Z Orthop Ihre Grenzgeb 2006; 144(5): 442-443
DOI: 10.1055/s-2006-949586
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Periprothetische Frakturen bei älteren Patienten - Vergleich zementfreier und zementierter Hüftendoprothesen im Experiment

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Prof. Dr. Marc Thomsen
Dres. Eike Jakubowitz
Jörn Seeger
Christoph Lee
Michael Clarius

Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg

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Publication Date:
05 October 2006 (online)

 
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Prof. Dr. Marc Thomsen

Knochenzement schützt den älteren, schwächeren Knochen vor einer Femurfraktur bei Implantation einer Hüftendoprothese. Dies sollte bei der Indikationsstellung zum künstlichen Ersatz des Hüftgelenks bedacht werden. Bei der Entscheidung zu einem zementierten oder nicht zementierten Endoprothesenmodell kann DEXA (Doppel-Röntgen-Energie-Absorptiometrie-Technik-Messung der Knochendichte) eine Hilfe sein.

Postoperative periprothetische Frakturen stellen eine seltene aber schwerwiegende Komplikation bei totalen Hüftendoprothesen (TEPs) dar. Die Inzidenz dieser Frakturen reicht von 0,1 bis 4%.

Im Gegensatz zu Skandinavien werden in Mittel- und Südeuropa sowie in den USA auch bei älteren Patienten zementfreie Komponenten mehr und mehr bevorzugt und manchmal wird sofort mit der Vollbelastung des operierten Beines begonnen.

Ziel der Arbeit war es, zwei etablierte Hüftschäfte (zementiert im Vergleich zu zementfrei) in einem definierten Versuchsaufbau zu vergleichen. Dabei sollten die Unterschiede unter maximaler Belastung und die Bedingungen, die eine periprothetische Fraktur induzieren, herausgearbeitet werden.

Für die Untersuchung wurden der zementfreie Spotorno-Schaft (CLS®) (Zimmer, Warsaw, Indiana, USA) (Größe 6 bis 11,25) und der zementierte Morscher-Spotorno (MS-30®) (Zimmer, Warsaw, Indiana, USA) (Größe 6 und Größe 8) ausgewählt. Beide Prothesen sind überaus geläufig und die Autoren können weit reichende Erfahrungen mit diesen Implantaten vorweisen.

Zwanzig femorale Humanpräparate [10 Paare: f/m = 3/7, Alter = 75,4 Jah-re (60-82 Jahre), Gewicht = 82,8 kg (63,1-127,5kg) mit einem Body-Mass- Index (BMI) Ø = 28,3kg/m2 (19,6- 51,7 kg/m2)] wurden auf ihre Knochendichte (QDR-2000 DXA-Densitometer, Hologic Inc., Waltham, MA, USA) in verschiedenen Bereichen (Hals, Trochanter major, Ward'sches Dreieck) hin untersucht. Anschließend wurden a.-p.- und seitliche Röntgenbilder angefertigt, um pathologische Deformitäten ausschließen zu können und die Implantation der Prothese mithilfe von Schablonen zu planen.

Nach dem positiven Bescheid der Ethikkommission wurden die Knochen von zwei erfahrenen Orthopäden (M.T. und M.C.) unter OP-Bedingungen präpariert und in der Zementiertechnik der dritten Generation die MS 30 eingesetzt.

Die kontrollierte Berstung der Femora wurde in einer Materialprüfmaschine (81816/B, Karl Frank GmbH, Weinheim-Birkenau) durchgeführt.

Die aufgebrachte Belastung (Maximalkräfte von bis zu 10000 N) simulierte das normale Gehen in der Ebene (13,1° Adduktionsstellung und 31,8° Innenrotationsstellung). Die Präparate wurden so lange belastet, bis es schlagartig zur Fraktur kam. Weg-Kraft-Diagramm, Frakturhöhe und Art der Fraktur wurden analysiert und den allgemeinen Daten der Spender gegenübergestellt.

Die durchschnittliche Kraft zur Erzeugung periprothetischer Femurfrakturen lag bei Fmax = 7544 N (2844->10000 N) innerhalb der zementierten Gruppe, wohingegen bereits Kräfte von Fmax = 3502 N (1800-7647 N) innerhalb der zementfreien Gruppe eine Fraktur erzeugten. Dieses entspricht Fmax = 961% Körpergewicht (361-1550% BW) für die zementierte und Fmax = 448% BW (194-1033% BW) für die zementfreie Gruppe. Bei vier Exemplaren mit implantiertem CLS®-Schaft war die Kraft zur Erzeugung der periprothetischen Fraktur geringer als die Belastung der Hüfte beim normalen Gehen in der Ebene [Fmax = 233% BW (Bergmann et al. 1996)].

Die Knochendichte, hier exemplarisch die des Ward'schen Dreiecks dargestellt, variierte von 0,342 g/cm2 beim ältesten Präparat (82-jährige Frau) bis zu 1,033 g/cm2 bei einem 60-jährigen Mann. Die Durchschnittswerte lagen hier in der MS-30®-Gruppe bei 0,533 g/cm2 und in der CLS®-Guppe bei 0,572 g/cm2. Die maximalen Knochendichten wurden in der intertrochantären Region mit 0,987 g/cm2 erfasst.

Während die CLS® ein Einsinken mit medial und proximal gelegenen Frakturen des Typs A der Vancouver- Klassifikation oder Johansson Typ I zeigten, induzierten alle zementierten Schäfte eine Fraktur unterhalb der Schaftspitze am distalen Ende des Zementmantels. Dieses stimmte bei allen 10 Präparaten mit einer Typ C- (Duncan und Masri 1995) oder Johannson Typ III-Fraktur überein. Eine signifikante Korrelation zwischen der Maximalkraft, die benötigt wurde, um den Knochen zu frakturieren (Fmax) und der Knochendichte in der CLS®-Gruppe konnte nachgewiesen werden, wohingegen es diesen Einfluss bei der zementierten Gruppe nicht gab.

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Frakturprotektive Wirkung des Zements

In dem beschriebenen experimentellen Aufbau entsprechen Frakturmuster und -höhe den bereits publizierten klinischen und radiologischen Untersuchungen und zeigen somit, dass realistische Frakturen erzeugt werden konnten.

Das überraschende Ergebnis ist jedoch nicht das Frakturmuster, sondern die gewaltigen Unterschiede der Kräfte, die zum Erzeugen dieser Frakturen aufgebracht werden mussten. Fmax Ø = 7544 N in der zementierten Gruppe im Vergleich zu lediglich Fmax Ø = 3502 N in der zementfreien Gruppe, was sich mit Fmax Ø = 961% BW im Vergleich zu Fmax Ø = 448% BW deckt. Dies bedeutet, dass der Knochenzement dem älteren, schwächeren Knochen eine hohe protektive Aussteifung gibt. Es erklärt auch, warum es nur in der CLS®-Gruppe eine signifikante Korrelation zwischen der für die Fraktur des Knochens benötigte Maximalkraft (Fmax) und der Knochendichte gibt.

Es wurden wenige In-vitro-Studien durchgeführt, um periprothetische Frakturen bei zementfreien Schäften zu untersuchen, aber keine dieser Studien schloss den BMI und die Frakturbelastung bezüglich des Körpergewichtes mit ein, sodass nach unseren Kenntnissen diese Abhängigkeit bis jetzt nicht beschrieben wurde. Durch die Aussteifung des Femurs bei der zementierten TEP entsteht ein protektiver Effekt bei älteren Patienten mit schwacher Knochenqualität, was klinisch bedacht werden sollte, wenn das Hüftgelenk ersetzt werden muss. DEXA kann eine Entscheidungshilfe für den Operateur sein, ob er eine zementierte oder zementfreie Prothese verwenden soll.

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Prof. Dr. Marc Thomsen
Dres. Eike Jakubowitz
Jörn Seeger
Christoph Lee
Michael Clarius

Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg

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Christoph Lee
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