Pneumologie 2006; 60(9): 525
DOI: 10.1055/s-2006-951430
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Akutes Lungenversagen - Verbessert Kortison die Prognose?

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Publication Date:
27 September 2006 (online)

 
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Hauptgrund für die zunehmende Verschlechterung der Lungenfunktion beim akuten Lungenversagen (ARDS) sind progrediente, entzündliche Veränderungen der Lunge. Kortison könnte diese Prozesse stoppen. Allerdings zeigten vorangegangene Studien, dass eine frühe Intervention mit Kortison keinen günstigen Effekt auf den Krankheitsverlauf hat. Dies wurde nun geprüft. N Engl J Med 2006; 354: 1671-1684

Das "National Heart, Lung, and Blood Institute Acute Respiratory Distress Syndrome Clinical Trials Network" prüfte in seiner prospektiven und plazebokon-trollierten Langzeitstudie den Nutzen einer Kortisontherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem ARDS. Bei den 180 Patienten, die an 25 Zentren rekrutiert worden waren, bestand die Erkrankung seit mindestens 7, höchstens aber seit 28 Tagen. Sie erhielten randomisiert entweder ein Kortisonschema oder Plazebo. Eingesetzt wurde Methylprednisolon in einer initialen Dosierung von 2 mg/kg i.v., gefolgt von einer 14-tägigen Therapiephase mit 4-mal täglich 0,5 mg/kg i.v. Danach wurde die Dosis weiter reduziert. Primäres Studienziel war die Mortalität bis zum 60. Tage nach Krankheitsbeginn. Sekundäre Studienziele bildeten klinische Aspekte wie Beatmungsdrücke, Kreislaufparameter und die Behandlungszeiten.

Die Kortisontherapie hatte im Gruppenvergleich keinen nachweisbaren Effekt auf die Mortalität. In der Kortisongruppe und in der Plazebogruppe starben etwa 29% der Patienten. Bei einer Subgruppenanalyse zeigte sich außerdem, dass das Kortison bei Einsatz nach dem 13. ARDS-Krankheitstag die Mortalität von 8 (Plazebo) auf 35% (Kortison) erhöhte. Paradoxerweise hatte das Kortison zeitweise auf einige klinische Parameter und die Lungenfunktion eine günstige Wirkung. So benötigten diese Patienten weniger Katecholamine zur Kreislaufstabilisierung. Die Ursache der trotzdem schlechten Prognose unter der Kortisontherapie muss, nach Meinung der Autoren, noch offen bleiben. Vermehrte pulmonale Effekte sind hierfür nicht verantwortlich. Durch das Kortison waren die Infektionsraten nicht erhöht. Allerdings kam es unter Kortison, als typische Nebenwirkung, vermehrt zur neuromuskulären Schwäche.

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Fazit

Der Einsatz von Kortison in der späten Akutphase des ARDS kann die Mortalitätsprognose nicht verbessern. Trotz kurzzeitiger klinischer Erfolge bleiben die Sterberaten unverändert hoch, so die Autoren.

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Kommentar zur Studie

In seinem Editorial weist P. M. Suter darauf hin, dass auch die vorliegende Studie nicht endgültig klärt, ob nicht doch ein potenzielles Zeitfenster für einen gewinnbringenden Einsatz von Kortison besteht. Eventuell fehlt nur der entscheidende Monitoring-Parameter. Bis solche Daten vorliegen, ist der Einsatz von Kortison beim ARDS allerdings nicht zu empfehlen. Problematisch an der Studie ist zudem ihre Dauer von 6 Jahren. In diesem Zeitraum haben sich die Möglichkeiten der Beatmungstherapie erheblich verbessert. Somit bleibt auch die Frage offen, ob Kortison in Kombination mit den neuesten Beatmungsstandards nicht doch einen Nutzen entfaltet hätte.

N Engl J Med 2006; 354: 1739-1742

Dr. Horst Gross, Berlin