Zur Prophylaxe der Organabstoßung nach Nierentransplantation (NTX) steht der mTOR-Inhibitor
Sirolimus (Rapamune®) jetzt im siebten Jahr zur Verfügung - Anlass genug für ein "Update"
der Stärken und Schwächen des Immunsuppressivums.
Nicht in der frühen postoperativen Phase einsetzen
Nicht in der frühen postoperativen Phase einsetzen
Bei einem "Update" muss auch über die SYMPHONY-Studie gesprochen werden. Allerdings
darf man bei der Interpretation der Ergebnisse dieses derzeit größten Vergleichs verschiedener
immunsuppressiver Regime (n = 1 645) nicht außer Acht lassen, dass es sich primär
um eine MMF (Mycophenolatmofetil)-Studie handelt. Die initiale Medikation nach NTX
bestand für die gesamte Population aus Mycophenolatmofetil (2 g/Tag) plus einem Steroid.
Zusätzlich erhielten die Patienten randomisiert entweder Ciclosporin in Standarddosis
oder Daclizumab (über fünf Tage) plus jeweils in niedriger Dosierung entweder Ciclosporin
(Talspiegel 50-100 ng/ml) oder Tacrolimus (Talspiegel 3-7 ng/ml) oder Sirolimus (Talspiegel
4-8 ng/ml).
Die Einjahresdaten lassen für den Sirolimusarm eine im Vergleich zu den anderen Studienarmen
höhere Inzidenz an akuten Abstoßungsreaktionen erkennen [6]. Die Botschaft lautet also: In der Frühphase nach Nierentransplantation ist Sirolimus
vermutlich keine ideale Option zur Immunsuppression. Wenig vorteilhaft scheint vor
allem der Einsatz in niedriger Dosierung zu sein, besonders in Kombination mit MMF
in Standarddosis und ohne Calcineurininhibitor (CNI). Denn in früheren Studien mit
höher dosiertem Sirolimus (Talspiegel 10-15 ng/ml) hatten sich beim Abstoßungsrisiko
keine signifikanten Unterschiede zu CNI-basierten Regimen ergeben.
Verbesserung der Nierenfunktion nach Wechsel auf Sirolimus
Verbesserung der Nierenfunktion nach Wechsel auf Sirolimus
Einen anderen Stellenwert hat Sirolimus dagegen für das langfristige Nachsorgemanagement.
Gründe für eine Umstellung der Immunsuppression gibt es genug (Tab. [1]; [1], [2], [10]). Für die Vorgehensweise wurde 2005 im Rahmen einer Konsensuskonferenz ein Schema
entwickelt, das seine Praktikabilität inzwischen vielfach unter Beweis gestellt hat
(Abb. [1]).
Tab. 1 Umstellung von Calcineurininhibitor auf Sirolimus nach Nierentransplantation
Abb. 1 Empfohlenes Vorgehen zur Umstellung der Immunsuppression von nierentransplantierten
Patienten auf Sirolimus nach [2])
Häufig werden nierentransplantierte Patienten aufgrund einer Transplantatnephropathie
von einem CNI auf Sirolimus umgestellt. So wurde in der UK-Ireland RAP-09-Studie bei
Patienten mit milder bis mittelschwerer Transplantatdysfunktion frühestens drei Monate
post-NTX die Basisimmunsuppression entweder auf Sirolimus umgestellt (n = 115) oder
mit dem Calcineurininhibitor fortgeführt (n = 73). Zu allen Messzeitpunkten (nach
drei, sechs und zwölf Monaten) ergab sich bei der glomerulären Filtrationsrate (GFR)
ein Unterschied zwischen den beiden Studienarmen - im jeweiligen Gruppendurchschnitt
war die Nierenfunktion unter Sirolimus besser als unter CNI-Therapie [13].
Um die Hypothese "Transplantatschutz durch Sirolimus" zu belegen, hat man in der "Spare-the-Nephron"-Studie
(STN) bei Patienten, die initial auf Ciclosporin oder Tacrolimus plus MMF (mit/ohne
Steroid) eingestellt worden waren, einen bis sechs Monate nach Nierentransplantation
randomisiert den Calcineurininhibitor durch Sirolimus ersetzt (n = 98) oder weiterhin
gegeben (n = 110). Nach zwölf Monaten verbesserte sich die GFR im Mittel nach Umstellung
der Immunsuppression um 18,5 %, bei Fortsetzung der Calcineurininhibitortherapie hatte
sie sich dagegen um 4,4 % verschlechtert, so das Ergebnis der Zwischenauswertung [12].
Die Intention der französischen Multizenterstudie CyA-Elimination war die gleiche
wie in der US-amerikanischen STN-Studie. Randomisiert wurde zwölf Wochen nach Nierentransplantation
entweder Ciclosporin gegen Sirolimus ausgetauscht (n = 95) oder die Basisimmunsuppression
beibehalten (n = 97) - jeweils in Kombination mit MMF und einem Steroid. Am Ende des
einjährigen Beobachtungszeitraums war im Sirolimusarm die Kreatininclearance im Schnitt
statistisch signifikant besser als im Ciclosporinkollektiv [9].
Bei "Creeping Creatinine" nicht zu lange warten
Bei "Creeping Creatinine" nicht zu lange warten
Die bisherigen Erfahrungen am Transplantationszentrum in Aachen (n = 34) stimmen ähnlich
zuversichtlich. Allerdings wurde in Aachen bisher nicht routinemäßig auf Sirolimus
umgestellt, sondern bei "Bedarf". Typische Indikationen waren Nebenwirkungen des Calcineurininhibitors
wie "Creeping Creatinine" und schwere Hypertonie oder Tumorerkrankungen. Zwölf Monate
nach Umstellung hatte sich das erhöhte Serumkreatinin im Mittel wieder dem besten
post-NTX-Wert angenähert.
Bei einigen Patienten kann es zu einer vermehrten Eiweißausscheidung kommen. Das deckt
sich mit Erfahrungen an anderen Zentren, wo man dieses Phänomen nach Umstellung auf
Sirolimus in etwa einem Drittel der Fälle dokumentiert hat [3], [14]. Besonders betroffen sind allem Anschein nach Patienten mit einer bereits manifesten
Proteinurie. Wie ein Gemeinschaftsprojekt der Transplantationszentren in Barcelona
und Berlin (Charité) herausfand, liegt die Schwelle bei etwa 800 mg/Tag. Liegt ein
höherer Eiweißverlust vor, sind die Chancen auf Erholung der Transplantatfunktion
gering [5]. Bei Anzeichen auf einen bereits erheblichen strukturellen Schaden des Transplantats
erscheint die Umstellung der Immunsuppression auf Sirolimus somit nicht mehr sinnvoll.
Ein Anstieg der Proteinurie unter Sirolimus-Therapie wurde auch bei Patienten beobachtet,
die keine Transplantatempfänger waren. Eine in den USA vom "National Institut of Health"
initiierte Studie bei Patienten mit einer fokalen segmentalen Glomerulosklerose wurde
frühzeitig abgebrochen, weil sich in der Mehrzahl der Fälle nach sieben bis neun Monaten
die GFR verschlechtert und die Proteinurie verstärkt hatte [4]. Zu den Pathomechanismen gibt es bisher nur Spekulationen.
Es erscheint beispielsweise möglich, dass Sirolimus in der Situation eines vorgeschädigten
Glomerulums mit der podozytären Adaption und Regeneration interferiert, mit der Folge
einer Aggravierung der Gewebedestruktion.
Antivirale Effekte und vermindertes Malignomrisiko
Antivirale Effekte und vermindertes Malignomrisiko
Es ist einen Versuch wert, einen Calcineurininhibitor gegen den mTOR-Inhibitor auszutauschen
- gerade bei Patienten mit Tumoranamnese oder erstmaliger/erneuter Manifestation eines
Malignoms. Dass unter der Abstoßungsprophylaxe mit Sirolimus statistisch signifikant
weniger Nierentransplantatempfänger an Krebs erkranken als unter der Therapie mit
anderen Immunsuppressiva, wird inzwischen durch die übereinstimmenden Ergebnisse einer
Reihe von multizentrischen Studien belegt.
Nicht minder eindrucksvoll sind die Verlaufsbeobachtungen bei großen Populationen
in den USA und Deutschland. So zeigte eine Analyse der Daten von mehr als 33 000 nierentransplantierten
Patienten aus dem amerikanischen UNOS-Register, dass eine mTOR-basierte Erhaltungstherapie
mit einem signifikant verringerten Risiko für die Neuentstehung von Krebserkrankungen
assoziiert ist [8].
Eine Untersuchung der Daten von mehr als 2 400 nierentransplantierten Patienten am
Klinikum München Großhadern ergab, dass bei einer Sirolimus-basierten Therapie - verglichen
mit anderen Immunsuppressiva - eine klare Tendenz zu niedrigeren Krebsraten bestand
[16].
Neu sind auch weitere Erkenntnisse zum potenziell antiviralen Effekt von Sirolimus.
So fanden amerikanische bzw. brasilianische Forschergruppen unter einer mTOR-Therapie
bei nierentransplantierten Patienten eine geringere Rate oder sogar eine komplette
Remission von CMV-Infektionen [7], [11].
mTOR-Inhibition als Therapiechance für Patienten mit Zystennieren?
mTOR-Inhibition als Therapiechance für Patienten mit Zystennieren?
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In nahezu jedem zehnten Fall ist eine ADPKD ("autosomal dominant polycystic kidney
disease") der Grund für die Dialysepflichtigkeit. Typisch für die Erkrankung ist die
exzessive Proliferation von renalen Epithelzellen zu Zysten, die im Laufe der Zeit
nahezu das gesamte Nierengewebe ersetzen. Bisher gibt es keine Möglichkeit diesen
Verlauf aufzuhalten. Das sehe möglicherweise in fünf Jahren ganz anders aus, hofft
Prof. Jürgen Floege, Aachen. Natürlich werde man am genetischen Defekt nichts ändern
können, vielleicht jedoch für die Betroffenen zehn zusätzliche Jahre ohne Dialyse
"herausschinden". Denn für die ADPKD-Pathogenese spielten auch mTOR-gesteuerte Signalwege
eine Rolle. Damit eröffne sich erstmals eine realistische Chance auf eine spezifische
Intervention.
Die präklinischen und ersten klinischen Erfahrungen mit Sirolimus sind vielversprechend.
Am Transplantationszentrum in Cleveland (USA) zeigte sich retrospektiv (aber geblindet)
bei einer Gruppe von ADPKD-Patienten, dass unter einer auf Sirolimus basierten Abstoßungsprophylaxe
die Volumina der im Körper verbliebenen polyzystischen Organe im Schnitt um 25 % abgenommen
hatten (p = 0,005), dagegen unter einer Immunsuppression ohne mTOR-Inhibition nahezu
konstant geblieben waren [15].
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