Pneumologie 2006; 60(12): 732-733
DOI: 10.1055/s-2006-959056
Pneumo-Fokus

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Infektiologie - GM-CSF bei gram-negativer Lungeninfektion

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Publication Date:
11 December 2006 (online)

 
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Im Experiment werden gerne transgene Knock-out-Tiere verwendet, um durch das Fehlen eines Moleküls auf dessen Funktion zu schließen. In der vorliegenden Arbeit wurde die Bedeutung von Granulozyten-Makrophagenkolonien-stimulierender Faktor für die Abwehr von P. aeruginosa im Mausmodell betrachtet, wobei dem Zusammenspiel mit den Alveolarmakrophagen eine entscheidende Bedeutung zuzukommen scheint. Am J Respir Cell Mol Biol 2006; 34:766-774

In dieser Arbeit wird an Knock-out (KO)-Mäusen, denen Granulozyten-Makrophagenkolonien-stimulierender Faktor (GM-CSF) fehlt, der Verlauf einer Infektion mit Pseudomonas aeruginosa (PA) untersucht. Dabei zeigte sich eine deutlich schlechtere Überlebensrate dieser KO-Mäuse im Vergleich zu den Wildtyp-Mäusen (WT), die den Wachstumsfaktor und das Zytokin GM-CSF exprimieren können. Dabei war die Zahl der Neutrophilen in der Bronchoalveolären Lavage (BAL) in den infizierten KO-Tieren sogar höher als in den WT-Mäusen. Um herauszufinden, warum die KO-Mäuse eine größere Suszeptibilität gegenüber P. aeruginosa aufwiesen, wurden induzierte (Alveolar)-Makrophagen und Granulozyten mittels BAL und Peritoneallavage gewonnen sowie Leukozyten aus Lungengewebe isoliert. Diese Zellen wurden ex vivo untersucht. Dabei zeigte sich bei den KO-Tieren eine reduzierte Fähigkeit der Alveolarmakrophagen zur Prostaglandin/Leukotrienproduktion und zur Bakterienphagozytose. Interessanterweise reagierten die Leukozyten aus der Peritonealhöhle teilweise anders als die aus Lungenkompartimenten isolierten Zellen. Die Granulozyten aus den KO-Tieren zeigten unabhängig von ihrem Gewinnungsort keine Einschränkung bei Phagozytose, H2O2-Produktion und der Abtötung phagozytierter Bakterien. Dagegen wiesen die Leukozyten aus infizierten Lungen von KO-Tieren eine deutlich verringerte Sekretion von aktivierenden, proinflammatorischen Zytokinen (TNF-α, IFN-γ) auf.

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Bewertung

Diese Arbeit ist wieder ein Beispiel für einen experimentellen Ansatz, bei dem transgene Knock-out-Tiere verwendet werden, um durch das Fehlen eines Moleküls auf dessen Funktion zu schließen. Vor zehn bis zwanzig Jahren wurden diese Moleküle zum gleichen Zwecke entweder appliziert oder durch Antikörper blockiert. Leider werden diese älteren Befunde oft nicht vergleichend diskutiert. Ob das komplette Fehlen eines Moleküls ein geeignetes In-vivo- Modell ist, um seine Rolle in einem bestimmten Organ im Tier zu untersuchen, wird nur selten diskutiert. Inzwischen ist es möglich, bestimmte Moleküle organspezifisch auszuschalten. Zusätzlich können durch sog. Reporter-Technologien diese Moleküle gezielt aus- und wieder angeschaltet werden. Vielleicht ist es zu kritisch formuliert, aber teilweise entsteht der Eindruck, dass die Faszination und Anwendung neuer Technologien nicht unbedingt zu weiteren und tieferen Erkenntnissen führt. In der referierten Arbeit wurde die Bedeutung von GM-CSF für die Abwehr von P. aeruginosa im Mausmodell gezeigt, was für eine Reihe weiterer pathogener Bakterien und Parasiten bereits bekannt ist. Dabei scheint die entscheidende Bedeutung den Alveolarmakrophagen zuzukommen. Denn die bei dieser Infektion offensichtlich ungehindert einströmenden Neutrophilen sind in den KO-Tieren nicht in ihrer Funktion beeinträchtigt, soweit man aus Ex-vivo-Analysen rückschließen kann. Es bleibt die Frage, wieso funktionsfähige Neutrophile nicht in der Lage sind, die Infektion zu beherrschen. Weiterhin stellt sich die Frage, ob sich aus diesen experimentellen Befunden im Mausmodell und den daraus entwikkelten Konzepten Perspektiven für die Anwendung am Patienten entwickeln lassen. Es geht hier um die Frage, welchen Einfluss Surfactantproteine bzw. ein Zytokin auf den Verlauf einer P. aeruginosa-Infektion der Lunge haben. Die Umkehrung - nämlich ausgehend von der P. aeruginosa-Infektion zu fragen, welche Moleküle, Zellen und Faktoren überhaupt für die Abwehr der bakteriellen Lungeninfektion relevant sind - wäre vielleicht ein sinnvollerer Ansatz.

Referiert und bewertet von T. Tschernig, Hannover