Diabetes aktuell 2007; 5(6): 267-268
DOI: 10.1055/s-2007-1019477
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Derzeitige Therapieoptionen bei Diabetes - brauchen wir mehr?

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Prof. Dr. med. Hellmuth Mehnert

Institut für Diabetesforschung

Kölner Platz 1

80804 München

Publication History

Publication Date:
18 January 2008 (online)

 
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Hellmut Mehnert, Institut für Diabetesforschung, München

Ende der neunziger Jahre war die wegweisende United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS) beendet worden, die unter anderem zeigte, dass die Optimierung der Behandlung von Typ-2-Diabetikern Folgeschäden an den Gefäßen einzudämmen vermag. Der große Gewinner dieser Studie war das Metformin, das gerade in Deutschland lange Zeit in unverantwortlicher Weise verteufelt worden war, sodass über viele Jahre hinweg diese Substanz relativ wenig eingesetzt wurde. Erst als in Amerika nach der UKPDS-Studie der große Durchbruch erfolgte und Metformin zum meist verordneten Präparat geworden war, brachen die Dämme auch in Deutschland, sodass Metformin jetzt das am meisten verabreichte orale Antidiabetikum darstellt. In den Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft sowie in den Disease Management Programmen (DMPs) ist Metformin zu Recht als "First-line-drug" beschrieben, wie im Übrigen leider auch Glibenclamid, das ja kein ungefährliches Präparat darstellt.

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Die Zukunft der oralen Antidiabetika hat begonnen

Jetzt hat die Zukunft der oralen Antidiabetika begonnen: Neben Voruntersuchungen mit Substanzen, die zum Beispiel die Glykogenolyse, die Glukagonsekretion oder die renale Glukoserückresorption hemmen, wird das Geschehen sicherlich beherrscht durch die Einführung von sogenannten DPP-4-Inhibitoren; dabei war Sitagliptin als erste Substanz im Handel. Hierbei handelt es sich um orale Antidiabetika, die sich die günstigen Stoffwechseleffekte von Glucagon-Like-Peptide-1 (GLP-1) zunutze machen, indem dessen Abbau im Organismus gehemmt wird. Bekanntlich ist ein solcher Effekt deswegen so wünschenswert, weil es auf diese Weise mit oraler Medikation gelingt, die sonst nur flüchtigen Wirkungen des Inkretins GLP-1 länger dauernd nutzbar zu machen. Dieses Hormon, um dessen Erforschung sich vor allem Werner Creutzfeldt und später seine Schüler Michael Nauck, Baptist Gallwitz und Burkhard Göke et al. verdient gemacht haben, wirkt im Organismus ja nur sehr kurz, da es rasch durch eine Dipeptidylpeptidase (DPP-4) abgebaut wird. Dabei wären und sind die Wirkungen von GLP-1, das bei Typ-2-Diabetikern in geringerem Ausmaß als bei Normalpersonen sezerniert wird, für den Stoffwechsel wichtig.

Durch die DPP-4-Inhibitoren werden nützliche Inkretinwirkungen erhalten. So hat sich zum Beispiel unter Sitagliptin zeigen lassen, dass es zu einer glukoseabhängigen Insulinsekretion kommt, d. h. dass dieser Stoff - ebenso wie Vildagliptin - nicht zu einer andauernden sulfonylharnstoffähnlichen Stimulierung der Insulinsekretion, sondern lediglich zu einer bedarfsgerechten Ausschüttung des Hormons führt. Das bedeutet natürlich, dass eine Hypoglykämiegefahr praktisch nicht besteht und dass auch keine Gewichtszunahme -etwa im Vergleich zu den Sulfonylharnstoffen - erfolgt. Darüber hinaus wirkt diese Substanz aber nicht nur insulinotrop, sondern über die Bremsung der Glukagonsekretion und der konsekutiven Glukoneogenese-Hemmung auch "nicht-insulinotrop".

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Gebot der Stunde ist eine Zweifach- oder Dreifachtherapie

Die Unterscheidung zwischen insulinotropen Substanzen (Sulfonylharnstoffe, Glinide) und nicht insulinotropen Stoffen (Acarbose, Metformin, Glitazone) hat sich ja bisher gut bewährt, wird aber jetzt gesprengt durch die DPP-4-Inhibitoren, die gleichsam auf beiden Ebenen wirksam sind. Hinzu kommt, dass unter Sitagliptin im Tierversuch betazellprotektive, die Apoptose verhindernde Effekte gezeigt wurden, die sich auch - cum grano salis - über eine entsprechende Einwirkung auf den Proinsulin-Insulin-Quotienten und den HOMA- BETA-Index auf den Menschen übertragen lassen. Dies wäre - wenn sich dies weiter verifizieren lässt - ein Fortschritt in der Behandlung mit oralen Antidiabetika, da Substanzen wie die DPP-4-Inhibtoren nicht nur für die Möglichkeit zur bedarfsgerechten Stimulierung der Insulinsekretions, sondern auch für die Protektion der dafür verantwortlichen Betazellen sorgen würden.

Die Kombinationstherapie mit oralen Antidiabetika als Zweifach- oder Triple-Therapie ist im Übrigen das Gebot der Stunde, da es auf diese Weise gelingt, die Nebenwirkungen der Einzelsubstanzen durch geringere Dosierungen zu minimieren und den Haupteffekt durch die Addition verschiedener Mechanismen für die Blutzuckersenkung zu maximieren.

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Prof. Dr. med. Hellmuth Mehnert

Institut für Diabetesforschung

Kölner Platz 1

80804 München

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Prof. Dr. med. Hellmuth Mehnert

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Hellmut Mehnert, Institut für Diabetesforschung, München