Dialyse aktuell 2007; 11(8): 54
DOI: 10.1055/s-2007-1010966
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Therapie der renalen Anämie - Welcher Hb-Zielbereich ist richtig?

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Publication Date:
12 December 2007 (online)

 
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Bisher war man davon ausgegangen, dass höhere Hämoglobinwerte auch eine bessere Prognose der Patienten mit renaler Anämie bedingen [5]. Die internationalen Richtlinien empfahlen einen Hämoglobinwert von über 11 mg/dl, uneins war man sich dabei über die oberen Grenzwerte. Ende letzten Jahres wurden jedoch die CREATE[1]- [2] und die CHOIR[2]-Studie [7] publiziert, zwei Studien, die das bisherige Bild der Behandlung der renalen Anämie gehörig ins Wanken brachten. Zwar dokumentierten beide Studien mit dem Anstieg des Hämoglobinwerts im Blut eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten, die sogenannten "harten" Endpunkte aber schnitten nicht gut ab.

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Vorsicht: Hb-Werte über 13 g/dl vermeiden!

In der CREATE-Studie wurden Patienten, die im Verlauf der Behandlung einen Hämoglobinwert von 13-15 g/dl erreichten, früher dialysepflichtig als Patienten mit niedrigeren Zielwerten (10,5-11,5 g/dl). Die CHOIR-Studie wurde sogar frühzeitig gestoppt, da sich hier im Studienverlauf eine höhere kardiale Ereignisrate abzeichnete, wenn das Hämoglobin auf Werte über 13 g/dl angehoben worden war. "Allerdings musste gerade die CHOIR-Studie viel Methodenkritik einstecken", relativierte Prof. Kai-Uwe Eckardt, Erlangen, das Studienergebnis.

Die "National Kidney Foundation" reagierte damals schnell auf die Studienergebnisse und passte die K/DOQI[3]-Leitlinien an. Demnach sollte der Hämoglobinwert im Allgemeinen zwischen 11 und 12 g/dl liegen und Werte über 13 g/dl nicht überschreiten. Und ein Lancet-Editorial kam zu dem Schluss:

"Haemoglobin targets: we were wrong, time to move on" [8].

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Die Frage nach dem Zielhämoglobin ist noch nicht beantwortet

Dieser Meinung ist Eckardt nicht: "Die Frage nach dem Zielhämoglobin bleibt durchaus bestehen!" Zu uneinheitlich ist seiner Ansicht nach die Studienlage, und nur in zwei der Untersuchungen seien Daten von mehr als 500 Patienten berücksichtigt. Auch eine Metaanalyse aus den vier größten Untersuchungen [1], [3], [4], [6] lasse keine klare Aussage zu.

Eckardt hofft daher auf die Ergebnisse der zurzeit aktiv rekrutierten interventionellen TREAT[4]-Studie - an der 4 000 (!) Prädialysepatienten mit Typ-II-Diabetes teilnehmen sollen. Sie werden in zwei Studienarme randomisiert und erhalten entweder eine Darbepoetin-alfa-Therapie bis zu einem Ziel-Hb-Wert von 13 g/dl oder Placebo. Sinkt unter Placebo das Hämoglobin auf Werte unter 9 g/dl bekommen die Patienten ebenfalls Darbepoetin zur Anämiekorrektur. Primärer Endpunkt der Studie ist die Überlebenszeit der Patienten bzw. die Zeitdauer bis zum Eintreten eines kardiovaskulären Ereignisses (z. B. Myokardinfarkt oder Schlaganfall).

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Empfehlungen für die Praxis

Doch woran kann man sich halten, bis die Ergebnisse von TREAT vorliegen werden? Im Allgemeinen gelte, dass mit einer Anämietherapie Hämoglobinzielwerte zwischen 11 und 12 g/dl angestrebt und Werte über 13 g/dl vermieden werden sollten, riet Eckardt, wie es auch der aktuellen Empfehlung der National Kidney Foundation (NKF) entspricht. Denn dies sei ein erstrebenswertes Ziel, "wenn wir den Effekt der Anämiebehandlung auf die Lebensqualität der Nierenkranken für signifikant und gut erachten", so Eckardt.

Prof. Wolfgang Jelkmann, Lübeck, wies in dem Zusammenhang auf die unsichere Datenlage für sogenannte Biosimilars hin. Seiner Recherche nach stellen weltweit derzeit mehr als 50 Biotech-Firmen rekombinantes humanes Erythropoetin her. Aufgrund der komplizierten Herstellung sei es aber praktisch nicht möglich, eine zum Originalpräparat identische Substanz zu produzieren. Besonders kritisch sei dabei die Aufreinigung der Präparate, insbesondere bei Glykoproteinen wie dem Erythropoetin.

sts

Quelle: Satellitensymposium "Renale Anämie - Zwischen Zielwerten und Hb-Realität" auf dem Kongress für Nephrologie, veranstaltet von der Amgen GmbH, München

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Amgen GmbH, München

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Die Realität in Deutschland

Mit AENEAS[5] gibt es die erste deutschlandweite übergreifende Datenbank zur wissenschaftlichen Beurteilung der Therapiesituation und des Krankheitsverlaufs von Dialysepatienten - ein nicht nur für Prof. Johannes Mann, München, wichtiges Projekt. Denn mit den pseudonymisierten Daten der Dialysepatienten, die in dieser Online-Datenbank gesammelt werden, wird erstmals tatsächlich eine Qualitätskontrolle der Therapie möglich.

Nur knapp 40% der Dialysepatienten sind korrekt eingestellt

Mann präsentierte die Ergebnisse aus der einjährigen Pilotphase (n = 1573), an der sich 34 Dialysezentren beteiligt hatten. Demnach erreichen in Deutschland nur 37,8% der Dialysepatienten die K/DOQI-Hämoglobinzielwerte, berichtete er. Erfreulicherweise blieben aber immerhin 20,7% der Patienten dabei über einen Beobachtungszeitraum von sechs Monaten stabil.

Möglichst wenig Dosisanpassungen von Vorteil

Kritisch wertet er die relativ häufig durchgeführten Dosisanpassungen. Dabei sei es ein Trugschluss zu glauben, dass hiermit stabilere Zielwerte erreicht werden könnten. Im Gegenteil: Je häufiger die Dosis angepasst wurde, umso weniger dauerhaft lassen sich die Zielwerte einstellen.

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Literatur

  • 01 Besarab A . et al . N Engl J Med. 1998;  339 (9) 584-590
  • 02 Drüeke TB . et al . N Engl J Med. 2006;  355 (20) 2071-2084
  • 03 Foley RN . et al . Kidney Int. 2000;  58 (3) 1325-1335
  • 04 Furuland H . et al . Nephrol Dial Transplant. 2003;  18 (2) 353-361
  • 05 Ofsthun N . et al . Kidney Int. 2003;  63 (5) 1908-1914
  • 06 Parfrey PF . et al . J Am Soc Nephrol. 2005;  16 (7) 2108-2189
  • 07 Singh AK . et al . N Engl J Med. 2006;  355 (29) 2085-2098
  • 08 Strippoli GF . et al . Lancet. 2007;  369 (9559) 346-350

01 Cardiovascular Risk reduction by Early Anemia Treatment with Epoetin

02 Correction of Hemoglobin and Outcomes In Renal insufficiency

03 Kidney Disease Outcome Quality Initiative

04 Trial for Reduce Cardiovascular Events with Aranesp Therapy

05 Anwenderfreundliche Evaluation in der Nephrologie zu Entzündung, Anämie und Sekundärem Hyperparathyreoidismus

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Literatur

  • 01 Besarab A . et al . N Engl J Med. 1998;  339 (9) 584-590
  • 02 Drüeke TB . et al . N Engl J Med. 2006;  355 (20) 2071-2084
  • 03 Foley RN . et al . Kidney Int. 2000;  58 (3) 1325-1335
  • 04 Furuland H . et al . Nephrol Dial Transplant. 2003;  18 (2) 353-361
  • 05 Ofsthun N . et al . Kidney Int. 2003;  63 (5) 1908-1914
  • 06 Parfrey PF . et al . J Am Soc Nephrol. 2005;  16 (7) 2108-2189
  • 07 Singh AK . et al . N Engl J Med. 2006;  355 (29) 2085-2098
  • 08 Strippoli GF . et al . Lancet. 2007;  369 (9559) 346-350

01 Cardiovascular Risk reduction by Early Anemia Treatment with Epoetin

02 Correction of Hemoglobin and Outcomes In Renal insufficiency

03 Kidney Disease Outcome Quality Initiative

04 Trial for Reduce Cardiovascular Events with Aranesp Therapy

05 Anwenderfreundliche Evaluation in der Nephrologie zu Entzündung, Anämie und Sekundärem Hyperparathyreoidismus