Der Klinikarzt 2006; 35(5): XVIII-XIX
DOI: 10.1055/s-2006-941667
Medizin & Management

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Unternehmen "Krankenhaus" - Klinikärzte und Krankenhausmanager - Keine Wesen vom anderen Stern

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Publication Date:
29 May 2006 (online)

 
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Reinhard Schwarz

Nicht erst seit Einführung der so genannten "diagnosis related groups" oder kurz DRGs hat sich die Krankenhauslandschaft in Deutschland verändert. Häuser, die dem Klischee der Schwarzwaldklinik nahe kommen, in der der etwas tumbe Verwaltungsleiter nur das zu tun hatte was der Chefarzt verlangte und im Übrigen seinen Mund hielt, gibt es schon lange nicht mehr. Im selben Maße jedoch, in dem Betriebswirte und Juristen die Krankenhäuser "erobert" haben, wuchsen die Spannungen zwischen Klinikärzten und Krankenhausmanagern - trotz ihres eigentlich gemeinsamen Interesses am Unternehmen "Krankenhaus". Diesem Thema haben wir ab dieser Ausgabe des klinikarzt eine eigene Rubrik gewidmet, die wir zusammen mit Dr. Reinhard Schwarz, München, gestalten. Wie sich in einem ersten Gespräch mit Dr. Schwarz herauskristallisiert hat, haben wir uns dabei viel vorgenommen.

klinkarzt: Die Kliniklandschaft und das Arbeiten in den Kliniken hat sich in den letzten Jahren umfassend verändert. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Modifikationen?

Dr. R. Schwarz: Die Krankenhausverwaltung war früher eher im Hintergrund tätig, um vor allem auch die Wünsche der Mediziner zu erfüllen. Inzwischen sind Krankenhäuser sehr komplexe Einrichtungen, die mehr und mehr Geld kosten - und das steht eben nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung. Ohne ein qualifiziertes Management ist ein Krankenhaus heute nicht mehr zu führen.

Auch die gesellschaftspolitischen Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass die Krankenhausverwaltung im Wechselspiel zwischen Organisation und Medizin ein immer stärkeres Gewicht bekommt. Denn der 'mündige Patient' artikuliert nicht nur seine Ansprüche, sondern will auch Erklärungen haben und kritisiert zu Recht Mängel und Fehler. Insofern hat sich unser Fokus und unser Herangehen an die Themen medizinische und pflegerische Versorgung oder auch Krankenhausorganisation verändert.

klinikarzt: Wie wirken sich diese Modifikationen im klinischen Alltag bei der täglichen medizinischen Versorgung der Patienten aus?

Schwarz: Man muss ganz nüchtern feststellen: Die Verfahren sind - angefangen bei der Dokumentation über die Verwaltungsaufgaben bis hin zu der Aufnahme der Patienten in die Klinik - komplizierter und vor allem aufwändiger geworden. Ich denke, die Ärzte klagen mit Recht über eine enorme Belastung aufgrund neuer Verwaltungsaufgaben, die nichts mit ihrem ursprünglichen ärztlichen Auftrag zu tun haben.

Auch die Verwaltung ist komplexer geworden. Lassen Sie mich nur zwei Beispiele nennen: Der Krankenhausmanager hat heute dafür zu sorgen, dass das Krankenhaus wettbewerbsfähig bleibt - und zwar mit all seinen medizinischen und pflegerischen Leistungen sowie mit seinem Ambiente und vielem mehr. Er hat zudem mit komplizierten Vergütungsstrukturen und hohen Personalkosten zu kämpfen. Das sind vielschichtigere und schwierigere Aufgaben als zu den Zeiten des Kostendeckungsprinzips, wo bezahlt wurde, was an Kosten anfiel.

klinikarzt: In diesem Spannungsfeld sind Missstimmungen nur schwer zu vermeiden. Gibt es dabei unlösbare Konflikte?

Schwarz: Natürlich bestehen im Krankenhaus - wie übrigens in jedem anderen Unternehmen - durchaus Interessenskonflikte. Der Klinikarzt sieht sein erstes Ziel in der optimalen medizinischen Versorgung, er wird alles andere immer als nachrangig betrachten. Das ist auch verständlich. Als Krankenhausmanager halte ich es jedoch für unverzichtbar, dass sich jeder Arzt in der Klinik auch mit der wirtschaftlichen Lage seines Hauses befasst.

Denn die Grundvoraussetzung für ein gedeihliches Miteinander zwischen Medizin und Management und damit auch für eine positive Entwicklung eines Krankenhauses ist, dass patientennahe und patientenferne Kräfte voneinander wissen, sich austauschen und gemeinsam eine Schnittmenge ihrer Interessen generieren.

klinikarzt: Kommunikation ist also das A und O. Woran scheitert diese aber im klinischen Alltag?

Schwarz: Das größte Hemmnis ist sicherlich die Zeit. Doch diese müssen sich gerade leitende Klinikärzte auch für den Dialog mit dem Klinikmanagement nehmen. Nur wenn es der Klinik gut geht, geht es auch dem Arzt gut. Macht das Krankenhaus ständig Verluste, wird es bald niemanden mehr geben, der sie ausgleicht. Die gesundheitspolitisch häufig gestellte Forderung nach mehr Geld ist utopisch - es wird zukünftig eher weniger Geld zur Verfügung stehen.

klinikarzt: Welche zukunftsträchtigen Strukturen sehen Sie in diesem Zusammenhang?

Schwarz: Die Zukunft einer prosperierenden Klinik liegt eindeutig in der Vernetzung, also in dem Miteinander von derzeit dem ambulanten Bereich zugeordneten Tätigkeiten und teilstationären sowie vollstationären Behandlungen.

Ich sage nochmals: Den Ärzten im Krankenhaus geht es gut, wenn es dem Krankenhaus gut geht. Den Ärzten und dem Krankenhaus geht es auch nur gut, wenn die Kommunikation und die Verbindung zu den niedergelassenen Ärzten stimmt. Und allen geht es gut, wenn eine exzellente Behandlungsqualität geboten wird, was auch als Marketinginstrument immer stärker an Bedeutung gewinnen wird.

klinikarzt: En vogue ist derzeit die Privatisierung der Kliniken. Ist dies die Lösung aller Probleme?

Schwarz: Nein, eine Patentlösung ist die Privatisierung nicht. Aber privatwirtschaftliches Management bringt oft neue Ideen, mehr Effizienz und Schnelligkeit, mehr Veränderungsmanagement und Innovation, weil natürlich die Konkurrenz das Geschäft belebt.

klinikarzt: Das klingt jetzt ein bisschen so, als ob die öffentlich-rechtliche Struktur ein Auslaufmodell wäre.

Schwarz: Überhaupt nicht! Es gibt exzellent geführte Krankenhäuser in öffentlich-rechtlichen Strukturen, nur sind es nach meiner Beobachtung leider nicht viele. Die Rahmenbedingungen nach denen dort in der Regel gehandelt werden kann, sind allerdings oft ungünstiger als in anders gemanagten Häusern, wie eben privatisierten oder auch frei-gemeinnützigen Kliniken.

Gerade Letztere haben schon seit Jahrzehnten eine gute Führungsstruktur. Sie haben - was ich für besonders wichtig halte - seit langem einen Endverantwortlichen im Krankenhaus, der divergierende Interessen moderiert, aber gegebenenfalls auch entscheidet.

klinikarzt: Viele sehen in der Privatisierung der Kliniken auch große Gefahren. Dabei schwingt immer die Angst mit, ob dann auch der teuere Patient, zum Beispiel mit einer Sepsis oder einem Polytrauma, ausreichend versorgt ist. Ist diese Sorge begründet?

Schwarz: Ein Problem gerade beim Polytrauma ist, dass es oft schwer ist, kurzfristig Kapazitäten im OP oder der Intensivstation bereitzustellen. Dann muss man sich fragen, ob die Versorgungsstrukturen stimmen. Dass ein solcher Patient aus Kostengründen nicht aufgenommen wird, darf nicht passieren, das wäre unethisch. Dies ist jedoch eher eine gesundheitspolitische Frage. Wenn aufwändige medizinische Leistungen angemessen vergütet werden, gibt es erst recht keinen Grund, einen Patienten abzuweisen. Es ist aber Sache der Gesundheitspolitik, dafür zu sorgen, dass sich auch ein chronisch Kranker 'rechnet'.

klinikarzt: Das Problem der Kosten zieht noch weitere Kreise: Die Krankenhausverweildauern sinken stetig, Wiedereinweisungen dagegen werden häufiger. Im Raum stehen dabei höhere Komplikationsraten aufgrund der kürzeren Liegezeiten, aber auch die Tatsache, dass ein Hausarzt die Patienten zurück überweist, weil er die Kosten der Behandlung aufgrund der Budgetierung nicht bezahlen kann.

Schwarz: Dieser Vorwurf betrifft wieder die Sektorengrenzen, meiner Meinung nach Kostentreiber Nummer eins der Vergangenheit. Ich will nicht die Verantwortung abschieben. Ob Ärzte oder Krankenhausmanager - Krankenhäuser bewegen sich in einem gesundheitspolitischen Umfeld, dessen Rahmenbedingungen wir nicht ändern können.

Meiner Meinung nach muss die Vergütung unabhängig von der Versorgungsstufe sein, solange die Qualität der Behandlung gewahrt bleibt. In einigen Fachgebieten wie zum Beispiel der Orthopädie gibt es schon erste Konzepte. Aber es bleibt natürlich noch viel zu tun - in den Kliniken und in der Gesundheitspolitik.

Herr Dr. Schwarz, wir bedanken uns für dieses Gespräch!

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Die neue Rubrik "Medizin und Management" - Wer und was steckt dahinter?

Oft sind es scheinbar konträre Interessen, die die Zusammenarbeit zwischen Klinikarzt und Krankenhausmanager erschweren. Doch so unterschiedlich sind die Interessen nicht, denn nur gemeinsam lässt sich ein prosperierendes "Unternehmen Krankenhaus" gestalten. Mit unserer neuen Rubrik "Medizin und Management" wollen wir dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis zwischen den beiden Berufsgruppen zu fördern. Denn nur wenn Motivation und Argumentation der "Gegenseite" verstanden sind, lässt es sich gemeinsam an Lösungen arbeiten. Wir sind daher froh, Dipl.-Kaufm. Dr. Schwarz, den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Sana Klinikengesellschaft, München, gewonnen zu haben, diese neue Rubrik des klinikarzt mitzugestalten.

Dr. Reinhard Schwarz kennt nicht nur die Situation an privatwirtschaftlich geführten Kliniken genau, zwischen 1980 und 1990 war er zehn Jahre als Verwaltungsdirektor am Universitätsklinikum Frankfurt tätig und hat danach auch Erfahrungen in einem kirchlich geführten Haus - dem Evangelischen Krankenhaus Bethesda in Mönchengladbach - gesammelt. Seit rund 15 Jahren ist Dr. Schwarz im Sana-Konzern beschäftigt: Als Krankenhausdirektor des Katharinenhospitals Stuttgart hat er zunächst einen Managementvertrag zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und der Sana Kliniken GmbH realisiert, in dem privatwirtschaftliches Management mit den Strukturen des öffentlichen Dienstes verknüpft wurden.

Inzwischen ist Dr. Schwarz ausschließlich im Management des Sana-Verbundes tätig und besucht im Rahmen seiner Tätigkeit regelmäßig die verschiedenen Sana-Kliniken in ganz Deutschland. Dies ist ihm wichtig, denn "wenn man einen Krankenhauskonzern führt, muss man auch wissen, was in den Krankenhäusern vor Ort passiert!" Wir sind uns sicher, mit Herrn Dr. Schwarz einen kompetenten Mitstreiter für die neue klinikarzt-Serie "Medizin und Management" an der Seite zu haben, der Probleme, vielleicht auch Sorgen und Belastungen im Klinikalltag, aber auch positive Entwicklungen in den Krankenhäusern von jetzt an jeden Monat aufs Neue kommentieren wird.

 
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Reinhard Schwarz