Aktuelle Dermatologie 2007; 33(1/02): 49-53
DOI: 10.1055/s-2006-945150
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Berufsdermatologie und Arbeitsmedizin: Epoxidharze und Acrylate

9. Dermatologisch-betriebsärztliches Kolloquium. Heidelberg 22. 11. 2006Occupational Dermatology and Occupational Medicine: Epoxy Resins and Acrylates9th Colloquium on Occupational Dermatology and Occupational Medicine. Heidelberg 22. 11. 2006T.  Schadeck1 , M.  Hartmann1 , A.  Enk1
  • 1Hautklinik, Universitätsklinikum Heidelberg
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Prof. Dr. Alexander Enk

Hautklinik

Universitätsklinikum Heidelberg

Voßstraße 2

69115 Heidelberg

Email: Alexander.Enk@med.uni-heidelberg.de

Publication History

Publication Date:
22 February 2007 (online)

Table of Contents #

Einleitung

Am 22. 11. 2006 versammelten sich niedergelassene und klinisch arbeitende Dermatologen und Arbeitsmediziner im Rahmen des 9. Dermatologisch-betriebsärztlichen Kolloquiums zum Thema „Berufsdermatologie und Arbeitsmedizin: Epoxidharze und Acrylate” in Heidelberg.

Ziel des Kolloquiums war es, einen aktuellen Überblick über die Systematik der Allergene und Kreuzallergene im Epoxidharz- und Acrylatsystem zu gewinnen und diese anhand von Kasuistiken und Arbeitsplatzbeispielen, an denen Epoxidharze und Acrylate ein großes sensibilisierendes und allergisierendes Expositionspotenzial haben, zu veranschaulichen.

Zu diesem Zweck war es gelungen, Experten aus den dermatologischen und sozialmedizinischen Kliniken der Universität Heidelberg sowie dem weiteren Bundesgebiet als Referenten zu gewinnen.

Hauterkrankungen spielen unter den Berufserkrankungen eine bedeutende Rolle. So gab es im vergangenen Jahr 9140 Fälle von hautbedingten Berufskrankheiten, wie Herr T. Köhler vom Landesverband Südwestdeutschland der gewerblichen Berufsgenossenschaften in seinem einleitenden Grußwort betonte. Diese Zahl stelle mit 40 % die größte Gruppe aller Berufskrankheiten dar, was man zum Anlass nehme, 2007 und 2008 in Zusammenarbeit von Berufsgenossenschaften, Betriebskrankenkassen, allgemeinen Ortskrankenkassen und gewerblichen Landesverbänden eine Präventionskampagne durchzuführen. Unter dem Motto „Die Haut - die wichtigsten 2 qm Deines Lebens” solle die Gesundheit der Haut stärker ins Bewusstsein der arbeitenden Bevölkerung und der Firmen gebracht werden. Diese Initiative sei die zweite große betriebliche Kampagne nach einer Maßnahme gegen Sturzunfälle in den vergangenen Jahren, die immerhin zu einer Unfallreduzierung von 26 % geführt habe. Insofern sei die Messlatte der Hautkampagne hoch angelegt und es bedürfe zu einer erfolgreichen Durchführung der engagierten Unterstützung durch sämtliche klinisch tätigen und niedergelassenen Haut- und Betriebsärzte.

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Vorträge

Diesem Appell schloss sich Herr PD Dr. med. J. Geier vom Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK) an der Universität Göttingen an, in dem er unter dem Thema „Allergene in Epoxidharzen” einen Überblick über die Epoxidharzsysteme und ihr allergisierendes Potenzial gab. Er stellte dabei auch in Auszügen Ergebnisse der Epox-2002-Studie vor.

Bestandteile von Epoxidharzsystemen sind u. a. die kalthärtenden Harze Bisphenol A (DGEBA) und Bisphenol F (DGEBF), aliphatische, cycloaliphatische und aromatische Aminhärter, aliphatische, cycloliphatische und aromatische Glycidylether und als reaktive Verdünner. Weitere Zusatzstoffe sind je nach Epoxidharz Modifikationsmittel, Pigmente, Zuschläge oder Additive, deren allergisierendes Potenzial allerdings zu vernachlässigen ist. Die Epox-2002-Studie zur Diagnostik von Epoxidharzallergien diente der Ermittlung der am häufigsten eingesetzten Bestandteile von Epoxidharzsystemen, der Zusammenstellung einer vorläufigen Epoxidharz-Testreihe und der parallelen Testung kommerziell erhältlicher Epoxidharz-Testzubereitungen. Sie wurde in 3 Phasen im Zeitraum 2002 - 2005 an insgesamt 217 Patienten in 20 Zentren durchgeführt. 50 % der Patienten kamen aus dem Bauhauptgewerbe, 75 % der Patienten stellten sich mit V. a. eine Epoxidharzallergie vor. Es zeigte sich, dass DGEBA 58 % und DGEBF 46 % der Untersuchten allergisierte. Anders ausgedrückt, von 160 untersuchten Patienten reagierten 69 positiv auf DGEBF, und von diesen wiederum 65 auch positiv auf DGEBA, was Anlass zur Schlussfolgerung gab, dass derjenige Arbeitende, der positiv auf Bisphenol-Epoxidharz A reagiert, im Sinne einer Kreuzreaktion auch den Kontakt mit Bisphenol-F-Epoxidharz meiden sollte. In der Gruppe der reaktiven Verdünner lag die Zahl der positiv reagierenden Untersuchenden je nach Substanz zwischen 5 % und 22 %. Dabei wurde auch auf Substanzen reagiert, die kaum noch oder nicht mehr verwendet werden. Dies erklärte sich aus Kreuzreaktionen der noch verwendeten reaktiven Verdünner 1,6-Hexandioldiglycidether (1,6-HDDGE) und 1,4-Butandiol-diglycidylether (1,4-BDDGE) und der nicht mehr gebräuchlichen Substanzen wie Phenylglycidylether (PGE) und Cresylglycidylether (CGE) ([Abb. 1]). Des Weitern zeigten sich regelhafte Kreuzreaktionen zwischen 1,6-HDDGE und 1,4-BDDFGE, fast keine positiven Reaktionen auf CGE ohne Reaktion auf PGE und keine gehäuften gleichzeitigen Reaktionen auf PGE und p-tert-Butylphenylglycidylether. Schließlich reagierten von 190 Untersuchten 31 positiv auf PGE und von diesen wiederum 29 ebenfalls positiv auf das gebräuchliche DGEBA, so dass auch hier eine klare Kreuzreaktion zu sehen war. In der Gruppe der Aminhärter lag die Zahl der positiv reagierenden Untersuchten je nach Substanz zwischen 2 % und 12 %. Die Liste wurde angeführt von m-Xylendiamin (MXDA), welches erst in der Studie als Testsubstanz eingeführt wurde mit dem Problem der schlechten Lagerfähigkeit. Weiterhin zeigte sich eine mögliche Kreuzreaktivität zwischen Epoxidharzen und Acrylaten, was im zahntechnischen Umfeld eine Rolle spielt. Von 40 positiv auf Bisphenol-A-diglycidylmethacrylat (BIS-GMA) getesteten Untersuchten reagierten 34 auch auf DGEBA positiv. Bei der Epikutantestung mit Bestandteilen von Epoxidharzsystemen ist eine niedrige Testkonzentration und eine geeignete Grundlage zu wählen, um testverfälschende Irritationen der Haut zu vermeiden. So wird in der 4. Auflage „ Kontaktdermatitis ” (Herausgeber P. J. Frosch, T. Menné, J.-P. Lepoittevin) eine Harzkonzentration von 0,25 % und eine Härter-/Verdünnerkonzentration von 0,1-0,3 % in Vaseline, Aceton oder Ethanol empfohlen.

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Abb. 1 Chemische Formeln der praxisrelevanten reaktiven Verdünner.

Frau Dr. med. S. Boms aus der Hautklinik Heidelberg berichtete über die „Berufliche und außerberufliche Relevanz der Allergie auf Epoxidharze” anhand zweier Kasuistiken. Zum einen stellte sie einen 27-jährigen Patienten ohne Atopie-Anamnese vor, der 3 Wochen nach Beginn einer Tätigkeit als Fliesenleger Handekzeme beiderseits entwickelte. Eine gezielte Epikutantestung zeigte 1-fach positive Reaktionen auf 1,6-HDDGE und 1,4-BDDGE und 2-fach positive Reaktionen auf DGEBF und MXDA. Es erfolgte eine Lokalbehandlung mit Basodexan Softcreme® und eine innerbetriebliche Umsetzung, die sicherstellte, dass es zu keinem erneuten Epoxidharzkontakt mehr kam. Infolge dieser Maßnahmen kam es zu einer vollständigen Abheilung der Hautveränderungen.

Zum anderen stellte die Referentin einen 50-jährigen gelernten Maler und Lackierer mit Rhinkonjunktivitis allergica saisonalis vor, der 1981 in einem Labor regelmäßig Stahlträger mit Epoxidharzen beschichtete. Nach 6 Monaten dieser Tätigkeit zeigten sich Ekzeme an beiden Unterarmen und Händen, die erst nach innerbetrieblicher Umsetzung abheilten. 1993 erfolgte eine Austestung, die positiv auf Epoxidharze, 4,4-SDiaminodiphenylmethan (4,4-DDM), CGE und PGE verlief. Daraufhin wurde eine Anerkennung als BK-Nr. 5101 rückwirkend seit 1982 ausgesprochen. Weitere Epikutantestungen im Rahmen von Folgegutachten 2000 uns 2002 bestätigten die positiven Reaktionen und erweiterten das Spektrum noch um p-Phenylendiamin (PPD). Eine aktuelle Austestung der Heidelberger Hautklinik im Rahmen der EPOX 2002-Studie zeigte schließlich 1-fach positive Reaktionen auf N-Aminoethylpip-erazin und 1,4-BDDGE, 2-fach positive Reaktionen auf Trimethylhexan-1,6-diamin, Butylglycidylether, 1,6-HDDGE, p-tert-Butylphenylglycidether und cycloalipathisches Epoxidharz sowie 3-fach positive Reaktionen auf DGEBF und MXDA ([Tab. 1]). Dabei wurde auf eine erneute Austestung von 4,4-DDM, CGE, PPD und PGE verzichtet, um eine aktive iatrogene Sensibilisierung zu verhindern. Der Patient berichtete, dass er Rezidive nach unwissentlichem Epoxidharzkontakt in seiner Freizeit erlitten hatte, nämlich Handekzeme beim Verwenden von Teppichbodenklebern und airborne contact-Dermatitiden nach Fußbodenverlegung und Kontakt mit einer Person, die zuvor epoxidharzhaltige Karnevalsorden gegossen hatte. Die neuerlichen Hautveränderungen wurden lokal mit Steroiden behandelt und kamen zur Abheilung. Beim Patienten der ersten Kasuistik zeigt sich also, dass durch Hautschutzmaßnahmen ein Arbeitsplatzverbleib möglich gewesen wäre, beim Patienten der zweiten Kasuistik, der auf außerberufliche Kontakt mit Rezidiven reagierte, war die berufliche Umsetzung wegen der stärkeren Symptomatik und der deutlich stärkeren, ja sogar aerogenen Sensibilisierungskomponente essenziell. Das Fazit war, dass Epoxidharzallergien i. d. R. beruflich erworben sind, jedoch außerberufliche Folgeprobleme machen können, da sie derart potent sind, dass ein kurzzeitiger Kontakt Sensibilisierungen ermöglicht und es sogar zu aerogenen Kontaktekzemen kommen kann. Die Standardaustestung auf Epoxidharze erfasst Sensibilisierungen gegen Einzelkomponenten nicht vollständig, was zur Fehldeutung irritativer Kontaktekzeme führen kann. Dies wurde in der EPOX-2002-Studie herausgearbeitet.

Tab. 1 Anamnese und Diagnostik der Patienten im Fallbeispiel.
Patient IPatient II
Sensibilisierungswegberuflich
(Fliesenleger)
beruflich
(Stahlträgerbeschichtung mit Epoxidharzen)
EpikutantestEpoxidharz, Bisphenol F-Epoxidharz,
m-Xylidendiamin,
1,4 Butandioldiglycidylether,
1,6 Hexandioldiglycidylether,
p-tert.-Butylphenylglycidylether
Bisphenol F-Epoxidharz, cycloaliphatisches Epoxidharz,
m-Xylidendiamin, Trimethylhexan-1,6-diamin, N-Aminoethylpiperazin, 1,6 Hexandioldiglycidylether, 1,4-Butandioldiglycidylether, p-tert.-Butylphenylglycidylether und Butylglycidylether

Frau Dr. med. A. Schmidt vom Büro für Berufsdermatologie, Begutachtung und Betriebsberatung in Nürnberg erläuterte im weiteren Verlauf anhand von Bildern „Arbeitsplatzbeispiele für Hautgefährdung durch Epoxidharze”. Der Kontakt mit Epoxidharzen und Acrylaten ist vielschichtig und vielfältig:

  • So setzen sich Fliesenleger beim Estrichlegen hohen Konzentrationen von Epoxidharzen in meist abgeschlossenen Feuchträumen aus, die zudem insbesondere in der privaten Bauwirtschaft fast nie durch Absaugungen arbeitschutzgerecht sind.

  • Ebenfalls massiv werden Epoxidharze im Bootsbau verwendet, wo Mitarbeiter oft ungeschützt Fiberglasschichten mit Epoxidharzklebern zusammenführen und weitere Bootsbestandteile mit Acrylaten verkleben, ohne vor direkten Substanzkontakten oder aerogenen Belastungen geschützt zu sein. In einem Beispiel hatten sich in kurzer Zeit annähernd die Hälfte der 50 neuen Mitarbeiter auf Epoxidharze sensibilisiert.

  • Das gleiche Problem ergebe sich in der Möbelbaubranche beim Verkleben von Bauelementen während der industriellen Fertigung. Hier habe aber die betriebsärztliche Intervention zur Installation weitreichender Arbeitsschutzmaßnamen geführt. So habe man in einem Betrieb separate Räume mit Absaugungen geschaffen, in dem Möbelteile verklebt würden, zudem würden durch Papierabdeckungen Arbeitsplatzverunreinigungen gering gehalten.

  • Im Bereich der Metallverklebung würden zunehmend Epoxidharze und Acrylate kombiniert verwendet, hier mit immer neuen Mischungen, so dass eine genaue Austestung die differenzierte Rezeptur der Arbeitsstoffe benötigt, um eine vernünftige Diagnostik gewährleisten zu können.

  • Selbst Branchen wie die Hörgerätefertigung verwenden heutzutage Kombinationen aus Acrylaten und Epoxidharzen.

  • Maler und Lackierer kommen insbesondere bei der Verwendung von wasserdichten Farben im Keller-, Bad- und Außenbereich von Wohnungen und Gebäuden mit Acrylaten und Epoxidharzen in ständigen Kontakt.

  • KfZ-Mechaniker finden Acrylate und Epoxidharze in Lacken, Spachtelmaßen und Lösemitteln.

Epoxidharze sind nicht ersetzbar, da keine gleichwertigen Klebstoffe bekannt sind. Sie finden daher im Gegenteil eine zunehmende Anwendung, so auch bei der Einarbeitung von Schrauben in Metallträgern, die hoher Zugbelastung ausgesetzt werden. Der Kleber besticht hier durch seine Klebepotenz und die Tatsache, dass er zuverlässig und dauerhaft Oxidationsprozesse durch Eindringen von Flüssigkeiten verhindert. Die Referentin hob dabei die überhäufige berufliche Relevanz der Epoxidharze im Vergleich zu den häufigsten allergisierenden Kontaktsubstanzen wie Nickel(II)-Sulfat, Kobalt(II)chlorid oder Duftstoffmixe, Formaldehyd oder Paraben-Mixe hervor ([Abb. 2]). Die positive Reaktion auf Epoxidharze beruflich und klinisch sei fast immer allergisch oder irritativ bedingt.

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Abb. 2 Klinische und berufliche Relevanzen sensibilisierender Substanzen im Vergleich.

Schließlich wies die Referentin anhand des Beispiels der Polierstaubarbeiten darauf hin, dass ein aerogener allergischer Kontakt mit Epoxidharzen nicht möglich ist, wenn sie korrekt gemischt wurden und vollständig ausgehärtet hatten, eine Allergisierung jedoch möglich ist, falls im Gemisch noch Monomere vorhanden sind, die dann beim Polieren aerogen freigesetzt werden können.

Herr F. Kirschner aus der sozialmedizinischen Abteilung der Universitätsklinik Heidelberg trug in einer weiteren Kasuistik ein „Allergisches Kontaktekzem in einem Hautransplanat” vor. Ein 54-jähriger Mann erlitt 1990 bei einem Arbeitsunfall einen Hautdefekt, der vom Tenar bis zum Handrücken der linken Hand reichte und mittels Leistenhauttransplanat gedeckt werden musste. 2005 zeigten sich juckende, rötliche Makulä in den Transplantatecken, im Verlauf kam es zu Schwellung, Vesikuläbildung, Krusten und Rhagaden. Eine vorübergehende Abheilung wurde unter Therapie mit Locacorten-Vioform-Paste und Aureomycin-Salbe sowie durch phasenweise Gabe oraler Antibiosen erzielt. Jedoch blühte die Symptomatik immer wieder auf. Die Diagnostik ergab eine Typ-I-Sensibilisierung gegenüber Gräser- und Roggenpollen, D. pteronyssinus und D. farinae, sowie eine Typ-IV-Reaktion gegenüber allen 4 Thiuramen der DKG Gummi-Reihe, Zinkdiethyldithiocarbamat, Nickel-II-Sulfat und Dibromdicyanobutan. Locarten-Vioform-Paste, weiche Zinkpaste, Creme-PUVA bis zu einer Dosis von 1,5 J/qcm und eine Hautpflege mit Urea 5 % in DAC-Basiscreme führten zur Abheilung der Hautveränderungen des Transplantats. Es handelte sich um ein allergisches Kontaktekzem nach Tragen eines carbamathaltigen Handschuhs bei Typ-IV-Sensibilisierung gegenüber Thiuramen und Zinkdiethyldithiocarbamat. Das Transplanat wurde hierbei als Locus minoris resistentiae und alleiniger Entstehungsort des Ekzems angesehen.

Frau Dr. med. H. Wiedemeyer berichtete im Folgenden über die Kasuistik einer „Rhinokonjunktivitis bei einer Floristin”.

Die heute 37-jährige Floristin entwickelte in den ersten 2 Jahren ihrer Berufstätigkeit Symptome einer Rhinokonjunktivitis und einen Juckreiz an Händen, Armen und der Kopfhaut. Sie band in der Zeit hauptsächlich Kränze, wobei es zu juckenden Ekzemen der Hände kam. Bevor dieser Befund klinisch eingestuft werden konnte, wechselte die Patientin den Arbeitsplatz und war nun hauptsächlich mit Schnittblumen befasst. Die Handsymptome verschwanden, jedoch stellte sich nun eine erneute Rhinokonjunktivitis ein, die selbstständig mit Antihistaminika therapiert wurde. Eine hautfachärztliche Vorstellung bei V. a. auf Typ-I-Sensibilisierung auf Korbblüter (Asterceae) erfolgte, eine Diagnostik wurde aber wegen der Schwangerschaft der Patientin nicht durchgeführt. Stattdessen erfolgte aus privaten Gründen eine längere berufliche Abwesenheit. Der erneute Berufseinstieg war in einem Geschäft für Hydrokulturen. Hier kam es schon nach 6 Monaten zu einer Rhinokonjunktivitis mit Bronchokonstriktionen. Der überwiegende Pflanzenkontakt bestand mit Ficuspflanzen. Die allergologische Austestung in der allergologischen Ambulanz der Hautklinik Heidelberg zeigte dann auch ein erhöhtes spezifisches IgE auf Ficus benjamina (20 kU/l). Das Risiko der Ficus-benjamina-Allergie wird durch eine atopische Diathese erhöht. Das Symptomspektrum ist breit (Rhinokonjunktivitis allergica perennialis, Kontakturtikaria, Quincke-Ödem, Asthma, anaphylaktischer Schock). Die Ficusmilch diffundiert durch die Blätter, tritt an der Blattoberfläche durch Osmose aus, mischt sich mit und akkumuliert in Hausstaub, wird somit zum aerogenen Allergen ([Abb. 3]). Kreuzreaktivitäten mit Latexproteinen (speziell Hevein) und Fruchtenzymen (Chitinasen, Thioproteasen) sind bekannt ([Abb. 4]). Fazit ziehend ist die Atopie eine Prädisposition für die Ficussensibilisierung. Die Ficusallergie ist beruflich relevant und somit sind Atopiker nicht geeignet für den häufigen Kontakt mit Ficuspflanzen. Allgemein gibt es eine hohe Inzidenz von Sensibilisierungen gegenüber Zierpflanzen bei Patienten mit allergischer Rhinitis. Ficus-Extrakt sollte somit in die Prickstandardreihe der Soforttypallergien aufgenommen werden, da insbesondere Ficus benjamina zeigt, dass Zierpflanzen versteckte Allergene sind, die viel zu selten als solche registriert werden.

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Abb. 3 Ficusmilch diffundiert durch die Blätter, tritt an der Blattoberfläche durch Osmose aus, mischt sich mit Hausstaub.

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Abb. 4 Kreuzreaktivität von Latexproteinen und Fruchtenzymen.

Frau Dr. med. E. Weisshaar aus der sozialmedizinischen Abteilung der Universitätsklinik Heidelberg stellte schließlich die Kasuistik einer „Erfolgreichen Etanercepttherapie bei Acrodermatitis continua supportiva Hallopeau” vor. Eine heute 50-jährige Frau stellte sich erstmals 2003 mit seit 1997 bestehenden juckenden Bläschen der Finger und gelben Bläschen der Fersen vor. Sie arbeitete seit 1971 als Zahnarzthelferin, zeigte eine Rhinokonjunktivitis allergica auf Hasel, Erle und Birke, eine Latexsensibilisierung und eine Typ-IV-Sensibilisierung auf Nickel(II)-Sulfat und Kolophonium. Sie benutzte Vinylhandschuhe am Arbeitsplatz, pflegte die Finger und Fersen indifferent. Der Erlanger Atopiescore lag bei 9 Punkten, das Gesamt-IgE bei 249 kU/l, Phadiatop war positiv, eine Mykologie der Handschuppen negativ. Es wurde die Diagnose einer Acrodermatitis continua supportiva Hallopeau gestellt. Die Erkrankung ist selten und zeigt chronische Eruptionen steriler Pusteln mit akraler, den Nagelwall einbeziehender Lokalisation. Es kommt zu Onychodystrophie und Anonychie, ggf. auch zu Gelenkbeteiligung. Die Ätiologie ist unbekannt, infektiöse Fokalherde sollten gesucht werden. Die Behandlung ist schwierig, oft therapiefraktär. Zur Anwendung kommen topische Steroide oder Calcipotriol, systemisch orale Retinoide, Cyclosporin, Dapson, MTX, (Re)-PUVA. Die Patientin wurde zunächst mit Balneo-PUVA und Calcipotriol, schließlich in wechselnden Dosen mit Acitrecin behandelt. Bei Auslassversuchen des Acitrecin kam es fortwährend zu Rezidiven. Seit 02/06 wurde Etanercept in der Therapie ergänzt mit einer Dosis von 25 mg s. c. zweimal wöchentlich, was zu einem bislang anhaltenden Erfolg führte. Etanercept ist ein TNF-alpha-Antagonist, der als Enbrel 2 × 25 mg oder 2 × 50 mg wöchentlich subcutan verabreicht wird. Er wirkt monotherapeutisch bei Psoriasis mit Gelenkbeteiligung, kann aber auch mit Immunsuppressiva und Immunmodulatoren kombiniert werden und ist somit eine Therapiemöglichkeit bei ansonsten therapieresistenter Acrodermatitis continua supportiva Hallopeau.

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Zusammenfassung

Die oben geschilderten Erkenntnisse dokumentierten eindrücklich den hohen Stellwert der Allergisierung durch Epoxidharze und Acrylate in der Berufswelt. Die zunehmende Anwendung und Kombination dieser beruflich hochrelevanten Stoffe macht ihre ausführliche allergologische Diagnostik immer anfordernder. Die Kenntnis der Systematik insbesondere der Epoxidharzsysteme und die Fähigkeit der einzelnen Komponenten der Epoxidharzsysteme zur Kreuzreaktivität ist hierbei von großer Bedeutung. Aber auch der Einblick in Arbeitsplatzsituationen, die einen intensiven Kontakt mit Epoxidharzsystemen und Acrylaten herbeiführen, ist wichtig für das Verständnis des hohen Sensibilisierungspotenzials der Stoffe und der daraus folgenden Notwendigkeit (nicht nur) beruflicher Schutzmaßnahmen.

Das Kolloquium zeigte aber auch eindrückliche Kasuistiken seltener Sensibilisierungen aus nicht epoxidharz- oder acrylatbelasteten Bereichen, die belegen, dass eine intensive Diagnostik seltener aerogener Allergene und Kontaktallergene notwendig sein kann, um therapeutisch erfolgreiche Erkenntnisse zu erzielen.

Prof. Dr. Alexander Enk

Hautklinik

Universitätsklinikum Heidelberg

Voßstraße 2

69115 Heidelberg

Email: Alexander.Enk@med.uni-heidelberg.de

Prof. Dr. Alexander Enk

Hautklinik

Universitätsklinikum Heidelberg

Voßstraße 2

69115 Heidelberg

Email: Alexander.Enk@med.uni-heidelberg.de

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Abb. 1 Chemische Formeln der praxisrelevanten reaktiven Verdünner.

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Abb. 2 Klinische und berufliche Relevanzen sensibilisierender Substanzen im Vergleich.

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Abb. 3 Ficusmilch diffundiert durch die Blätter, tritt an der Blattoberfläche durch Osmose aus, mischt sich mit Hausstaub.

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Abb. 4 Kreuzreaktivität von Latexproteinen und Fruchtenzymen.