Reinhard Schwarz
Nicht erst seit Einführung der so genannten "diagnosis related groups" oder kurz DRGs
hat sich die Krankenhauslandschaft in Deutschland verändert. Häuser, die dem Klischee
der Schwarzwaldklinik nahe kommen, in der der etwas tumbe Verwaltungsleiter nur das
zu tun hatte was der Chefarzt verlangte und im Übrigen seinen Mund hielt, gibt es
schon lange nicht mehr. Im selben Maße jedoch, in dem Betriebswirte und Juristen die
Krankenhäuser "erobert" haben, wuchsen die Spannungen zwischen Klinikärzten und Krankenhausmanagern
- trotz ihres eigentlich gemeinsamen Interesses am Unternehmen "Krankenhaus". Diesem
Thema haben wir ab dieser Ausgabe des klinikarzt eine eigene Rubrik gewidmet, die wir zusammen mit Dr. Reinhard Schwarz, München, gestalten.
Wie sich in einem ersten Gespräch mit Dr. Schwarz herauskristallisiert hat, haben
wir uns dabei viel vorgenommen.
klinkarzt: Die Kliniklandschaft und das Arbeiten in den Kliniken hat sich in den letzten Jahren
umfassend verändert. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Modifikationen?
Dr. R. Schwarz: Die Krankenhausverwaltung war früher eher im Hintergrund tätig, um vor allem auch
die Wünsche der Mediziner zu erfüllen. Inzwischen sind Krankenhäuser sehr komplexe
Einrichtungen, die mehr und mehr Geld kosten - und das steht eben nicht mehr unbegrenzt
zur Verfügung. Ohne ein qualifiziertes Management ist ein Krankenhaus heute nicht
mehr zu führen.
Auch die gesellschaftspolitischen Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass die Krankenhausverwaltung
im Wechselspiel zwischen Organisation und Medizin ein immer stärkeres Gewicht bekommt.
Denn der 'mündige Patient' artikuliert nicht nur seine Ansprüche, sondern will auch
Erklärungen haben und kritisiert zu Recht Mängel und Fehler. Insofern hat sich unser
Fokus und unser Herangehen an die Themen medizinische und pflegerische Versorgung
oder auch Krankenhausorganisation verändert.
klinikarzt: Wie wirken sich diese Modifikationen im klinischen Alltag bei der täglichen medizinischen
Versorgung der Patienten aus?
Schwarz: Man muss ganz nüchtern feststellen: Die Verfahren sind - angefangen bei der Dokumentation
über die Verwaltungsaufgaben bis hin zu der Aufnahme der Patienten in die Klinik -
komplizierter und vor allem aufwändiger geworden. Ich denke, die Ärzte klagen mit
Recht über eine enorme Belastung aufgrund neuer Verwaltungsaufgaben, die nichts mit
ihrem ursprünglichen ärztlichen Auftrag zu tun haben.
Auch die Verwaltung ist komplexer geworden. Lassen Sie mich nur zwei Beispiele nennen:
Der Krankenhausmanager hat heute dafür zu sorgen, dass das Krankenhaus wettbewerbsfähig
bleibt - und zwar mit all seinen medizinischen und pflegerischen Leistungen sowie
mit seinem Ambiente und vielem mehr. Er hat zudem mit komplizierten Vergütungsstrukturen
und hohen Personalkosten zu kämpfen. Das sind vielschichtigere und schwierigere Aufgaben
als zu den Zeiten des Kostendeckungsprinzips, wo bezahlt wurde, was an Kosten anfiel.
klinikarzt: In diesem Spannungsfeld sind Missstimmungen nur schwer zu vermeiden. Gibt es dabei
unlösbare Konflikte?
Schwarz: Natürlich bestehen im Krankenhaus - wie übrigens in jedem anderen Unternehmen - durchaus
Interessenskonflikte. Der Klinikarzt sieht sein erstes Ziel in der optimalen medizinischen
Versorgung, er wird alles andere immer als nachrangig betrachten. Das ist auch verständlich.
Als Krankenhausmanager halte ich es jedoch für unverzichtbar, dass sich jeder Arzt
in der Klinik auch mit der wirtschaftlichen Lage seines Hauses befasst.
Denn die Grundvoraussetzung für ein gedeihliches Miteinander zwischen Medizin und
Management und damit auch für eine positive Entwicklung eines Krankenhauses ist, dass
patientennahe und patientenferne Kräfte voneinander wissen, sich austauschen und gemeinsam
eine Schnittmenge ihrer Interessen generieren.
klinikarzt: Kommunikation ist also das A und O. Woran scheitert diese aber im klinischen Alltag?
Schwarz: Das größte Hemmnis ist sicherlich die Zeit. Doch diese müssen sich gerade leitende
Klinikärzte auch für den Dialog mit dem Klinikmanagement nehmen. Nur wenn es der Klinik
gut geht, geht es auch dem Arzt gut. Macht das Krankenhaus ständig Verluste, wird
es bald niemanden mehr geben, der sie ausgleicht. Die gesundheitspolitisch häufig
gestellte Forderung nach mehr Geld ist utopisch - es wird zukünftig eher weniger Geld
zur Verfügung stehen.
klinikarzt: Welche zukunftsträchtigen Strukturen sehen Sie in diesem Zusammenhang?
Schwarz: Die Zukunft einer prosperierenden Klinik liegt eindeutig in der Vernetzung, also
in dem Miteinander von derzeit dem ambulanten Bereich zugeordneten Tätigkeiten und
teilstationären sowie vollstationären Behandlungen.
Ich sage nochmals: Den Ärzten im Krankenhaus geht es gut, wenn es dem Krankenhaus
gut geht. Den Ärzten und dem Krankenhaus geht es auch nur gut, wenn die Kommunikation
und die Verbindung zu den niedergelassenen Ärzten stimmt. Und allen geht es gut, wenn
eine exzellente Behandlungsqualität geboten wird, was auch als Marketinginstrument
immer stärker an Bedeutung gewinnen wird.
klinikarzt: En vogue ist derzeit die Privatisierung der Kliniken. Ist dies die Lösung aller Probleme?
Schwarz: Nein, eine Patentlösung ist die Privatisierung nicht. Aber privatwirtschaftliches
Management bringt oft neue Ideen, mehr Effizienz und Schnelligkeit, mehr Veränderungsmanagement
und Innovation, weil natürlich die Konkurrenz das Geschäft belebt.
klinikarzt: Das klingt jetzt ein bisschen so, als ob die öffentlich-rechtliche Struktur ein Auslaufmodell
wäre.
Schwarz: Überhaupt nicht! Es gibt exzellent geführte Krankenhäuser in öffentlich-rechtlichen
Strukturen, nur sind es nach meiner Beobachtung leider nicht viele. Die Rahmenbedingungen
nach denen dort in der Regel gehandelt werden kann, sind allerdings oft ungünstiger
als in anders gemanagten Häusern, wie eben privatisierten oder auch frei-gemeinnützigen
Kliniken.
Gerade Letztere haben schon seit Jahrzehnten eine gute Führungsstruktur. Sie haben
- was ich für besonders wichtig halte - seit langem einen Endverantwortlichen im Krankenhaus,
der divergierende Interessen moderiert, aber gegebenenfalls auch entscheidet.
klinikarzt: Viele sehen in der Privatisierung der Kliniken auch große Gefahren. Dabei schwingt
immer die Angst mit, ob dann auch der teuere Patient, zum Beispiel mit einer Sepsis
oder einem Polytrauma, ausreichend versorgt ist. Ist diese Sorge begründet?
Schwarz: Ein Problem gerade beim Polytrauma ist, dass es oft schwer ist, kurzfristig Kapazitäten
im OP oder der Intensivstation bereitzustellen. Dann muss man sich fragen, ob die
Versorgungsstrukturen stimmen. Dass ein solcher Patient aus Kostengründen nicht aufgenommen
wird, darf nicht passieren, das wäre unethisch. Dies ist jedoch eher eine gesundheitspolitische
Frage. Wenn aufwändige medizinische Leistungen angemessen vergütet werden, gibt es
erst recht keinen Grund, einen Patienten abzuweisen. Es ist aber Sache der Gesundheitspolitik,
dafür zu sorgen, dass sich auch ein chronisch Kranker 'rechnet'.
klinikarzt: Das Problem der Kosten zieht noch weitere Kreise: Die Krankenhausverweildauern sinken
stetig, Wiedereinweisungen dagegen werden häufiger. Im Raum stehen dabei höhere Komplikationsraten
aufgrund der kürzeren Liegezeiten, aber auch die Tatsache, dass ein Hausarzt die Patienten
zurück überweist, weil er die Kosten der Behandlung aufgrund der Budgetierung nicht
bezahlen kann.
Schwarz: Dieser Vorwurf betrifft wieder die Sektorengrenzen, meiner Meinung nach Kostentreiber
Nummer eins der Vergangenheit. Ich will nicht die Verantwortung abschieben. Ob Ärzte
oder Krankenhausmanager - Krankenhäuser bewegen sich in einem gesundheitspolitischen
Umfeld, dessen Rahmenbedingungen wir nicht ändern können.
Meiner Meinung nach muss die Vergütung unabhängig von der Versorgungsstufe sein, solange
die Qualität der Behandlung gewahrt bleibt. In einigen Fachgebieten wie zum Beispiel
der Orthopädie gibt es schon erste Konzepte. Aber es bleibt natürlich noch viel zu
tun - in den Kliniken und in der Gesundheitspolitik.
Herr Dr. Schwarz, wir bedanken uns für dieses Gespräch!