Eine Vielzahl von Studien und Beobachtungen hat die Kenntnis um die Bedeutung einer
Unterversorgung mit nativem Vitamin D respektive der Reduktion der Vitamin-D-Aktivierung
bei der Behandlung der Osteoporose vertieft. Eine ausreichende Zufuhr von Vitamin
D und Kalzium ist für eine normale Entwicklung und den Erhalt des Skeletts unverzichtbar.
Natives Vitamin D und D-Hormon-Analoga, wie etwa Alfacalcidol, sind somit wichtige
Bestandteile der Behandlung primärer und sekundärer Osteoporosen. Für das native Vitamin
D in Kombination mit Kalzium liegen kontrollierte Studien vor, die den Effekt einer
prophylaktischen Behandlung zur Reduktion extravertebraler Frakturen und von Stürzen
bei älteren Frauen mit nachgewiesenem Vitamin-D-Mangel zeigen.
Aus den mit Cholecalciferol durchgeführten Studien darf man aber nicht, wie Prof.
Johann Ringe, Leverkusen, warnte, ableiten, dass eine Supplementierung mit nativem
Vitamin D in Kombination mit Kalziumsalzen ähnlich wirksam ist wie eine Therapie mit
aktivem Vitamin D. Dies gilt sowohl für die Prävention des Knochenverlustes als auch
für die Reduktion von Frakturen bei den unterschiedlichen Formen der Osteoporose.
Auch die RECORD-Studie zeigte eindeutig, dass Cholecalciferol in Verbindung mit Kalzium
die vertebrale Frakturrate nicht senkt. Eine Monotherapie mit nativem Vitamin D in
Kombination mit Kalzium bei manifesten postmenopausalen Osteoporosen kann, so das
Fazit von Ringe, nach heutigem Wissensstand nicht empfohlen werden.
Rationale für Alfacalcidol
Rationale für Alfacalcidol
Die Gabe von nativem Vitamin D stellt, so Ringe, lediglich eine Nahrungsergänzung
dar. Bei Patienten mit normalen Vitamin-D-Spiegeln im Serum oder bei renaler Insuffizienz
können keine biologischen Wirkungen erwartet werden. Denn die Aktivierung von nativem
Vitamin D zu D-Hormon (1,25(OH)2D) unterliegt in der Niere einer strengen Regulierung, sodass sich durch die Gabe
von nativem Vitamin D keine pharmakologisch wirksamen D-Hormon-Serumspiegel aufbauen
lassen. Dies gelingt, wie Ringe betonte, durch die Gabe von Alfacalcidol.
Alfacalcidol wird nach oraler Gabe und intestinaler Absorption oder nach i.v.-Gabe
sowohl in der Leber als auch im Zielorgan Knochen zu D-Hormon hydroxyliert. Damit
umgeht Alfacalcidol die streng regulierte Hydroxylierung in der Niere und erhöht -
auch bei ausreichender Vitamin-D-Zufuhr - die 1,25(OH)2D-Spiegel. Mit Alfacalcidol lassen sich damit die erforderlichen, pharmakologisch
wirksamen D-Hormon-Serumspiegel erzeugen, die einem schnellen Knochenmasseverlust
vorbeugen oder eine manifeste Osteoporose therapieren. Aufgrund der physiologischen
Wirkung ist die Gefahr einer Hyperkalzämie gering.
Die aktuelle Studienlage zur Therapie mit aktiven Vitamin-D-Analoga zeigt Ringe zufolge,
dass Alfacalcidol in der Prävention und Therapie von postmenopausalen, altersassoziierten
und glukokortikoid-/entzündungsinduzierten Osteoporosen wirksam ist. Die duale Wirkung
auf Knochenfestigkeit und Muskelleistung, die zur Reduktion von Stürzen führt, ist
einzigartig, da alle anderen Antiosteoporotika nur knochenspezifisch das Frakturrisiko
beeinflussen.
Studiendaten zu postmenopausaler ...
Studiendaten zu postmenopausaler ...
Die Therapie mit D-Hormon-Analoga bewirkt eine signifikante Senkung der Inzidenz vertebraler
Frakturen bei postmenopausaler Osteoporose, so das Ergebnis mehrerer prospektiver,
randomisierter placebokontrollierter Studien mit insgesamt 1 176 Patientinnen, die
Ringe vorstellte [1], [2], [6].
Eine Metaanalyse von Richy et al. [3] stützt diese Erkenntnis. Die Autoren werteten 17 Studien aus, in denen D-Analoga
bei postmenopausaler oder glukokortikoidinduzierter Osteoporose (GIOP) eingesetzt
wurden. Wie belegt werden konnte, haben D-Analoga bei postmenopausaler Osteoporose
einen signifikanten Effekt auf Knochendichte und Frakturrate. Außerdem war ein signifikanter
Effekt auf den Knochenverlust bei Patienten mit Glukokortikoidexposition zu beobachten.
... und glukokortikoidinduzierter Osteoporose
... und glukokortikoidinduzierter Osteoporose
Dass die Therapie mit Alfacalcidol der Behandlung mit Vitamin D hinsichtlich der Frakturrate
bei der Therapie der glukokortikoidinduzierten Osteoporose überlegen ist, konnte Ringe
in einer eigenen Studie belegen. Patienten, die unter Langzeitkortikoidtherapie standen,
wurden entweder mit Alfacalcidol plus Kalzium oder Vitamin D plus Kalzium therapiert.
Während der dreijährigen Therapie konnte ein signifikanter Anstieg der Knochendichte
an der Lendenwirbelsäule in der Gruppe beobachtet werden, die mit Alfacalcidol und
Kalzium therapiert wurde. In der mit Vitamin D3 behandelten Gruppe traten keine signifikanten Knochendichteerhöhungen auf.
Auch in Kombinationstherapien überlegen
Auch in Kombinationstherapien überlegen
Auch bei neuen Kombinationsstrategien ist Alfacalcidol als Kombinationspartner dem
nativen Vitamin D überlegen. Dass durch die Kombination mit dem rein antiresorptiv
wirksamen Alendronat eine noch effektivere Therapie möglich sein könnte, zeigen die
Ergebnisse der AAC-Studie [4].
Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose als auch Männer mit Osteoporose (n =
90) wurden den drei Gruppen zugeteilt. Gruppe A (n = 30) erhielt täglich 1 µg Alfacalcidol
+ 500 mg Kalzium, Gruppe B (n = 30) erhielt 70 mg Alendronat wöchentlich + 1 000 mg
Kalzium + 1 000 IU Vitamin D täglich, Gruppe C (n = 30) erhielt 1µg Alfacalcidol täglich
+ 70 mg Alendronat wöchentlich + 500 mg Kalzium täglich.
Im Verlauf der Zweijahresstudie wurde gegenüber dem Ausgangswert eine LWS-Zunahme
von 3 % in Gruppe A, von 5,4 % in Gruppe B und von 9,6 % in Gruppe C beobachtet. Die
durchschnittliche Knochendichtezunahme war ebenfalls in Gruppe C (Alfacalcidol + Alendronat)
mit 3,8 % am ausgeprägtesten versus 1,5 % bei Gruppe A und 2,4 % bei Gruppe B. Am
Ende der Studie bestand zudem eine erhöhte Tendenz für vertebrale und nicht vertebrale
Frakturen in den Gruppen A und B (9 respektive 10) gegenüber zwei bei Gruppe C.
Einfluss auf kardiovaskuläre sowie renale Morbidität und Mortalität
Einfluss auf kardiovaskuläre sowie renale Morbidität und Mortalität
Die renale Osteopathie wird heute als komplexes Syndrom verstanden, in dessen Pathogenese
Vitamin-D-Mangel und die verminderte Aktivierung von Vitamin D eine essenzielle Rolle
spielen. Eine reduzierte Vitamin-D-Rezeptoraktivierung führt, wie Dr. Preben Joffe,
Odense (Dänemark), ausführte, zu einem Knochenmasseverlust und steigenden Parathormonwerten.
Dieses Krankheitsbild führt zur arteriellen Kalzifikation sowie zu Insulinresistenz
und Bluthochdruck. Die bestehenden Dysbalancen im Mineralstoffwechsel sind zudem mit
einer höheren kardiovaskulären und renalen Morbidität und Mortalität assoziiert.
Therapeutisch wird der Ausgleich eines Mangels an nativem und aktivem Vitamin D sowie
die Vermeidung der Hyperphosphatämie angestrebt. Sinkt das Parathormon zu stark ab,
kommt es zum adynamen Knochen und ebenfalls zu Verkalkungen. Die Kunst der Therapie
besteht nach Joffe darin, eine Übersuppression von PTH zu vermeiden und den Einbau
von Kalzium und Phosphat in den Knochen zu erhalten.
Der Einsatz von Alfacalcidol zum Zeitpunkt einer beginnenden Nierenfunktionseinschränkung
kann einen krankhaften Anstieg der Parathormonausschüttung und somit die Ausbildung
eines sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) aufhalten oder ganz verhindern.
Eine Studie beschäftigt sich mit dem Einfluss von Vitamin-D-Analoga auf die kardiovaskuläre
Mortalität von Dialysepatienten. In die nicht randomisierte monozentrische Kohortenanalyse
[5] wurden 242 Hämodialysepatienten eingeschlossen. 162 Patienten ("User") erhielten
Alfacalcidol (median 0,5 µg/Tag) und 80 Patienten wurden nicht oder sehr unregelmäßig
mit Alfacalcidol ("Non-User") behandelt. Die Gruppe der "User" erhielt Alfacalcidol
in 20,6 von 24 Monaten.
Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 61 ± 23 Monaten verstarben 53 der 242
Dialysepatienten. Die Kaplan-Meier-Analyse der Patientenüberlebenskurven zeigte einen
signifikanten Vorteil im kardiovaskulären Überleben für die Patienten, die regelmäßig
mit Alfacalcidol behandelt wurden (Abb. [1]). Dieser Effekt war auch nach Adjustierung für die in den Gruppen differenten Variablen
wie zum Beispiel Diabetes noch vorhanden.
Abb. 1 Reduziertes Risiko der kardiovaskulären Mortalität nach [5]
Die Reduktion des kardiovaskulären Risikos durch das Vitamin-D-Analogon beruht, so
Joffe, möglicherweise auf den folgenden Mechanismen
-
Hemmung unterschiedlicher Aspekte der Inflammation
-
antiproliferativer Effekt auf die Hypertrophie des Myokards
-
Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems.
Pleiotrope Wirkungen des Vitamin-D-Hormons
Pleiotrope Wirkungen des Vitamin-D-Hormons
-
Reduktion der Parathormon-Gen-Transkription
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Reduktion der Nebenschilddrüsenhyperplasie
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reduzierter Epo-Bedarf
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reguliert Zelldifferenzierung
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erhöhte Insulinempfindlichkeit
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reduzierte kardiovaskuläre Mortalität
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Offene Fragen für neue Therapieoptionen
Offene Fragen für neue Therapieoptionen
Die derzeitige Studienlage ist für die neuen Vitamin-D-Analoga noch sehr dürftig.
Bislang konnten weder pleiotrope Effekte noch klinisch relevante Vorteile hinsichtlich
einer Kalziumerhöhung belegt werden. Zudem ist die reduzierte Zulassung in den Stadien
3 und 4 der CKD ("chronic kidney disease") und bei Parathyreoidektomien zu beachten.
Auch für Kalzimimetika - eine wichtige neue Option zur Kontrolle des Knochen- und
Mineralstoffwechsels - sieht Joffe Einschränkungen hinsichtlich ihres erheblichen
Nebenwirkungsprofils. Joffe forderte deshalb direkte Vergleichsstudien zwischen den
Vitamin-D-Analoga. Für Kalzimimetika sollte die Möglichkeit eines kombinierten Einsatzes
zusammen mit Vitamin-D-Analoga in weiteren Studien beleuchtet werden.
Fazit
Fazit
Bei der Therapie mit nativem Vitamin D bzw. Alfacalcidol muss man zwischen der Supplementation
eines Vitamin-D-Mangels und der pharmakologischen Behandlung mit D-Hormon-Analoga
unterscheiden. Nur die pharmakologische Behandlung mit D-Hormon-Analoga wie dem Alfacalcidol
erlaubt es, durch höhere Konzentrationen des D-Hormons in den Zielorganen dessen Wirkungen
auf verschiedene Organsysteme (Darm, Knochen, Muskeln, Immunsystem) zu nutzen. Alfacalcidol,
allein oder in Kombination, ist aufgrund seines pleiotropen Wirkprofils eine sehr
interessante Therapieoption bei Osteoporosen, renaler Osteopathie und Osteomalazien.
Dr. Daniel Bomar, Linkenheim-Hochstetten
Quelle: Symposium "Alfacalcidol: Aktuelle Daten - maßgeschneiderte Lösungen" im Rahmen
des 38. Kongresses der Gesellschaft für Nephrologie (GfN), veranstaltet von der LEO
Pharma GmbH, Neu-Isenburg
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der LEO Pharma GmbH, Neu-Isenburg