Fortbildungsveranstaltungen im Frontalvortragsstil sind oder sollten vorbei sein.
Denn wer mit den Referenten diskutieren und selbst Fragen stellen kann, wer theoretisches
Wissen am eigenen Leib testen kann, der nimmt mehr mit aus einer Fortbildungsveranstaltung.
Diese Erkenntnis haben die Veranstalter der Pfizer pain academy im interaktiven Aktiv-Workshop
zum Thema neuropathische Schmerzen umgesetzt.
Und so beurteilten die gut 40 Teilnehmer die Qualität des letzten Workshops zur Diagnostik
neuropathischer Schmerzen, übrigens einer der ersten, der auch für Klinikärzte angeboten
wurde, wohl gerade wegen der Möglichkeit zur Mitarbeit, zum gemeinsamen Erarbeiten
von Differenzialdiagnosen als besonders positiv. Denn in den interaktiven Veranstaltungen
verknüpfen die Referenten die Vermittlung theoretischer Inhalte mit praktischen Übungen
an experimentellen Schmerzmodellen, geben konkrete Informationen zur Diagnostik neuropathischer
Schmerzen, stellen Screening-Tools und viele Fallbeispiele vor, und auch betroffene
Patienten sind vor Ort.
Neuropathische von nozizeptiven Schmerzen unterscheiden
Neuropathische von nozizeptiven Schmerzen unterscheiden
In der Einführung zur Anatomie und Neurophysiologie schmerzverarbeitender Systeme
gingen Prof. R. Baron, Kiel, und sein Team vor allem auf Grundlegendes ein: die Abgrenzung
neuropathischer Schmerzen von anderen Schmerzsyndromen durch die Leitsymptome, die
brennenden Spontanschmerzen, die einschießenden Schmerzattacken sowie die thermische
und die mechanische Allodynie.
Im Gegensatz zu nozizeptiven Schmerzen liegt neuropathischen Schmerzen eine Läsion
im afferenten System zugrunde. Die Nervenfasern sind sensibilisiert und die Reizschwelle
für die Nozizeption ist reduziert. Schon das Tragen von Kleidung auf den betroffenen
Hautpartien kann dann zum Problem werden.
Ein besonderer Fokus des Workshops lag auf der praktischen Umsetzung dieses Wissens,
denn die teilnehmenden Klinikärzte sollten im Anschluss an den Workshop neuropathische
Schmerzen sicher diagnostizieren können. Einen Hinweis, welche Schmerzkomponente vorliegt
oder überwiegt, kann der Pain-Detect-Fragebogen geben, der mit seinen sieben Fragen
alle typischen Symptome neuropathischer Schmerzen abdeckt.
Wann Sie hellhörig werden sollten
Wann Sie hellhörig werden sollten
In einem interaktiven Gespräch mit den Teilnehmern wies Baron auf Patientencharakteristika
hin, bei denen die Teilnehmer hellhörig werden und in jedem Fall an eine neuropathische
Symptomatik denken sollten. Hierbei ging er auch auf wichtige Fallstricke und Differenzialdiagnosen
ein. Beispielsweise besteht häufig das Dilemma, eine Polyneuropathie nur schwer nachweisen
zu können, da die dünnen Fasern mit der Diagnostik nicht erfasst werden. So ist eine
isolierte Polyneuropathie der dünnen Fasern besonders in der Frühphase des Diabetes
sowie bei Patienten mit dem Burning-feet-Syndrom beispielsweise schon mithilfe eines
Pin-Prick-Tests erfassbar, bevor dies in der neurophysiologischen Messung möglich
ist.
Nach Besprechung verschiedenster Kasuistiken stellte eine Patientin ihre Schmerzsymptomatik
und die bisherigen - erfolglosen - Therapieversuche vor. In der Gruppe konnten die
Teilnehmer gemeinsam mit dem behandelnden Arzt die weiteren Therapiemöglichkeiten
besprechen, um die starken Schmerzen der Patientin zu lindern.
Nachdem die Kursteilnehmer zuvor die Theorie der quantitativ-sensorischen Testung
(QST) kennen gelernt hatten, mit deren Hilfe man ein patientenspezifisches Profil
erstellen und eine individuelle Behandlung der vorhandenen Symptome durchführen kann,
konnten sie anschließend den Praxis-Test machen. "Sie werden spüren, was Schmerzen
sind", warnte Baron scherzhaft und meinte damit die Demonstration der sensorischen
Testung einer Hitzeallodynie an einem Probanden aus den Reihen der Teilnehmer (Abb.
[1]). Mithilfe eines Thermotesters wurden die Schwellen zur Empfindung unangenehmer
Kälte- und Wärmereize, sowohl vor als auch nach Sensibilisierung der Nozizeptoren
getestet. Ein Sensor auf der Haut des Probanden übte dabei einen Wärmereiz aus und
per Mausklick gab der freiwillige Teilnehmer an, ab welcher Ausprägung die Temperatur
als unangenehm empfunden wurde. Der Proband erfuhr also "am eigenen Leib", wie durch
das Auftragen von Capsaicin die TRPV1-Rezeptoren der nozizeptiven C-Fasern sensibilisiert
werden: Nicht erst 50° C, sondern bereits 38° C führten zu einer Hitzeallodynie.
Abb 1: Sensorische Testung der thermischen Allodynie
Die medikamentöse Therapie neuropathischer Schmerzen ist zwar nicht die einzige, aber
die am besten untersuchte Therapieform und so wurde der vierstündige Workshop mit
der Vorstellung der verschiedenen Therapiemöglichkeiten abgerundet. Von den Antidepressiva
bis hin zu den Cannabinoiden wurden im Gespräch die Vor- und Nachteile der einzelnen
Substanzen lebhaft diskutiert.