Systemische Pilzinfektionen sind eine immense Bedrohung für immunsupprimierte Patienten,
gehen sie doch mit einer hohen Letalität einher. Diese lässt sich nur senken, wenn
frühzeitig eine effektive Therapie eingeleitet wird. Bei der Wahl des Antimykotikums
sollten jedoch nicht alleine die In-vitro-Daten einer Substanz zur Wirksamkeit die
Grundlage der Therapieentscheidung sein. Weitaus bedeutender ist seine Effektivität
in vivo, die wiederum von der Substanzkonzentration am Infektionsort abhängt. Dieser
Forderung nach einer guten Penetrationsfähigkeit wird zum Beispiel das Triazol Voriconazol
(Vfend®) gerecht.
Pharmakologische Aspekte beachten
Pharmakologische Aspekte beachten
Das therapeutische Arsenal zur Bekämpfung invasiver Mykosen umfasst heute neue Breitspektrum-Azole,
Echinocandine sowie den mittlerweile in Deutschland auf dem Markt erhältlichen Amphotericin-B-Lipidkomplex.
Daneben spielen aber auch ältere Pharmaka wie Amphotericin B in konventioneller und
liposomaler Form sowie Fluconazol nach wie vor eine Rolle.
Bei der Auswahl des geeigneten Antimykotikums zur Therapie einer schweren Pilzinfektion
sind laut Prof. Georg Maschmeyer, Potsdam, nicht nur das In-vitro-Spektrum einer Substanz
und ihre Daten zur klinischen Wirksamkeit sowie zur Resistenzlage zu beachten. Vielmehr
müssen auch pharmakologische Aspekte wie Resorptionsverhältnisse und Gewebeverteilung
als Auswahlkriterien mit in die Entscheidung einfließen. Denn nur wenn ein Präparat
in ausreichender Menge an den Infektionsort gelangt, kann es dort auch seine Wirkung
entfalten.
Penetration zum Wirkort abhängig von Molekülgröße
Penetration zum Wirkort abhängig von Molekülgröße
Zunächst stellt sich die Frage, welcher Wirkort jeweils erreicht werden soll. Aspergillen
zum Beispiel gelangen über die Atemwege in den Körper. Dementsprechend sind Lunge
und Nasennebenhöhlen die Hauptmanifestationsorte bei invasiven Aspergillosen. Im Lungenparenchym
induzieren die Erreger die Bildung von Abszessen.
Aufgrund ihres Angiotropismus dringen sie aber auch in Blutgefäße ein und lösen Thrombosen
mit nachfolgender Infarzierung aus. Solche Areale sind für Antimykotika besonders
schwer zu erreichen. Per continuitatem, ausgehend von den Nebenhöhlen, oder durch
eine hämatogene Dissemination von der Lunge aus wandern Aspergillen ins Gehirn, manchmal
auch in Leber und Haut bzw. andere Organe.
Eine Candidämie wiederum entwickelt sich in der Regel über eine endogene Kolonisierung
und Translokation. In einigen Fällen kommen die Erreger auch über offene Wunden oder
kolonisierte intravasale Katheter ins Blut. Durch eine hämatogene Dissemination gelangen
sie dann in Lunge, Herz, Niere, Leber, Milz, in den Liquorraum sowie in intraokuläre
Kompartimente.
Die Fähigkeit der verschiedenen Antimykotika, in unterschiedliche Gewebe zu diffundieren
sowie die Blut-Liquor-Schranke zu überwinden, hängt entscheidend von ihrer Molekülgröße
ab. Die beste Penetrationsfähigkeit weisen kleine Moleküle wie Voriconazol und Fluconazol
auf. Itraconazol und Posaconazol besitzen aufgrund ihrer Seitenketten etwa die doppelte
Größe. Noch einmal deutlich größer sind Amphotericin B und Echinocandine.
Außerdem führt eine starke Hydrophobie, wie sie bei Amphotericin B, Posaconazol und
Itraconazol vorliegt, zu einer geringeren Verfügbarkeit freier Substanz in relevanten
Geweben. Den gleichen Effekt hat eine ausgeprägte Hydrophilie, die man bei einigen
Echinocandinen findet.
Guter Zugang zu schwer erreichbaren Kompartimenten
Guter Zugang zu schwer erreichbaren Kompartimenten
Von entscheidender Bedeutung für den Therapieerfolg bei pulmonaler Aspergillose ist
die Diffusion von Antimykotika in den Alveolarfilm. Wie aktuelle Daten zeigen, erfolgt
bei Voriconazol eine ausgeprägte Kumulation im Alveolarfilm. Das Präparat bietet auch
hinsichtlich der Penetration in Leber, Hirn, Niere, Milz und Herz ein relativ homogenes
Bild. In all diesen Geweben lassen sich Spiegel nachweisen, die weit über der hoch
effektiven Konzentration von 8 µg/ml liegen. Im Gehirn werden sogar Spiegel von 35
µg/ml erreicht. Selbst im Inneren eines intrazerebralen Abszesses ließen sich laut
einer neuen Studie therapeutisch wirksame Konzentrationen nachweisen.
Diese gute Penetrationsfähigkeit von Voriconazol mit nachfolgendem Aufbau effektiver
Spiegel im Gehirn führte in der bisher größten Fallserie bei intrazerebralen Aspergillosen
zu einer Ansprechrate von 35 %. Angesichts der Tatsache, dass die Prognose bei solchen
Erkrankungen zuvor nahezu infaust war, sprach Maschmeyer bei den Ergebnissen unter
Voriconazol von "einer ganz neuen Qualtität".
Viele Antimykotika scheitern an der Blut-Hirn-Schranke
Viele Antimykotika scheitern an der Blut-Hirn-Schranke
Im Unterschied dazu ist es bei anderen Antimykotika deutlich schlechter um die Penetrationsfähigkeit
ins Hirnparenchym bestellt. Konventionelles Amphotericin B erreicht diesen Infektionsort
so gut wie gar nicht. Bei liposomalem Amphotericin B sieht es etwas besser aus. Auch
Itraconazol kann die Blut-Hirn-Schranke aufgrund seiner Molekülgröße kaum überwinden.
Nur relativ niedrige zerebrale Spiegel erzielt man ebenfalls mit Caspofungin, weshalb
sich diese Substanz nach Aussage des Referenten nicht zur Therapie von im Gehirn lokalisierten
Mykosen empfiehlt - auch wenn einzelne Gegenbeispiele existieren.
Zur Penetration von Posaconazol ins zerebrale Gewebe liegen keine beim Menschen erhobene
Daten vor. Die Substanz erscheint jedoch aufgrund ihrer Molekülgröße ebenfalls nicht
für den Einsatz bei einem Befall des zentralen Nervensystems (ZNS) geeignet. Allerdings
gibt es auch hier Beispiele für eine erfolgreiche Behandlung. Mit Micafungin lassen
sich im Hirnparenchym nur durch Verabreichung astronomisch hoher Dosen wirksame Spiegel
aufbauen, sodass auch dieses Präparat zur Therapie von ZNS-Mykosen nicht infrage kommt.
Wenn der Pilz ins Auge geht
Wenn der Pilz ins Auge geht
Bei pilzbedingten Endophthalmitiden, meist durch Candida-Spezies, aber auch durch
Fusarien verursacht, stellt sich ebenfalls die Frage, welches Antimykotikum in der
Lage ist, die für Pharmaka schwer zugänglichen intraokulären Kompartimente zu erreichen.
Nach Gabe von Caspofungin zum Beispiel findet man im Glaskörper nur verschwindend
geringe Substanzspiegel, weshalb diese Behandlung wenig Erfolg zeigt. Amphotericin
B diffundiert im Fall einer Endophthalmitis ebenfalls kaum an den Infektionsort, sondern
muss intravitreal injiziert werden.
Dagegen lassen sich mit Fluconazol und Voriconazol wirksame Spiegel in Glaskörper
und Kammerwasser erzielen. Beide Präparate haben sich auch klinisch in der genannten
Indikation bewährt.
Schnellere Elimination erfordert Dosisanpassung bei Kindern
Schnellere Elimination erfordert Dosisanpassung bei Kindern
Bei Kindern im Alter von zwei bis elf Jahren lässt sich mit Voriconazol in einer Dosis
von 8 mg/kg i.v. annähernd die gleiche Exposition (AUC) erzielen wie bei Erwachsenen
mit 4 mg/kg. Im Dosisbereich von 2-8 mg/kg Körpergewicht wurde Voriconazol unabhängig
von der Dosishöhe und vom Alter gut vertragen. Dies hat eine pharmakokinetische Studie
an Kindern unter zwölf Jahren ergeben, bei denen aufgrund einer Chemotherapie bzw.
einer Stammzell- oder Knochenmarktransplantation ein erhöhtes Risiko für invasive
Pilzinfektionen bestand.
Antimykotische Prophylaxe - Dosierung bei Kindern
Das Azolantimykotikum Voriconazol wird bei Kindern schneller eliminiert als bei Erwachsenen
und führt hier in der üblichen Erwachsenendosierung von zweimal täglich 4 mg/kg zu
einer signifikant niedrigeren Fläche unter der Plasmakonzentrations/Zeit-Kurve ("area
under the curve", AUC). Deshalb untersuchte Prof. Thomas J. Walsh, Bethesda (USA),
in einer offenen multizentrischen und multinationalen Kohortenstudie bei insgesamt
48 immunkompromittierten, hospitalisierten Kindern unter zwölf Jahren die Pharmakokinetik,
Sicherheit und Verträglichkeit von Voriconazol.
Bei den Kindern war infolge einer myeloablativen Chemotherapie oder der Vorbereitungstherapie
auf eine Stammzelltransplantation eine tiefe Neutropenie zu erwarten und somit eine
antimykotische Prophylaxe indiziert. Am ersten Tag erhielten alle Kinder eine i.v.-Initialdosis
von zweimal 6 mg/kg Körpergewicht Voriconazol. An den folgenden drei Tagen bekam die
erste Kohorte zweimal 4 mg/kg, die zweite Gruppe jedoch zweimal 6 mg/kg. Von Tag fünf
an wurden zweimal 6 bzw. zweimal 8 mg/kg für mindestens vier Tage (höchstens 16 Tage)
verabreicht. Danach wurde, soweit möglich, für weitere vier Tage auf Voriconazol oral
in einer Dosierung von zweimal 4 bzw. zweimal 6 mg/kg umgesetzt.
Pharmakokinetik unterscheidet sich nicht signifikant
Unter intravenöser Gabe fand sich zwischen den beiden Altersgruppen zwei bis fünf
bzw. sechs bis elf Jahre, in die beide Kohorten unterteilt waren, kein Unterschied
in der Pharmakokinetik - mit Ausnahme der 8-mg/kg-Dosierung, die bei den Älteren eine
höhere AUC lieferte (35000 versus 26000) als bei den Jüngeren. Nach oraler Gabe sowohl
von 4 als auch von 6 mg/kg wurden ebenfalls bei älteren Kindern deutlich höhere Plasmaspitzenspiegel
und AUC-Werte gefunden. Allerdings waren diese Unterschiede infolge der großen interindividuellen
Schwankungsbreite statistisch nicht signifikant.
Niedrigere orale Bioverfügbarkeit bei Kindern
Die orale Bioverfügbarkeit von Voriconazol war bei den Kindern im Mittel deutlich
niedriger (65 versus 96%) als bei Erwachsenen. Für eine endgültige Dosisempfehlung
halten die Autoren aufgrund der nichtlinearen Pharmakokinetik von Voriconazol eine
populationspharmakokinetische Analyse für sinnvoll.
Nur wenige unerwünschte Wirkungen
Zwischen der Höhe der Voriconazol-Exposition und der Inzidenz unerwünschter Ereignisse
(UE) fand sich kein eindeutiger Zusammenhang. Meist entwickelten die Kinder nur leichte
bis mittelschwere Nebenwirkungen, die in Beziehung zur Grunderkrankung (Leukämie)
oder der begleitenden Chemotherapie standen.
Unerwünschte Effekte in möglichem Zusammenhang mit der Antimykotikatherapie traten
nur bei vier der 24 Kindern in Kohorte 1 bzw. neun der 24 Kinder in Kohorte 2 auf.
Die Hälfte davon betraf die Leber, führte aber nur in zwei Fällen von Leberenzymstörungen
zum Abbruch der Therapie. Eine Photophobie wurde nur bei einem Kind beobachtet.
Gabriele Henning-Wrobel, Erwitte
Quelle: Walsh JF, Driscoll FA, Arietta AC et al. Pharmacokinetics, safety, and tolerability
of voriconazole in hospitalized children. Poster M-887 auf der 46th Interscience Conference
on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC)
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Neben- und Wechselwirkungen berücksichtigen
Neben- und Wechselwirkungen berücksichtigen
Neben der Penetrationsfähigkeit ins Gewebe ist auch eine mögliche Organschädigung
durch die eingesetzten Antimykotika zu beachten. Unter Amphotericin B muss bekanntlich
mit einem nephrotoxischen Effekt gerechnet werden. Diese gravierende Nebenwirkung
tritt unter liposomalen Formulierungen seltener auf, die Gefahr ist jedoch auch hier
gegeben. Das gleiche gilt für Amphotericin-B-Lipidkomplexe.
Hinsichtlich einer Veränderung der Leberwerte existieren laut Maschmeyer keine Klassenunterschiede
zwischen Amphotericin B, Caspofungin und Voriconazol. Unter all diesen Substanzen
kann es zu einem Anstieg der Transaminasen kommen, der aber nicht bedrohlich ist.
Bei der Verwendung von Antimykotika sind auch potenzielle Arzneimittelinteraktionen
zu berücksichtigen. Da Voriconazol über Cytochrom-P450-abhängige Enzyme verstoffwechselt
wird, sind zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Pharmaka möglich, deren Metabolisierung
auf dem gleichen Weg erfolgt. Diese Interaktionen sind inzwischen intensiv untersucht
und gut dokumentiert. Die entsprechenden Hinweise finden sich in der Fachinformation
der Substanz.
Dr. Maragrete Steinhorst, Mosbach
Quelle: Satellitensymposium "Spezielle Aspekte und neue Erkenntnisse in der antimykotischen
Therapie" im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und
Onkologie (DGHO) 2006, veranstaltet von der Pfizer GmbH, Karlsruhe