Pneumologie 2006; 60(12): 732
DOI: 10.1055/s-2006-959050
Pneumo-Fokus

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Muskeldystrophie - Nicht invasive Beatmung bei Muskeldystrophie Duchenne

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Publication Date:
11 December 2006 (online)

 
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Im Endstadium erhalten Patienten mit einer Muskeldystrophie Duchenne häufig eine invasive Beatmung über ein Tracheo-stoma. Als Alternative dazu hatte die vorliegende Studie das Ziel, den Effekt einer am Tag durchgeführten nicht invasiven Beatmung über ein Mundstück (MIPPV) als erweiterte Therapie zur nächtlich durchgeführten nicht invasiven Beatmung über Nasenmaske (NIPPV) zu untersuchen. Eur Respir J 2006; 28: 549-555

Insgesamt konnten 42 Patienten (Alter 15-33 Jahre), die unter der NIPPV in der Nacht normokapnisch waren, in die Studie eingeschlossen werden. Die MIPPV wurde primär nur am Ende des Tages appliziert, wenn sich eine Hyperkapnie entwickelt hatte. Im Verlauf konnte die Therapie bei Bedarf den ganzen Tag über eingesetzt werden. Der transkutane PCO2 (PtcCO2) wurde prospektiv am Ende des Tages vor und nach der MIPPV gemessen, ebenso wurden die Vitalkapazität, Atemfrequenz und maximale Inspirationskraft sowie sieben respiratorisch-bedingte Symptome vor und nach MIPPV untersucht. Die Überlebensrate der Patienten war nach einem Jahr 88%, nach drei Jahren 77%, nach fünf Jahren 58% und nach sieben Jahren 51%. Die mittlere Überlebensrate lag bei dieser Patientengruppe bei 31 Jahren. Die Vitalkapazität stabilisierte sich nach 5 Jahren Therapie unter der MIPPV, es zeigte sich eine signifikante Verbesserung der respiratorisch-bedingten Symptome und eine Reduktion des PtcCO2 in den normokapnischen Bereich durch die am Tag zusätzlich durchgeführte MIPPV im Vergleich zu den Eingangsuntersuchungen (p<0,05). Relevante Nebenwirkungen konnten nicht beobachtet werden. Zusammenfassend zeigt sich, dass die MIPPV eine sichere, lebensverlängernde und die Vitalkapazität stabilisierende Therapie darstellen kann.

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Bewertung

Die vorliegende Studie zeigt erstmals Langzeitdaten von 24 Stunden nicht invasiv beatmete Patienten mit Muskeldystrophie Duchenne. Die vorliegenden Daten lassen vermuten, dass die am Tag durchgeführte MIPPV eine lebensverlängernde Therapie darstellt. Allerdings sind die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit aufgrund der fehlenden Vergleichsgruppe schwierig zu interpretieren. Im Vergleich zu bereits durchgeführten Studien zeigt die aktuelle Arbeit, dass die MIPPV eine interessante Therapieoption bei Patienten mit Muskeldystrophie Duchenne darstellt. Eine prospektiver randomisierter Vergleich mit der im Endstadium häufig verwendeten invasiven Beatmung über ein Tracheostoma wäre sehr interessant und könnte den möglichen Stellenwert der MIPPV noch besser beleuchten. Allerdings ist es sicher nicht einfach, eine Studie durchzuführen, die diese beiden Therapie-Philosophien vergleicht. Es stellt sich zudem die Frage, ob diese beiden Therapiekonzepte überhaupt konkurrieren oder vielmehr als sich ergänzende Therapieoptionen angesehen werden sollten.

Referiert und bewertet von J. H. Storre, Freiburg