinungen, die, wie bereits erwähnt, schon aus der Antike bekannt sind.

Alle Teile des Efeus sind durch ihren Gehalt an Saponinen potenziell giftig. Allerdings hat Efeu eine die Mundschleimhaut reizende Wirkung und einen bitteren Geschmack. Dies verhindert insbesondere in Herbst und Winter, in der Zeit also, in der diese immergrüne Pflanze für Pflanzenfresser wegen ansonsten geringen Angebotes an grünen Pflanzen attraktiv sein könnte, gewöhnlich die Aufnahme gefährlicher Mengen. So kann man zwar überall über die Gefährlichkeit von Efeu für Pferde lesen. Es findet sich jedoch kein Fall einer dokumentierten Efeuvergiftung.

Saponine sind im Pflanzenreich als Fraßschutz weit verbreitet. Sie sind in etwa 70 % aller Samenpflanzen enthalten. Sie zeigen dosisabhängig Membranaktivität. So erklärt sich auch ihre bakterizide und fungizide Wirkung. Bei sehr hohen Saponinkonzentrationen zeigt sich die Membranaktivität in der Zerstörung der Erythrozyten-Zellmembran. Gelangen größere Mengen von normalerweise nur schwer resorbierbaren Saponinen in die Blutbahn, kommt es wegen Hämolyse und Zytolyse zu schweren systemischen Vergiftungserscheinungen. Für Efeu sind solche Fälle nicht dokumentiert.

Die Berührung der Pflanze kann zu Hautreizungen, gelegentlich auch zu allergischen Kontaktdermatitiden führen.


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Fazit

Efeu hat sich bisher als Phytotherapeutikum nicht durchsetzen können. Allerdings wird in den letzten Jahren zumindest im Bereich der Veterinärmedizin ein Umdenken bei der Therapie der Atemwegserkrankungen erkennbar, die zu einer neuen Bewertung dieser Droge führen könnte: Zähe Bronchialsekrete lösen quälenden Hustenreiz aus, sind Ursache für Bronchialobstruktion und zudem guter Nährboden für Bakterien.

Die bisher grundsätzlich eingesetzte antibiotische Therapie hat ernst zu nehmende Nachteile. In der Veterinärmedizin rücken die Gefahren der Antibiotika-Rückstände beim Lebensmittel liefernden Tier und der Resistenzbildung gerade auch bei humanpathogenen Erregern ins Bewusstsein. Breitband-Antibiotika, die das zumeist gramnegative Spektrum der häufigsten Erreger von Bronchitiden abdecken, sind für den wachsenden Organismus, der besonders von Affektionen der Atemwege betroffen wird, in der Regel toxisch. Um im zähen Bronchialschleim ausreichende bakterizide und bakteriostatische Antibiotika-Wirkspiegel zu erreichen, muss besonders hoch dosiert und lange therapiert werden, was auch unter immunologischen Aspekten problematisch ist.

Die gute mukolytische, sekretomotorische und spasmolytische Wirkung des Efeus bei hoher therapeutischer Sicherheit lässt deshalb gerade beim jungen Organismus den Einsatz dieser Droge zur Unterstützung körpereigener Schutzmechanismen sinnvoll erscheinen.


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Literatur

Literatur bei der Autorin.


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Dr. med. vet. Cäcilia Brendieck-Worm
Talstr. 59
67700 Niederkirchen

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Abb. 1 Blattwerk der Efeupflanze.
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Abb. 2 Beeren der Efeupflanze in ausgereiftem Zustand.