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DOI: 10.1055/s-2007-1022668
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Zahl der Cholerainfektionen 2006 dramatisch gestiegen - Fremde Toiletten statt fremder Kulturen?
Publication History
Publication Date:
18 January 2008 (online)
Fernreisen werden immer beliebter, doch mit dem Abenteuer ist auch die Gefahr im Gepäck, unliebsame Bekanntschaften mit Bakterien und Viren zu machen. Das gilt speziell für Infektionskrankheiten wie etwa Cholera, die in den Industrieländern durch hohe Hygienestandards der Vergangenheit angehört.
#Cholera bleibt eine globale Bedrohung
Weit verbreitet ist Cholera noch immer in vielen beliebten Reisezielen in Afrika, Asien sowie Süd- und Mittelamerika. Einem aktuellen WHO-Bericht zufolge liegen die Zahlen der Cholerainfektionen für 2006 in Kenia (870 gemeldete Cholerainfektionen, davon 11 mit tödlichem Verlauf) oder Indien (1939 Infektionen) noch immer hoch [1]. Insgesamt wurden 236896 Fälle aus 52 Ländern im Jahr 2006 an die WHO gemeldet, davon verliefen 6 311 Infektionen tödlich. Fast alle Todesfälle traten in afrikanischen Ländern auf [1].
Allerdings nimmt die WHO an, dass die Dunkelziffer an Cholerainfektionen weitaus höher liegt, da viele Länder keine genauen Angaben zu den Infektionszahlen machen und es an standardisiertem Vokabular fehlt. Zusätzlich stoßen in vielen betroffenen Ländern die Kontrollsysteme an ihre Grenzen. So gab es beispielsweise aus Zentralasien sowie Mittel- und Südamerika keine Angaben zu Infektionszahlen mit Cholera.
Bei Cholera handelt es sich um eine Infektionskrankheit, die durch Vibrio-cholerae-Bakterien ausgelöst wird. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel zwei bis drei Tage, in Einzelfällen kann die Krankheit aber auch wenige Stunden nach Kontakt mit dem Erreger oder erst nach bis zu fünf Tagen ausbrechen. Es handelt sich dabei um eine schwere bis lebensbedrohliche Durchfallerkrankung mit reiswasserartigen Durchfällen, die auch mit Erbrechen einhergehen kann.
Der hohe Elektrolytverlust führt zu Dehydrierung bei den Betroffenen, die ohne adäquate Behandlung in deren Folge versterben. Obwohl nach Angaben der WHO die Zahl der gemeldeten Cholera-Fälle im Jahr 2006 dramatisch gestiegen ist, nimmt die Choleraschutzimpfung in der Reisemedizin einen eher geringen Stellenwert ein. Grund hierfür ist die Annahme, der "durchschnittliche" Tourist komme üblicherweise nicht mit verunreinigtem Abwasser oder mit bakteriell verseuchtem Essen in Kontakt.
#Choleraimpfstoff auch bei Durchfallerreger wirksam
Seit 2004 steht ein gut verträglicher oraler Impfstoff (Dukoral®) zur aktiven Immunisierung gegen Cholera zur Verfügung. In Schweden und der Schweiz ist der Impfstoff zusätzlich auch als Prophylaxe gegen den häufigsten Erreger des Reisedurchfalls, die enterotoxischen Escherischia-coli-Bakterien (ETEC), zugelassen.
Laut der Zentrale für gesundheitliche Aufklärung erleidet jeder dritte Reisende in tropische oder subtropische Gebiete Reisedurchfall, der zum Teil starke Beeinträchtigungen der Patienten mit sich bringt und bei Risikogruppen wie beispielsweise Kindern und älteren Menschen schnell zu lebensgefährlichen Dehydrierungen führen kann. Besonders betroffen von ETEC-Bakterien sind einerseits Abenteuer-, Rucksack- und Trekkingtouristen in tropischen und subtropischen Gebieten, da die Übertragung durch verunreinigtes Wasser und fehlende Hygiene in der Nahrungsmittelzubereitung erfolgt, zum Beispiel durch Kontakt mit fäkal verunreinigtem Wasser. Andererseits sind auch ältere Reisende in Risikodestinationen wie zum Beispiel Indien oder auch Ägypten betroffen, insbesondere wenn die Magensäurebarriere reduziert oder aufgehoben ist. Dies ist besonders bei Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren der Fall.
Zur Vorbeugung gegen Cholera und Reisedurchfall wird häufig die strikte Einhaltung von speziellen Hygienemaßnahmen empfohlen, die allerdings in vielen Fällen auf der Reise nur schwer durchzuführen sind. Der seit drei Jahren in Deutschland verfügbare Schluckimpfstoff bietet Reisenden einen hochwirksamen und gut verträglichen Schutz gegen Vibrio-cholerae-Bakterien. Da der ETEC-Erreger in der Aminosäuresequenz, der Struktur und der Funktion starke Ähnlichkeiten mit dem Cholera-erreger aufweist, kann der behandelnde Arzt aufgrund seiner Therapiefreiheit individuell mit seinem Patienten entscheiden, ob der orale Choleraimpfstoff auch bei bestehender Gefahr des Reisedurchfalls prophylaktisch eingesetzt werden soll.
Damit steht der Reisemedizin ein wirksames und gut verträgliches Mittel für eine breite Zielgruppe zur Verfügung. Schließlich möchte man im Urlaub Kultur, Land und Leute ohne Einschränkungen erkunden können und die kostbare Ferienzeit nicht durch starken Durchfall oder Erbrechen - möglicherweise in entlegenen oder medizinisch unterversorgten Gebieten - verkürzen.
PD Dr. Tomas Jelinek, Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von Novartis Behring, Marburg
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