Z Orthop Ihre Grenzgeb 2006; 144(5): 444-445
DOI: 10.1055/s-2006-949587
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ergebnisse nach vorderer Kreuzbandplastik in Abhängigkeit von der Verletzungsschwere

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Dr. Peter C. Strohm
Dr. Jörg Mauch
Prof. Dr. Norbert P. Südkamp

Department für Orthopädie und Traumatologie, Klinikum der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Email: peter.strohm@uniklinik-freiburg.de

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Publication Date:
05 October 2006 (online)

 
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Dr. Peter C. Strohm

Das Kniegelenk ist aufgrund seiner Exponiertheit und seiner fehlenden knöchernen Führung eines der am häufigsten verletzten Gelenke des menschlichen Körpers. Etwa 7% aller traumatischen Schädigungen und mehr als 30% aller Distorsionen betreffen das Kniegelenk. Bei den Bandverletzungen ist das vordere Kreuzband (VKB) 5-10-mal häufiger betroffen als das hintere Kreuzband. Vor allem bei sportlich aktiven Menschen stellt die vordere Kreuzbandruptur eine häufige Verletzung dar, deren Anteil in verschiedenen Studien von 10% bis fast ein Drittel aller Kniegelenktraumata ausmacht. Studien zeigten eine Reißfestigkeit des vorderen Kreuzbandes von ungefähr 2000 Newton.

Die chirurgische Therapie hat im Verlauf der beiden letzten Jahrzehnte von der bloßen Bandnaht hin zum autologen Bandersatz in arthroskopischer Technik einen erheblichen Wandel erfahren. International werden in der Regel bei Rupturen des vorderen Kreuzbandes entweder BTB (bone-tendon-bone)-Transplantate mit Patellarsehne oder Transplantate mit Hamstring-Sehnen zur Rekonstruktion verwendet. In unserer Klinik wird als Standardtechnik der arthroskopische Ersatz des vorderen Kreuzbandes mit autologer Sehnenplastik des M. gracilis und M. semitendinosus in einer 4fach Technik verwendet. Ziel unserer Arbeit war die Evaluation der eigenen klinischen Ergebnisse nach VKB-Plastik mit autologen Hamstringsehnen.

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4-fach-Transplantat aus der Sehne der M. semitendinosus und M. gracilis

Retrospektiv wurden alle Patienten mit einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes erfasst, ausgewertet und nach dem IKDC-Score, dem OAK-Score und dem Lysholm-Score nachuntersucht, welche zwischen 1/02 und 11/04 mit einer autologen Kreuzbandplastik mit Hamstring-Sehnen in unserer Klinik stabilisiert worden waren. In unserem Department wird routinemäßig beim Erwachsenen ein 4fach-Transplantat aus der Sehne der M. semitendinosus und M. gracilis verwendet. Femoral und tibial wurde das Transplantat jeweils mit einer biodegradablen Sysorb-Interferenzschraube befestigt. Als Ausschlusskriterien wurden definiert: Ersatz des vorderen Kreuzbandes nach einer anderen Methode, Transplantatfixierung nach einer anderen Methode, Durchführung der Operation in einer auswärtigen Klinik, zusätzliche Ruptur des hinteren Kreuzbandes, fehlendes gesundes Kniegelenk zur Vergleichskontrolle.

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Skiverletzungen am häufigsten

Im Zeitraum von 1/01 bis 11/04 wurden in unserer Klinik 105 Rupturen des vorderen Kreuzbandes operativ behandelt. Die Akten und Röntgenbilder aller Patienten konnten ausgewertet werden, 82 Patienten (78%) konnten nachuntersucht werden. Die Nachuntersuchung erfolgte im Median nach 23 Monaten (4/54). Das Alter war im Median 34 (11/58), es waren 64 männliche und 41 weibliche Patienten. Von 105 Patienten zogen sich 47 Personen (45%) die VKB-Ruptur am rechten Kniegelenk und 58 Personen (55%) am linken Kniegelenk zu.

Hauptunfallursache (66%) waren Sportverletzungen, es wurden 2 traumatische Re-Rupturen behandelt.

Skiverletzungen (25%) standen bei den Sportarten an erster Stelle gefolgt von Fußball (18%). Andere Sportarten wie Joggen, Tanzen, Mountainbiking, Ringen, Fallschirmspringen sowie einige Kampfsportarten waren Einzelnennungen.

Eine isolierte Kreuzbandruptur lag bei 42 Patienten vor, 54 hatten zusätzlich Meniskus oder Bandläsionen, in 5 Fällen bestand eine "unhappy triad".

Die Mehrheit der VKB-Plastiken (37%) wurde innerhalb 4 Wochen nach der Verletzung durchgeführt, wobei die Maßgabe einer Beugung über 90° und freier Streckung im verletzten Kniegelenk bestand. Der späteste OP-Zeitpunkt lag 25 Jahre nach der Verletzung. Im Median lagen 8 Wochen zwischen Verletzungszeitpunkt und Operationstermin. Es ließ sich kein signifikanter Einfluss des Operationszeitpunktes auf das klinische Ergebnis feststellen im Gegensatz zu anderen Studien.

Als Komplikation trat bei 5 Patienten (5%) ein nicht revisionspflichtiges Hämatom auf, bei 2 (2%) Patienten fand sich ein Infekt. Der IKDC-Score ergab in 42% eine normale, in 45% eine fast normale, in 12% eine abnormale und in einem Fall eine stark abnormale Bewertung.

Der OAK-Score ergab in 44% ein sehr gutes, in 36% ein gutes und in 20% ein mäßiges bis schlechtes Ergebnis. Der Lysholm-Score ergab in 59% ein sehr gutes, in 21% ein gutes und in 20% ein mäßiges bis schlechtes Ergebnis.

Beim IKDC-Score fielen 87% der Patienten in die Gruppen "A: normal" und "B: fast normal". Nur eine Patientin (1%) hatte ein stark abnormales Score-Ergebnis. Bei ihr ergaben die Untersuchungen des Bewegungsumfangs sowie der Bänder und Gelenke zwar ein "C: abnormal"; sie gab jedoch bei der subjektiven Einschätzung ihre gegenwärtige Aktivität mit "D: stark abnormal" an, was zu der entsprechenden Abwertung des Gesamt-IKDC-Ergebnis führte. Nachun-tersuchungszeitpunkt war in diesem Fall 4 Monate.

Im Mittel erreichten die Patienten die Note 1,7 (Median: 2). Beim OAK-Score erreichten 80% der Patienten die Noten "sehr gut" und "gut".

Im Median erreichten die Patienten 89 Punkte (Minimum 57 Punkte. Maximum: 100 Punkte). Bei genauer Analyse ergab sich folgender Zusammenhang zwischen Nachuntersuchungszeitpunkt und dem OAK-Score-Ergebnis:

  1. Patienten, die innerhalb von 12 Monaten nachuntersucht wurden (n=24), hatten einen mittleren OAK-Score von Median 88 Punkten.

  2. Patienten, die innerhalb von 13-24 Monaten nachuntersucht wurden (n=24), hatten einen mittleren OAK-Score von Median 91 Punkten.

  3. Patienten, die nach 24 Monaten nachuntersucht wurden (n=22), hatten einen mittleren OAK-Score von Median 93 Punkten.

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Abb. 1: IDC-Score (n=69)

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Abb. 2: OAK-Score (n=70)

Im Hinblick auf das Nachuntersuchungsergebnis lässt sich eine Verbesserung der OAK-Score-Werte um 5 Punkte (von Median 88 auf 93 Punkte) nach Vollendung des zweiten Jahres nach VKB-Plastik erkennen. Alle isolierten Kreuzbandrupturen ergaben einen komplikationslosen, postoperativen Verlauf. Je nach Ausprägung der begleitenden Band- und Mensikusverletzungen und somit auch der Operationsdauer bei den anderen Patienten gab es Komplikationen bis hin zum Infekt (3%).

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Bei 80% gutes bis sehr gutes Ergebnis

Über viele Jahre hat sich der VKB-Ersatz mit autologem, mittlerem Drittel des Lig. patellae unter Mitnahme zweier endständiger Knochenblöcke aus Tibia und Patella als allgemein akzeptierter "golden standard" bewährt. Die immer wieder angeführten Vorteile dieses Transplantats sind die gute maximale Reißfestigkeit der Sehne, die Möglichkeit einer primär stabilen Fixierung mit Interferenzschrauben und die zuverlässige Knocheneinheilung im Bohrkanal. Als nachteilig stehen femoropatellare Schmerzen (bis 40%) und Kraftverlust (bis 60%) zur Diskussion. Sehr selten bestehen Risiken einer Patellafraktur oder Patellasehnenruptur. Eine weitere relevante Komplikation stellt das postoperative Streckdefizit dar - in einzelnen Studien mit Inzidenzen von 10% und mehr angegeben.

Für die Technik mit den autologen Hamstring-Sehnen spricht, dass die üblicherweise benutzten, mehrsträngigen Sehnentransplantate der Mm. semitendinosus et gracilis über eine sehr hohe Reißfestigkeit verfügen. Vorteilhaft ist außerdem die geringe Entnahmemorbidität. Es entsteht kein zusätzliches Trauma für den Streckapparat des Kniegelenkes und es kommt nicht zu der von der Patellarsehne berichteten Entnahmedefekt-Arthropathie. Jedoch wird eine Verminderung der Kraft der ischiokruralen Muskulatur durch die Entnahme der Semitendinosussehne kritisch diskutiert. In prospektiv randomisierten Studien wurden keine funktionellen Unterschiede zwischen beiden Gruppen gefunden, jedoch weniger Beschwerden in der Hamstring-Gruppe.

Zwei (2%) unserer 105 Patienten hatten eine Kniegelenksinfektion nach der VKB-Rekonstruktion. Andere aktuelle Studien über die VKB-Plastik mit Semitendinosus-Gracilissehne geben Infektionsraten von 0 bis 2% an.

In unserer Studie zeigten über 80% der behandelten Patienten ein längerfristig gutes bis sehr gutes Ergebnis, zum Teil auch, wenn initial komplexere Kniebinnenverletzungen vorgelegen hatten (IKDC: 87, OAK: 80, Lysholm: 80). Die Mehrzahl erreichte wieder ihr früheres sportliches Aktivitätsniveau, wobei die Patienten mit einem höheren Ausgangsniveau dies auch schneller wieder erreichten. Charlton et al. und Williams 3rd et al. evaluierten in den Jahren 2003 bzw. 2005 ebenfalls das klinische Ergebnis nach vorderer Kreuzbandplastik mit Semitendinosus-Gracilis-4-Bündel-Technik mit bioresorbierbarer Schraubenfixierung. Die Autoren berichteten in 83 bzw. 89% der Fälle über ein gutes bis sehr gutes Ergebnis. Mahirogullari et al. geben für ihre Studie über die VKB-Plastik mit 4fach-Hamstring-Transplantaten aus dem Jahr 2005 einen mittleren Lysolm-Score von 93,5 Punkten und einen IKDC-Score von A und B = 98% an.

In unserer Klinik wird diese Technik in Zukunft weiter eingesetzt, wobei nach wie vor jüngere, sportliche Patienten die größte Gruppe sind. Beim komplexen Knietrauma besteht die Indikation zur operativen Stabilisierung, um die Gelenkfunktion zu sichern.

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Dr. Peter C. Strohm
Dr. Jörg Mauch
Prof. Dr. Norbert P. Südkamp

Department für Orthopädie und Traumatologie, Klinikum der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Email: peter.strohm@uniklinik-freiburg.de

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Dr. Peter C. Strohm
Dr. Jörg Mauch
Prof. Dr. Norbert P. Südkamp

Department für Orthopädie und Traumatologie, Klinikum der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Email: peter.strohm@uniklinik-freiburg.de

 
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Dr. Peter C. Strohm

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Abb. 1: IDC-Score (n=69)

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Abb. 2: OAK-Score (n=70)