Bisher war man davon ausgegangen, dass höhere Hämoglobinwerte auch eine bessere Prognose
der Patienten mit renaler Anämie bedingen [5]. Die internationalen Richtlinien empfahlen einen Hämoglobinwert von über 11 mg/dl,
uneins war man sich dabei über die oberen Grenzwerte. Ende letzten Jahres wurden jedoch
die CREATE[1]- [2] und die CHOIR[2]-Studie [7] publiziert, zwei Studien, die das bisherige Bild der Behandlung der renalen Anämie
gehörig ins Wanken brachten. Zwar dokumentierten beide Studien mit dem Anstieg des
Hämoglobinwerts im Blut eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten, die sogenannten
"harten" Endpunkte aber schnitten nicht gut ab.
Vorsicht: Hb-Werte über 13 g/dl vermeiden!
Vorsicht: Hb-Werte über 13 g/dl vermeiden!
In der CREATE-Studie wurden Patienten, die im Verlauf der Behandlung einen Hämoglobinwert
von 13-15 g/dl erreichten, früher dialysepflichtig als Patienten mit niedrigeren Zielwerten
(10,5-11,5 g/dl). Die CHOIR-Studie wurde sogar frühzeitig gestoppt, da sich hier im
Studienverlauf eine höhere kardiale Ereignisrate abzeichnete, wenn das Hämoglobin
auf Werte über 13 g/dl angehoben worden war. "Allerdings musste gerade die CHOIR-Studie
viel Methodenkritik einstecken", relativierte Prof. Kai-Uwe Eckardt, Erlangen, das
Studienergebnis.
Die "National Kidney Foundation" reagierte damals schnell auf die Studienergebnisse
und passte die K/DOQI[3]-Leitlinien an. Demnach sollte der Hämoglobinwert im Allgemeinen zwischen 11 und
12 g/dl liegen und Werte über 13 g/dl nicht überschreiten. Und ein Lancet-Editorial
kam zu dem Schluss:
"Haemoglobin targets: we were wrong, time to move on" [8].
Die Frage nach dem Zielhämoglobin ist noch nicht beantwortet
Die Frage nach dem Zielhämoglobin ist noch nicht beantwortet
Dieser Meinung ist Eckardt nicht: "Die Frage nach dem Zielhämoglobin bleibt durchaus
bestehen!" Zu uneinheitlich ist seiner Ansicht nach die Studienlage, und nur in zwei
der Untersuchungen seien Daten von mehr als 500 Patienten berücksichtigt. Auch eine
Metaanalyse aus den vier größten Untersuchungen [1], [3], [4], [6] lasse keine klare Aussage zu.
Eckardt hofft daher auf die Ergebnisse der zurzeit aktiv rekrutierten interventionellen
TREAT[4]-Studie - an der 4 000 (!) Prädialysepatienten mit Typ-II-Diabetes teilnehmen sollen.
Sie werden in zwei Studienarme randomisiert und erhalten entweder eine Darbepoetin-alfa-Therapie
bis zu einem Ziel-Hb-Wert von 13 g/dl oder Placebo. Sinkt unter Placebo das Hämoglobin
auf Werte unter 9 g/dl bekommen die Patienten ebenfalls Darbepoetin zur Anämiekorrektur.
Primärer Endpunkt der Studie ist die Überlebenszeit der Patienten bzw. die Zeitdauer
bis zum Eintreten eines kardiovaskulären Ereignisses (z. B. Myokardinfarkt oder Schlaganfall).
Empfehlungen für die Praxis
Empfehlungen für die Praxis
Doch woran kann man sich halten, bis die Ergebnisse von TREAT vorliegen werden? Im
Allgemeinen gelte, dass mit einer Anämietherapie Hämoglobinzielwerte zwischen 11 und
12 g/dl angestrebt und Werte über 13 g/dl vermieden werden sollten, riet Eckardt,
wie es auch der aktuellen Empfehlung der National Kidney Foundation (NKF) entspricht.
Denn dies sei ein erstrebenswertes Ziel, "wenn wir den Effekt der Anämiebehandlung
auf die Lebensqualität der Nierenkranken für signifikant und gut erachten", so Eckardt.
Prof. Wolfgang Jelkmann, Lübeck, wies in dem Zusammenhang auf die unsichere Datenlage
für sogenannte Biosimilars hin. Seiner Recherche nach stellen weltweit derzeit mehr
als 50 Biotech-Firmen rekombinantes humanes Erythropoetin her. Aufgrund der komplizierten
Herstellung sei es aber praktisch nicht möglich, eine zum Originalpräparat identische
Substanz zu produzieren. Besonders kritisch sei dabei die Aufreinigung der Präparate,
insbesondere bei Glykoproteinen wie dem Erythropoetin.
sts
Quelle: Satellitensymposium "Renale Anämie - Zwischen Zielwerten und Hb-Realität"
auf dem Kongress für Nephrologie, veranstaltet von der Amgen GmbH, München
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Amgen GmbH, München
Die Realität in Deutschland
Die Realität in Deutschland
Mit AENEAS[5] gibt es die erste deutschlandweite übergreifende Datenbank zur wissenschaftlichen
Beurteilung der Therapiesituation und des Krankheitsverlaufs von Dialysepatienten
- ein nicht nur für Prof. Johannes Mann, München, wichtiges Projekt. Denn mit den
pseudonymisierten Daten der Dialysepatienten, die in dieser Online-Datenbank gesammelt
werden, wird erstmals tatsächlich eine Qualitätskontrolle der Therapie möglich.
Nur knapp 40% der Dialysepatienten sind korrekt eingestellt
Mann präsentierte die Ergebnisse aus der einjährigen Pilotphase (n = 1573), an der
sich 34 Dialysezentren beteiligt hatten. Demnach erreichen in Deutschland nur 37,8%
der Dialysepatienten die K/DOQI-Hämoglobinzielwerte, berichtete er. Erfreulicherweise
blieben aber immerhin 20,7% der Patienten dabei über einen Beobachtungszeitraum von
sechs Monaten stabil.
Möglichst wenig Dosisanpassungen von Vorteil
Kritisch wertet er die relativ häufig durchgeführten Dosisanpassungen. Dabei sei es
ein Trugschluss zu glauben, dass hiermit stabilere Zielwerte erreicht werden könnten.
Im Gegenteil: Je häufiger die Dosis angepasst wurde, umso weniger dauerhaft lassen
sich die Zielwerte einstellen.
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