Etwa die Hälfte aller organtransplantierter Patienten versterben mit einem funktionierenden
Transplantat, stellte Prof. Norbert Senninger, Münster, auf dem letzten Kongress der
Deutschen Transplantationsgesellschaft klar. Damit besteht in der Nachsorge Organtransplantierter
ein erhebliches Optimierungspotenzial.
Gefahr der Tumorneubildung ist groß!
Gefahr der Tumorneubildung ist groß!
Oft unterschätzt wird immer noch die Gefahr der Tumorneubildung unter der immunsuppressiven
Therapie kritisierte Prof. Josep M. Campistol, Barcelona (Spanien). "Doch Tumore sind
nach den kardiovaskulär bedingten Todesfällen die zweithäufigste Todesursache transplantierter
Patienten im Langzeitverlauf!" Mit der weiteren Optimierung der immunsuppressiven
Therapie, die vor allem das Problem der akuten Organrejektionen immer mehr in den
Hintergrund treten lassen, wird uns dieses Problem in Zukunft sicher noch stärker
beschäftigen, erwartet Campistol.
Ursachen für die erhöhte Krebsinzidenz bei Transplantationspatienten sind zum einen
die unspezifische Immunsuppression, verbunden mit einer gesteigerten Replikation onkogener
Viren, wie zum Beispiel des humanen Papillomavirus oder des Epstein-Barr-Virus. Darüber
hinaus haben jedoch die Immunsuppressiva auch direkte Effekte auf die Tumorgenese.
Gut untersucht ist dies vor allem bei den Calcineurininhibitoren (CNI) Cyclosporin
und Tacrolimus - Substanzen, die Angiogenese, Tumorwachstum und Metastasierung fördern.
"Nicht nur die Inzidenz der Tumoren steigt", berichtete Campistol, "sie werden auch
noch aggressiver!"
mTOR-Inhibitoren reduzieren die Tumorinzidenz
mTOR-Inhibitoren reduzieren die Tumorinzidenz
Anders ist dies zum Beispiel bei dem Einsatz von mTOR-Inhibitoren ("mammalian target
of rapamycin"), wie Sirolimus (Rapamune®), die bezüglich der Tumorneubildung sogar
einen protektiven Effekt haben könnten, wie Campistol vermutet. Denn mTOR habe eine
zentrale Rolle bei der Regulation des Zellzyklus, angefangen bei der Translation der
DNA über die Apoptose bis zur Zellproliferation.
Inzwischen gibt es viele Studiendaten, die die positiven Effekte von Sirolimus auf
die Krebsinzidenz bestätigen. So dokumentieren die Langzeitdaten der internationalen
Zulassungsstudie RMR[1] [1] einen deutlichen Rückgang der Tumorinzidenz unter Sirolimus im Vergleich zu einer
CNI-basierten Immunsuppression nach fünf Jahren, sowohl von Hauttumoren (18 versus
51%; p < 0,001) als auch von soliden Tumoren (4 versus 8 %; p < 0,043). Außerdem entwickelten
die Patienten ihre erste Läsion in der Kontrollgruppe signifikant schneller (491 versus
1126 Tage; p < 0,001).
Damit bestätigt die RMR-Studie eine im letzten Jahr publizierte retrospektive Auswertung
des amerikanischen Transplantationsregisters, in der die Daten von über 33000 Nierentransplantierten
eingingen [4]. Hatten diese eine mTOR-Therapie erhalten, betrug die Tumorinzidenz nach zwei Jahren
nur 0,6%. Unter einer reinen CNI-Therapie dagegen war die Rate mit 1,81% signifikant
höher (p < 0,001). Solide Tumoren waren unter der mTOR-Monotherapie innerhalb des
zweijährigen Beobachtungszeitraums nicht zu sehen. Wurde zusätzlich ein Calcineurininhibitor
gegeben, stieg die Tumorinzidenzrate auf 0,47%, bei der reinen CNI-Behandlung betrug
sie 1,0%.
Kann man auf Calcineurininhibitoren verzichten?
Kann man auf Calcineurininhibitoren verzichten?
In naher Zukunft wird es jedoch eher schwer sein, ganz auf die Gabe von Calcineurininhibitoren
zu verzichten. Zwar bleibt unter immunsuppressiven Regimen, die ohne diese Substanzen
arbeiten, die Nierenfunkton im Langzeitverlauf meist besser [5], doch sind oft höhere Abstoßungsraten zu beobachten. Auch eine Induktionstherapie
zu Beginn der immunsuppressiven Behandlung kann den Nachteil der höheren Rejektionsraten
nicht zufriedenstellend auffangen [2], [3]. "Im Langzeitverlauf der Behandlung können die Calcineurinhibitoren mit anderen
Therapieoptionen jedoch nicht Schritt halten", konstatierte PD Markus Guba, München.
Denn dann kommen neben ihrem onkologischen Risikoprofil auch ihr kardiovaskuläres
Nebenwirkungsprofil oder ihre nephrotoxischen Effekte zum Tragen.
Eleganter Ansatz ist der CNI-Entzug
Eleganter Ansatz ist der CNI-Entzug
Einen eleganten Ausweg aus diesem Dilemma sieht er in einer CNI-sparenden Immunsuppression.
Bei einem frühen Entzug der Calcineurininhibitoren zum Beispiel kombiniert man die
Vorteile zweier Substanzgruppen: Die frühe Therapiephase fokussiert auf die gute Hemmung
der akuten Abstoßungsreaktion mit einem Calcineurininhibitor. Später im Therapieverlauf
konzentriert man sich durch den Verzicht auf diese Substanzen darauf, die Nierenprotektion
im Auge zu behalten - eine Strategie, wie sie zum Beispiel in der RMR-Studie erfolgreich
eingesetzt wurde. Nach drei Monaten wurde in dieser Studie Cyclosporin A durch eine
erhöhte Dosierung von Sirolimus ersetzt und so ein deutlich besseres Transplantatüberleben
und eine deutlich bessere Nierenfunktion erzielt [6].
Ob eine noch frühere Umstellung der Therapie einen weiteren Vorteil bringt, untersucht
derzeit eine deutsche Multizenterstudie: In SMART[2] werden die Patienten bereits nach Abschluss der Wundheilung auf eine calcineurininhibitorfreie
Immunsuppression aus Sirolimus und Mycophenolatmophetil umgestellt.
Stephanie Schikora, Stuttgart
Quelle: Kongress der Deutschen Transplantationsgesellschaft 2006
Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der Wyeth Pharma GmbH, Münster