Balint Journal 2007; 8(1): 31
DOI: 10.1055/s-2007-960654
Leserbrief

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Leserbrief

Petzold: „Wir und der Tod”
Leserbrief zu Balint 2006; 7: 2-12
J. Döser
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Publication Date:
30 March 2007 (online)

Schrecken gewiss nicht!
Aber Denkanstoß schon, das hält wach!

Eine beherzte Ermutigung und Aufruf zur Pflicht, „die Welt neu zu erfinden …”, auch eine Parenthese zu Aachen: jetzt verstehe ich den engagierten, raumöffnenden Aufsatz „Wir und der Tod”, der soviel über den Trost und das Zeithaben nachdenkt, noch besser: Ich habe ihn mehrfach gelesen und immer neue Aspekte entdeckt, wahrscheinlich, weil er von der Vielschichtigkeit des empfundenen Empfindens ausgeht … Lange vor Freud gab mir übrigens Victor Frankl den ersten überzeugenden Anstoss zur Psychosomatik, sein Buch über „ärztliche Seelsorge”. Ich fand es sehr interessant, dass Petzold den Sinnbegriff nicht vom Schöpferischen her (Zeugung, Geburt, Beginnen, Entwickeln, Entfalten ”), sondern vom Ende her aufschlüsselt. Trotzdem fällt dabei das „Verhandeln” nirgends dem depressiven Niederschlag zum Opfer. Mir scheint auch, dass jener Satz des alten Bruders („Bert, bitte nicht so schnell! Wenn es ans Sterben geht, dann kann man nicht so schnell.” S. 9), der ja voller Humor ist, fürs pralle Leben genau so zu gelten, vielleicht sogar erst recht: auch wenn es ans Leben geht, braucht man ein wenig Zeit. Da stehe ich der „strikt zeitbegrenzten” tfP und ihren Manualen ebenfalls eher skeptisch gegenüber (die könnte im schlechten Fall auch fordern: „Bert, schlaf schneller, wir brauchen die Kissen, das Bett ist zu teuer.”). Dass sich der Neubeginn aus frühen Erfahrungen speist, war mir intuitiv schon klar, wird mir aber durch Ihre Arbeit bewusster. In einer Arbeit (s. Anhang) über Glauben und Erfahrungsdenken habe ich behauptet, dass die Religion, die die Psychoanalyse zur Tür rauswirft, in der Übertragung durch die Kellertür wieder reinkommt.

Ich habe in den Anhang noch ein paar neuere Arbeiten von mir zum Thema „Wir und der Tod” beigefügt - sehe aber, dass sie eher aus einer kritisch-historischen Sicht verschiedenen Situationen des Mordens beleuchten (11. September, Hiroshima, Stalinismus, Auschwitz - immer in Bezug zur Psychoanalyse).

J. Döser

Literatur

  • 1 Döser J. „Truman war ein anständiger Mann” - Psychoanalytische Reflektion zu einem Verbrechen „im Dienste der Menschlichkeit”. In: Bender T, Auchter T (Hrsg). Destruktiver Wahn zwischen Psychiatrie und Politik. Forensische, psychoanalytische und sozialpsychologische Untersuchungen. Gießen, Psychosozial-Verlag 2004
  • 2 Döser J. Zur Psychogenese der terroristischen Entschlossenheit. In: Bender T, Auchter T (Hrsg). In: Auchter T, Büttner C, Schultz-Venrath U, Wirth HJ (Hrsg). Der 11. September. Psychoanalytische, psychosoziale und psychohistorische Analysen von Terror und Trauma. Gießen, Psychosozial-Verlag 2003

J. Döser

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45239 Essen

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