Dialyse aktuell 2007; 11(8): 60-61
DOI: 10.1055/s-2007-1010953
Markt und Forschung

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Transplantatschutz durch Umstellung der Immunsuppression auf Sirolimus - Auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an

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Korrespondenz

Prof. Dr. Jürgen Floege

Medizinische Klinik II

RWTH Aachen

Pauwelsstr. 30

52057 Aachen

Email: Juergen.Floege@rwth-aachen.de

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Publication Date:
12 December 2007 (online)

 
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Zur Prophylaxe der Organabstoßung nach Nierentransplantation (NTX) steht der mTOR-Inhibitor Sirolimus (Rapamune®) jetzt im siebten Jahr zur Verfügung - Anlass genug für ein "Update" der Stärken und Schwächen des Immunsuppressivums.

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Nicht in der frühen postoperativen Phase einsetzen

Bei einem "Update" muss auch über die SYMPHONY-Studie gesprochen werden. Allerdings darf man bei der Interpretation der Ergebnisse dieses derzeit größten Vergleichs verschiedener immunsuppressiver Regime (n = 1 645) nicht außer Acht lassen, dass es sich primär um eine MMF (Mycophenolatmofetil)-Studie handelt. Die initiale Medikation nach NTX bestand für die gesamte Population aus Mycophenolatmofetil (2 g/Tag) plus einem Steroid. Zusätzlich erhielten die Patienten randomisiert entweder Ciclosporin in Standarddosis oder Daclizumab (über fünf Tage) plus jeweils in niedriger Dosierung entweder Ciclosporin (Talspiegel 50-100 ng/ml) oder Tacrolimus (Talspiegel 3-7 ng/ml) oder Sirolimus (Talspiegel 4-8 ng/ml).

Die Einjahresdaten lassen für den Sirolimusarm eine im Vergleich zu den anderen Studienarmen höhere Inzidenz an akuten Abstoßungsreaktionen erkennen [6]. Die Botschaft lautet also: In der Frühphase nach Nierentransplantation ist Sirolimus vermutlich keine ideale Option zur Immunsuppression. Wenig vorteilhaft scheint vor allem der Einsatz in niedriger Dosierung zu sein, besonders in Kombination mit MMF in Standarddosis und ohne Calcineurininhibitor (CNI). Denn in früheren Studien mit höher dosiertem Sirolimus (Talspiegel 10-15 ng/ml) hatten sich beim Abstoßungsrisiko keine signifikanten Unterschiede zu CNI-basierten Regimen ergeben.

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Verbesserung der Nierenfunktion nach Wechsel auf Sirolimus

Einen anderen Stellenwert hat Sirolimus dagegen für das langfristige Nachsorgemanagement. Gründe für eine Umstellung der Immunsuppression gibt es genug (Tab. [1]; [1], [2], [10]). Für die Vorgehensweise wurde 2005 im Rahmen einer Konsensuskonferenz ein Schema entwickelt, das seine Praktikabilität inzwischen vielfach unter Beweis gestellt hat (Abb. [1]).

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Tab. 1 Umstellung von Calcineurininhibitor auf Sirolimus nach Nierentransplantation

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Abb. 1 Empfohlenes Vorgehen zur Umstellung der Immunsuppression von nierentransplantierten Patienten auf Sirolimus nach [2])

Häufig werden nierentransplantierte Patienten aufgrund einer Transplantatnephropathie von einem CNI auf Sirolimus umgestellt. So wurde in der UK-Ireland RAP-09-Studie bei Patienten mit milder bis mittelschwerer Transplantatdysfunktion frühestens drei Monate post-NTX die Basisimmunsuppression entweder auf Sirolimus umgestellt (n = 115) oder mit dem Calcineurininhibitor fortgeführt (n = 73). Zu allen Messzeitpunkten (nach drei, sechs und zwölf Monaten) ergab sich bei der glomerulären Filtrationsrate (GFR) ein Unterschied zwischen den beiden Studienarmen - im jeweiligen Gruppendurchschnitt war die Nierenfunktion unter Sirolimus besser als unter CNI-Therapie [13].

Um die Hypothese "Transplantatschutz durch Sirolimus" zu belegen, hat man in der "Spare-the-Nephron"-Studie (STN) bei Patienten, die initial auf Ciclosporin oder Tacrolimus plus MMF (mit/ohne Steroid) eingestellt worden waren, einen bis sechs Monate nach Nierentransplantation randomisiert den Calcineurininhibitor durch Sirolimus ersetzt (n = 98) oder weiterhin gegeben (n = 110). Nach zwölf Monaten verbesserte sich die GFR im Mittel nach Umstellung der Immunsuppression um 18,5 %, bei Fortsetzung der Calcineurininhibitortherapie hatte sie sich dagegen um 4,4 % verschlechtert, so das Ergebnis der Zwischenauswertung [12].

Die Intention der französischen Multizenterstudie CyA-Elimination war die gleiche wie in der US-amerikanischen STN-Studie. Randomisiert wurde zwölf Wochen nach Nierentransplantation entweder Ciclosporin gegen Sirolimus ausgetauscht (n = 95) oder die Basisimmunsuppression beibehalten (n = 97) - jeweils in Kombination mit MMF und einem Steroid. Am Ende des einjährigen Beobachtungszeitraums war im Sirolimusarm die Kreatininclearance im Schnitt statistisch signifikant besser als im Ciclosporinkollektiv [9].

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Bei "Creeping Creatinine" nicht zu lange warten

Die bisherigen Erfahrungen am Transplantationszentrum in Aachen (n = 34) stimmen ähnlich zuversichtlich. Allerdings wurde in Aachen bisher nicht routinemäßig auf Sirolimus umgestellt, sondern bei "Bedarf". Typische Indikationen waren Nebenwirkungen des Calcineurininhibitors wie "Creeping Creatinine" und schwere Hypertonie oder Tumorerkrankungen. Zwölf Monate nach Umstellung hatte sich das erhöhte Serumkreatinin im Mittel wieder dem besten post-NTX-Wert angenähert.

Bei einigen Patienten kann es zu einer vermehrten Eiweißausscheidung kommen. Das deckt sich mit Erfahrungen an anderen Zentren, wo man dieses Phänomen nach Umstellung auf Sirolimus in etwa einem Drittel der Fälle dokumentiert hat [3], [14]. Besonders betroffen sind allem Anschein nach Patienten mit einer bereits manifesten Proteinurie. Wie ein Gemeinschaftsprojekt der Transplantationszentren in Barcelona und Berlin (Charité) herausfand, liegt die Schwelle bei etwa 800 mg/Tag. Liegt ein höherer Eiweißverlust vor, sind die Chancen auf Erholung der Transplantatfunktion gering [5]. Bei Anzeichen auf einen bereits erheblichen strukturellen Schaden des Transplantats erscheint die Umstellung der Immunsuppression auf Sirolimus somit nicht mehr sinnvoll.

Ein Anstieg der Proteinurie unter Sirolimus-Therapie wurde auch bei Patienten beobachtet, die keine Transplantatempfänger waren. Eine in den USA vom "National Institut of Health" initiierte Studie bei Patienten mit einer fokalen segmentalen Glomerulosklerose wurde frühzeitig abgebrochen, weil sich in der Mehrzahl der Fälle nach sieben bis neun Monaten die GFR verschlechtert und die Proteinurie verstärkt hatte [4]. Zu den Pathomechanismen gibt es bisher nur Spekulationen.

Es erscheint beispielsweise möglich, dass Sirolimus in der Situation eines vorgeschädigten Glomerulums mit der podozytären Adaption und Regeneration interferiert, mit der Folge einer Aggravierung der Gewebedestruktion.

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Antivirale Effekte und vermindertes Malignomrisiko

Es ist einen Versuch wert, einen Calcineurininhibitor gegen den mTOR-Inhibitor auszutauschen - gerade bei Patienten mit Tumoranamnese oder erstmaliger/erneuter Manifestation eines Malignoms. Dass unter der Abstoßungsprophylaxe mit Sirolimus statistisch signifikant weniger Nierentransplantatempfänger an Krebs erkranken als unter der Therapie mit anderen Immunsuppressiva, wird inzwischen durch die übereinstimmenden Ergebnisse einer Reihe von multizentrischen Studien belegt.

Nicht minder eindrucksvoll sind die Verlaufsbeobachtungen bei großen Populationen in den USA und Deutschland. So zeigte eine Analyse der Daten von mehr als 33 000 nierentransplantierten Patienten aus dem amerikanischen UNOS-Register, dass eine mTOR-basierte Erhaltungstherapie mit einem signifikant verringerten Risiko für die Neuentstehung von Krebserkrankungen assoziiert ist [8].

Eine Untersuchung der Daten von mehr als 2 400 nierentransplantierten Patienten am Klinikum München Großhadern ergab, dass bei einer Sirolimus-basierten Therapie - verglichen mit anderen Immunsuppressiva - eine klare Tendenz zu niedrigeren Krebsraten bestand [16].

Neu sind auch weitere Erkenntnisse zum potenziell antiviralen Effekt von Sirolimus. So fanden amerikanische bzw. brasilianische Forschergruppen unter einer mTOR-Therapie bei nierentransplantierten Patienten eine geringere Rate oder sogar eine komplette Remission von CMV-Infektionen [7], [11].

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mTOR-Inhibition als Therapiechance für Patienten mit Zystennieren?

In nahezu jedem zehnten Fall ist eine ADPKD ("autosomal dominant polycystic kidney disease") der Grund für die Dialysepflichtigkeit. Typisch für die Erkrankung ist die exzessive Proliferation von renalen Epithelzellen zu Zysten, die im Laufe der Zeit nahezu das gesamte Nierengewebe ersetzen. Bisher gibt es keine Möglichkeit diesen Verlauf aufzuhalten. Das sehe möglicherweise in fünf Jahren ganz anders aus, hofft Prof. Jürgen Floege, Aachen. Natürlich werde man am genetischen Defekt nichts ändern können, vielleicht jedoch für die Betroffenen zehn zusätzliche Jahre ohne Dialyse "herausschinden". Denn für die ADPKD-Pathogenese spielten auch mTOR-gesteuerte Signalwege eine Rolle. Damit eröffne sich erstmals eine realistische Chance auf eine spezifische Intervention.

Die präklinischen und ersten klinischen Erfahrungen mit Sirolimus sind vielversprechend. Am Transplantationszentrum in Cleveland (USA) zeigte sich retrospektiv (aber geblindet) bei einer Gruppe von ADPKD-Patienten, dass unter einer auf Sirolimus basierten Abstoßungsprophylaxe die Volumina der im Körper verbliebenen polyzystischen Organe im Schnitt um 25 % abgenommen hatten (p = 0,005), dagegen unter einer Immunsuppression ohne mTOR-Inhibition nahezu konstant geblieben waren [15].

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Literatur

  • 01 Arns W . Citterio F . Campistol M . et al . Nephrol Dial Transplant. 2007;  22 (2) 336-341
  • 02 Arns W . Diekman F . für die Mitglieder des Advisory Boards Rapamune.  Nieren- und Hochdruckkrankheiten. 2005;  34 (12) 551-555
  • 03 Bumbea V . et al . ATC. 2005; 
  • 04 Cho ME . Hurley JK . Kopp JB . et al . Am J Kidney Dis. 2007;  49 (2) 310-317
  • 05 Diekmann F . Budde K . Oppenheimer F . et al . Am J Transplant. 2004;  4 (11) 1869-1875
  • 06 Ekberg H . et al . WTC. 2006; 
  • 07 Haririan A . Morawski K . West MS . et al . Clin Transplant. 2007;  21 (4) 466-471
  • 08 Kauffman HM . Cherikh WS . Cheng Y . et al . Transplantation. 2005;  80 (7) 883-889
  • 09 Lebranchu Y . et al . ATC. 2007; 
  • 10 Mehrabi A . Fonouni H . Kashfi A . et al . Clin Transplant. 2006;  (20 suppl 17) 30-43
  • 11 Ozaki KS . Camara NO . Nogueira E . et al . Clin Transplant. 2007;  21 (5) 675-680
  • 12 Patel A . et al . ATC. 2007; 
  • 13 RAP-09 Study Group. WTC 2006. 
  • 14 Ruiz JC . et al . ATC. 2005; 
  • 15 Shillingford JM . Murcia NS . Larson CH . et al . Proc Natl Acad Sci USA. 2006;  103 (14) 5466-5471
  • 16 Wimmer CD . Rentsch M . Crispi A . et al . Kidney Int. 2007;  71 (12) 1271-1278
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Korrespondenz

Prof. Dr. Jürgen Floege

Medizinische Klinik II

RWTH Aachen

Pauwelsstr. 30

52057 Aachen

Email: Juergen.Floege@rwth-aachen.de

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Literatur

  • 01 Arns W . Citterio F . Campistol M . et al . Nephrol Dial Transplant. 2007;  22 (2) 336-341
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Tab. 1 Umstellung von Calcineurininhibitor auf Sirolimus nach Nierentransplantation

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Abb. 1 Empfohlenes Vorgehen zur Umstellung der Immunsuppression von nierentransplantierten Patienten auf Sirolimus nach [2])