Z Orthop Ihre Grenzgeb 2006; 144(3): 246-247
DOI: 10.1055/s-2006-947120
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Versorgung der kongenitalen oder spastischen hohen Hüftluxation - mit modularen Hüftimplantaten und ggf. subtrochantärer Verkürzungsosteotomie des Femur

A. Krückhans, M. Schneider, P. Tichy
  • Zentrum für Orthopädische Chirurgie und Endoprothetik Orthopädische Klinik, Orthozentrum München
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
04. Juli 2006 (online)

 
Inhaltsübersicht
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Dr. Astrid Krückhans

Ziel der endoprothetischen Versorgung hoher Hüftluxationen ist die anatomiegerechte und funktionstüchtige Rekonstruktion des dysplastischen Hüftgelenks.

Die Verlagerung des Hüftkopfes in die Primärpfanne führt ohne weitere Intervention zu einer Beinverlängerung von ca. 5-6 cm und birgt damit das Risiko einer Parese des N. ischiadicus.

Die dysplastische Antetorsion des proximalen Femurschaftes erfordert bei der zementfreien Implantation einer Hüftendoprothese ein individuelles modulares Implantat. Es ermöglicht die Ausrichtung der Prothese an den anatomischen Vorgaben und gleichzeitig das Einstellen eines physiologischen Antetorsionswinkel.

Im Rahmen einer Fallstudie berichten wir über 7 Patienten mit kongenitaler hoher Hüftluxation und 11 Patienten mit Luxationen auf dem Boden spastischer Paresen, mit insgesamt 21 endoprothetischen Versorgungen. Bei 7 Patienten war eine zusätzliche einzeitige Verkürzungsosteotomie erforderlich. Das Alter lag zwischen 14 und 78 Jahren mit einem Durchschnitt von 30,9 Jahren. Bei den spastischen Patienten betrug die Geschlechtsverteilung m : w = 6:5, bei den Patienten mit kongenitaler Luxation m : w = 5 : 2.

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Fragestellung

  1. Welche Forderungen stellen wir an ein Implantat, um bei einer hohen Hüftluxation die Coxa valga et antetorta anatomisch und funktionell adäquat versorgen zu können?

  2. Wie können wir das Pfannenzentrum biomechanisch korrekt rekonstruieren und gleichzeitig einer Ischiadikusparese vorbeugen?

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Indikationen

Bei der kongenitalen Hüftluxation stand als Ziel die schmerzfreie volle Funktionsfähigkeit bei ausgeglichener Beinlängendifferenz im Vordergrund.

Bei spastischen Patienten war die Indikation zur endoprothetischen Versorgung der hohen Hüftluxation in erster Linie inakzeptable Schmerzen. Abhängig vom Schweregrad der ICP variierte unser funktionelles Ziel von einer verbesserten Pflegbarkeit, über die Möglichkeit, stabil zu sitzen, eines Lasttransfers z.B. vom Rollstuhl ins Bett, bis hin zum (Wieder-)Erlangen der Gehfähigkeit.

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Abb. 1a-c: 17-jähriger Patient mit schmerzhafter Resektionshüfte bei spastischer Parese nach Hirnblutung.

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Modulares Implantatsystem S-ROM

Das zementfrei implantierbare modulare Implantatsystem S-ROM lässt sich durch unterschiedliche Stieldurchmesser, abgestufte Längen und bei langen Stielen mit Antecurvation der Komponente optimiert der Schaftform anpassen. Durch den frei rotierbaren metaphysären Sleeve variablen Größe kann dieser der pathologischen Anatomie gerecht zum Calcar femoris ausgerichtet und davon unabhängig die Antetorsion des Implantathalses biomechanisch funktionell eingestellt werden. Halslänge und lateraler Offset des Implantates sind in Grenzen variabel.

Kopfgrößen von 22,5 bis 36 mm ermöglichen Pfannenkomponenten von minimal 36 mm Außendurchmesser und mit zunehmender Kopfgröße eine verbesserte Luxationssicherheit.

Bei den überwiegend sehr jungen Patienten sollte die Implantatversorgung ebenfalls zementfrei erfolgen. Trotz des schlechten Implantatlagers und/oder mangelnder Knochenqualität erlaubt die Pressfit-Pfanne mit der Option einer zusätzlichen Schraubenfixation eine stabile Verankerung. Variable Polyethylen-Inlays vom Standard über asymmetrische Inlays, bis hin zum Constrained-Liner bewirken eine optimierte Luxationssicherheit auch bei spastischen. Keramik-Keramik-Gleitpaarungen lassen bei der Versorgung von jungen Patienten mit kongenitalen Luxationen eine lange Haltbarkeit erwarten.

Vor allem beim spastisch behinderten Patienten ist ein ein- oder zweizeitig durchgeführtes adäquates Weichteilrelease Voraussetzung für die endoprothetische Versorgung

Resultiert bei der präoperativen Planung durch die Rekonstruktion des Pfannenzentrums in der Primärpfanne eine Beinverlängerung von mehr als 3 cm und ist mit einer Dehnung des N. ischiadikus zu rechnen, führen wir einzeitig eine subtrochantäre rotationsstabile Verkürzungsosteotomie durch.

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Abb.2a-b: Modulares S-ROM-Implantat mit variablen Sieldurchmessern und -längen, variabler Größe des frei rotierbaren metaphysären Sleeve, unterschiedlichen Halslängen und lateralem Offset.

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Abb.3a-d: Pressfit-Pfanne mit der Möglichkeit zur Schraubenfixation, Inlays bzw. Gleitpaarungen frei wählbar. a) symmetrisch, b) asymmetrisches Dysplasieinlay, c) Constrained liner, d) Keramik/Keramik-Gleitpaarung.

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Abb.4a-b: Planung, Ergebnis und Skizze einer stufenartige rotationsstabilen Verkürzungsosteotomie des Femur.

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Alle Patienten beschwerdefrei rehabilitiert

Seit Mai 2001 wurden 11 Patienten (2 doppelseitig) mit spastischer, und 7 Patienten (1 beidseits) mit hoher kongenitaler Hüftluxation endoprothetisch versorgt. Bei 7 Patienten erfolgte eine zusätzliche einzeitige Verkürzungsosteotomie.

Alle Patienten mit kongenitaler Luxation konnten beschwerdefrei mit guter Hüftfunktion rehabilitiert werden.

Die spastischen Patienten waren mit Beckenosteotomien, DVO, Angulationsosteotomien, Hüftkopfresektionen und/oder einem Weichteilrelease voroperiert. Ein ein- oder zweizeitiges adäquates Weichteilrelease ist die Vorraussetzung für die endoprothetische Versorgung. Grund für die Operation bei den zum Teil schwerstkranken spastischen Patienten waren inakzeptable Schmerzen oder eine massiv eingeschränkte Pflegemöglichkeit.

Abhängig vom Schweregrad der ICP variierte unser funktionelles Ziel von der Schmerzlinderung, der verbesserten Pflegbarkeit, dem Erreichen einer Sitzfähigkeit, dem Gewichtstransfer, z.B. vom Rollstuhl ins Bett, bis hin zum (Wieder-)Erlangen der Gehfähigkeit. Trotz der anatomischen Rekonstruktion des Pfannenzentrums in die Primärpfanne trat in keinem der Fälle eine Ischiadikusparese und auch bei den spastisch behinderten Patienten keine Hüftluxation auf.

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Abb. 5: 21-jährige Patientin mit ICP, Luxation, Angulationsosteotomie, Materialentfernung, Modularimplantat, Verkürzungsosteotomie von 3 cm.

 
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Dr. Astrid Krückhans

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Abb. 1a-c: 17-jähriger Patient mit schmerzhafter Resektionshüfte bei spastischer Parese nach Hirnblutung.

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Abb.2a-b: Modulares S-ROM-Implantat mit variablen Sieldurchmessern und -längen, variabler Größe des frei rotierbaren metaphysären Sleeve, unterschiedlichen Halslängen und lateralem Offset.

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Abb.3a-d: Pressfit-Pfanne mit der Möglichkeit zur Schraubenfixation, Inlays bzw. Gleitpaarungen frei wählbar. a) symmetrisch, b) asymmetrisches Dysplasieinlay, c) Constrained liner, d) Keramik/Keramik-Gleitpaarung.

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Abb.4a-b: Planung, Ergebnis und Skizze einer stufenartige rotationsstabilen Verkürzungsosteotomie des Femur.

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Abb. 5: 21-jährige Patientin mit ICP, Luxation, Angulationsosteotomie, Materialentfernung, Modularimplantat, Verkürzungsosteotomie von 3 cm.