Dialyse aktuell 2007; 11(8): 52-53
DOI: 10.1055/s-2007-1010965
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Immunsuppression nach Nierentransplantation - Therapie vereinfachen und damit die Chancen für Compliance verbessern

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12 December 2007 (online)

 
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Dass es in den letzten Jahren nicht gelungen ist, die Langzeitergebnisse nach Nierentransplantation wesentlich zu verbessern, liegt unter anderem an der mangelnden Compliance (Adhärenz) vieler Patienten. Denn auch das beste Immunsuppressivum kann nur dann sicher vor Abstoßungen schützen, wenn es korrekt eingenommen wird. Ein Risikofaktor für Medikamenten-Non-Compliance sind komplexe Einnahmeschemata, wobei das Risiko für Non-Compliance mit der Anzahl der täglich einzunehmenden Dosen eines Medikaments steigt [10].

Mit der neuen Tacrolimus-Formulierung mit verlängerter Wirkstofffreisetzung (Advagraf®) steht nun der erste Calcineurininhibitor zur einmal täglichen Einnahme zur Verfügung. Die neue Formulierung des etablierten Basisimmunsuppressivums (Prograf®) soll die Therapie vereinfachen und dadurch die Compliance und die Langzeitergebnisse verbessern.

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Einmalgabe von Immunsuppressiva kann Compliance verbessern

Gerade nach Nierentransplantation sind die Non-Compliance-Raten sehr hoch [4]. Reviews verschiedener Studien bezifferten die Inzidenz von Non-Compliance mit 22 bzw. 28 % [2], [3]. Welche Konsequenzen Fehler bei der Einnahme von Immunsuppressiva für das Nierentransplantat haben können, erläuterte Prof. Arthur Matas, Minnesota (USA). So ergab eine Metaanalyse, dass 36 % der Transplantatverluste auf Non-Compliance zurückzuführen waren. Anders ausgedrückt: Bei den Non-Compliern war das Risiko für Transplantatverluste um das Siebenfache erhöht (Odds Ratio: 7,1; p < 0,001) [2].

Eine eindeutige Korrelation zwischen Compliance oder Non-Compliance und Abstoßungshäufigkeit zeigte eine prospektive Studie am Transplantationszentrum in Minnesota. Während Patienten mit guter Compliance abstoßungsfrei blieben, nahm bei den anderen Patienten die Abstoßungshäufigkeit in Abhängigkeit vom Grad der Non-Compliance signifikant zu. Schlechte Compliance war zudem mit signifikant mehr Transplantatverlusten assoziiert (p = 0,002) [5].

Viele Faktoren können die Medikamenten-Compliance beeinflussen. Sie sind jedoch, wie Matas betonte, im individuellen Fall nicht vorhersehbar. Ein unabhängiger Risikofaktor für die Compliance ist die Dosierungsfrequenz. Einer prospektiven Studie zufolge kann die Wahrscheinlichkeit für eine gute Compliance durch eine einmal tägliche Gabe gegenüber einer zweimal täglichen Gabe mehr als verdoppelt werden (Odds Ratio: 2,35; p = 0,003) (Abb. [1]) [10].

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Abb. 1 Wahrscheinlichkeit für Compliance modifiziert nach [10]

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Formulierung zur Einmalgabe bioäquivalent mit klassischer Formulierung

Die einmal täglich einzunehmende Formulierung der bewährten immunsuppressiven Substanz Tacrolimus soll die immunsuppressive Therapie für den Patienten vereinfachen. Die Herausforderung bei der Entwicklung der neuen galenischen Form war es, eine orale Formulierung zu finden, die den Wirkstoff während der Magen-Darm-Passage so freisetzt, dass bei gleicher Tagesdosis die Einmalgabe und die Zweimalgabe von Tacrolimus bioäquivalent sind.

In einem umfangreichen Studienprogramm wurden zum Nachweis der Bioäquivalenz die pharmakokinetischen Profile beider Formulierungen verglichen. In einer Vier-Perioden-Cross-Over-Studie (Phase II) untersuchte man bei 64 Patienten, die mindestens sechs Monate nach Nierentransplantation stabil auf die klassiche Tacrolimus-Formulierung eingestellt waren, nach wiederholten Umstellungen die Tacrolimus-Exposition.

Im Steady State betrug das Verhältnis der 24-Stunden-Gesamtexposition (AUC0-24, "area under the curve") für beide Tacrolimus-Formulierungen 92,6% (90%-Konfidenzintervall (CI): 89,7-95,7%). Damit konnte, so Nas Undre, Direktor Pharmakokinetik, Astellas Pharma, der Nachweis der Bioäquivalenz nach den Kriterien der EMEA ("European Agency for the Evaluation of Medicinal Products"; 90%-CI: 80-125%) erbracht werden [8].

Vergleichbare Ergebnisse lieferte eine Phase-II-Studie bei 66 Erwachsenen nach De-Novo-Nierentransplantation über sechs Wochen. Allerdings war bei gleicher Gesamttagesdosis die mittlere AUC0-24 von Tacrolimus am ersten Tag für die Formulierung mit verlängerter Wirkstofffreisetzung mit 260 ng h/ml etwas niedriger als mit 320 ng h/ml für die klassische Tacrolimus-Formulierung. Im Steady State waren die Werte dann für beide Formulierungen vergleichbar. Die Bluttalspiegel unterschieden sich bereits nach drei Tagen nicht mehr [7].

Sowohl nach Umstellung auf die neue Formulierung als auch bei De-Novo-Transplantierten sind beide Tacrolimus-Formulierungen bioäquivalent, und zwar unabhängig von Geschlecht oder ethnischer Herkunft, so das übereinstimmende Ergebnis der Studien. Dies bedeutet, dass Patienten auf die neue Tacrolimus-Formulierung im Verhältnis 1:1 (mg:mg) auf Basis der Gesamttagesdosis ein- bzw. umgestellt werden können.

Es ist jedoch erforderlich, nach Umstellung die Blutspiegel zu kontrollieren und gegebenenfalls die Dosis anzupassen. Aus der strengen Korrelation von AUC0-24 und Bluttalspiegeln (Cmin) für beide Formen (Abb. [2]) lässt sich zudem ableiten, dass das derzeit für die klassische Formulierung von Tacrolimus verwendete therapeutische Blutspiegelmonitoring und die definierten Zielbereiche für die Talblutspiegel auf die Therapie mit der neuen Formulierung mit verlängerter Freisetzung von Tacrolimus übertragbar sind [8].

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Abb. 2 Korrelation von AUC0-24 und C min für beide Tacrolimus-Formulierungen (Einmal- und Zweimalgabe pro Tag) in Konversionsstudie modifiziert nach [8]

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Neue Formulierung hoch effizient als primäre Immunsuppression

Klinische Studien zeigten, dass Tacrolimus in der neuen Formulierung die gleiche hohe Wirksamkeit hat, wie sie für die zweimal zu applizierende klassische Formulierung von Tacrolimus in zahlreichen klinischen Studien nachgewiesen wurde. Auch die Verträglichkeit unterschied sich nicht wesentlich.

Die Ergebnisse einer randomisierten, offenen, multizentrischen US-amerikanischen Studie der Phase III mit 638 Patienten stellte Prof. Bernhard Krämer, Regensburg, vor. Diese verglich bei De-Novo-Nierentransplantatempfängern Wirksamkeit und Verträglichkeit beider Tacrolimus-Formulierungen und Ciclosporin-ME, jeweils in Kombination mit Mycophenolatmofetil (MMF) und Kortikosteroiden sowie einer Induktion mit Basiliximab. Die initiale Gesamttagesdosis von Tacrolimus betrug bei der Zweimal- und der Einmalgabe 0,15-0,20 mg/kg/Tag. Als Zieltalspiegel wurden in den ersten drei Monaten 7-16 ng/ml angestrebt und danach 5-15 ng/ml [6].

Die klinischen Ergebnisse nach zwei Jahren waren für beide Tacrolimuspräparate vergleichbar. Dies galt sowohl für die Inzidenz akuter Abstoßungen (Abb. [3]) und Überlebensraten als auch für Nierenfunktion und Verträglichkeitsprofile [6], [11]. Erwartungsgemäß waren die mittleren täglichen Tacrolimus-Dosen bei beiden Formulierungen ähnlich hoch. Dies bedeutet, dass bei De-Novo-Transplantierten die Therapie mit der neuen Tacrolimus-Formulierung innerhalb des bislang für Tacrolimus empfohlenen Dosierungsbereiches begonnen werden kann.

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Abb. 3 Vergleichbare Inzidenz akuter biopsiebestätigter Abstoßungen (BCAR) und gleiche Häufigkeit des Einsatzes von Antikörpern unter Immunsuppression nach zwei Jahren nach [11])

Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine in Europa durchgeführte multizentrische doppelblinde, "double-dummy"-Studie der Phase III mit 667 Patienten, deren Einjahresdaten PD Johann Pratschke, Berlin, vorstellte. Die wesentlichen Unterschiede zu der amerikanischen Studie bestanden im "double-dummy"-Design und der fehlenden Antikörperinduktion. Effektivität und Verträglichkeit beider Tacrolimus-Formulierungen waren gleich. Allerdings war in dieser Studie die mittlere Dosis von Advagraf®, die zum Erreichen der gleichen Blutspiegel erforderlich war, um etwa 20-25% höher als bei der klassischen Tacrolimus-Formulierung [1].

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Abstoßungsfreiheit zwei Jahre nach 1:1-Umstellung

Auch die Umstellung nierentransplantierter Patienten ist aus klinischer Sicht einfach und sicher. Dies veranschaulichte Prof. Johannes van Hooff, Maastricht (Niederlande), anhand der Ergebnisse einer Umstellungsstudie. Während der zweijährigen Follow-up-Phase zeigten alle Patienten einen stabilen Verlauf und keiner der 59 Patienten hatte unter Immunsuppression mit der neuen Tacrolimus-Formulierung eine akute Abstoßung erlitten. Patienten- und Transplantatüberleben lagen bei 95,4 %. Das Verträglichkeitsprofil war gut und mit dem der klassischen Tacrolimus-Formulierung vergleichbar. Die mittlere Dosis betrug bei diesen Patienten nach zwei Jahren 0,07 mg/kg/Tag und die mittleren Bluttalspiegel lagen bei 6,5 ng/ml [9].

Wie Weng et al. zeigen konnten, wirkt sich die Vereinfachung der Therapie positiv auf die Compliance aus. Inwieweit dies Einfluss auf das Langzeittransplantatüberleben hat, bleibt Gegenstand weiterer Untersuchungen.

Dr. Hedwig Weisser, München

Quelle: 13. Congress of the European Society for Organ Transplantation (ESOT) in Prag und 16. Jahrestagung der Deutschen TransplantationsGesellschaft (DTG) in Mainz

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Astellas Pharma GmbH, München

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Literatur

  • 01 Astellas Pharma, Data on File. 
  • 02 Butler JA . et al . Transplantation. 2004;  77 (5) 769-776
  • 03 Denhaerynck K . et al . Transpl Int. 2005;  18 (10) 1121-1133
  • 04 Dew MA . et al . Transplantation. 2007;  83 (7) 858-873
  • 05 Nevins TE . et al . Kidney Int. 2001;  60 (4) 1565-1570
  • 06 Silva HT . et al . Am J Transplant. 2007;  7 (3) 595-608
  • 07 Undre NA . Am J Transplant 2005; 5 (suppl 11): 190. Abstract 132. 
  • 08 van Hooff JP . et al . 3rd International Congress on Immunosuppression 2004, San Diego, USA, Abstract 26. 
  • 09 van Hooff JP . et al . ESOT 2007, Poster No P141. 
  • 10 Weng FL . et al . J Am Soc Nephrol. 2005;  16 (6) 1839-1848
  • 11 Yang H . et al . Am J Transplant 2007; 7 (suppl 2): 183, Abstract 144. 
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Literatur

  • 01 Astellas Pharma, Data on File. 
  • 02 Butler JA . et al . Transplantation. 2004;  77 (5) 769-776
  • 03 Denhaerynck K . et al . Transpl Int. 2005;  18 (10) 1121-1133
  • 04 Dew MA . et al . Transplantation. 2007;  83 (7) 858-873
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  • 07 Undre NA . Am J Transplant 2005; 5 (suppl 11): 190. Abstract 132. 
  • 08 van Hooff JP . et al . 3rd International Congress on Immunosuppression 2004, San Diego, USA, Abstract 26. 
  • 09 van Hooff JP . et al . ESOT 2007, Poster No P141. 
  • 10 Weng FL . et al . J Am Soc Nephrol. 2005;  16 (6) 1839-1848
  • 11 Yang H . et al . Am J Transplant 2007; 7 (suppl 2): 183, Abstract 144. 
 
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Abb. 1 Wahrscheinlichkeit für Compliance modifiziert nach [10]

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Abb. 2 Korrelation von AUC0-24 und C min für beide Tacrolimus-Formulierungen (Einmal- und Zweimalgabe pro Tag) in Konversionsstudie modifiziert nach [8]

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Abb. 3 Vergleichbare Inzidenz akuter biopsiebestätigter Abstoßungen (BCAR) und gleiche Häufigkeit des Einsatzes von Antikörpern unter Immunsuppression nach zwei Jahren nach [11])