ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2006; 115(5): 226
DOI: 10.1055/s-2006-941637
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Interview mit Dr. Matthias Roggendorf, Erlangen - Keine Alternative zu Guttapercha nötig

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Publication Date:
14 June 2006 (online)

 
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    Dr. Matthias J. Roggendorf

    Der Stellenwert der Endodontologie in der konservierenden Zahnheilkunde wächst kontinuierlich. Diagnose und Therapie profitieren dabei auch von neuen Techniken und Methoden. Ca. 50 Mio. Euro werden jährlich für Instrumente, Papierspitzen, Points und Sealer ausgegeben, fast 14 Mio. Euro für Wurzelkanalfüllmittel. Neben der Aufbereitung, der Reinigung und einer Desinfektion steht der dauerhafte Verschluss des Wurzelkanals im Zentrum der Behandlung - es gilt, eine bakterielle Reinfektion zu vermeiden.

    Als Hinleitung auf den Themenschwerpunkt Endodontologie in der nächsten Ausgabe der ZWR (Juni 2006) dient dieses Interview mit Dr. Matthias J. Roggendorf, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen.

    ? Wenn Guttaperchapulver - wie bei GuttaFlow - im Sealer enthalten ist, kann man sich den Guttaperchapoint dann sparen?

    Untersuchungen in unserer Klinik haben gezeigt, dass das Produkt GuttaFlow, welches Guttaperchafüller enthält, gewissermaßen als kalte Flüssigguttapercha angesehen werden kann. Die Kombination mit einem additionsvernetzenden Silikon besitzt Materialeigenschaften, die eine gute Abdichtung, auch langfristig, ermöglichen und zudem auch unabhängig vom Millieu, also von Feuchtigkeit oder dem pH-Wert, eine zuverlässige Abdichtung gestatten.

    ? Dann ist also theoretisch kein Stift notwendig?

    Der Einsatz dieses Produktes ohne Stift ist nach unseren Untersuchungen von der initialen Dichtigkeit zwar durchaus mit anderen Techniken vergleichbar, allerdings wird durch das Nachschieben eine Guttaperchastiftes die Dichtigkeit noch etwas verbessert und eine bessere Kondensation der Wurzelkanalfüllung nach apikal erreicht, da eine reine Pastenfüllung bei vertikalem Druck natürlich entweicht. Die Verwendung eines Guttaperchastiftes ist daher zu empfehlen.

    ? Ist der Ersatz für Guttapercha in Sicht?

    Nein, ich glaube auch nicht, dass er von den Zahnärzten gewünscht wird. Das gilt auch für eine Entwicklung aus den USA. Dort gibt es ein neues Polymer auf Polyesterbasis mit bioaktivem Glas, das beim Sealer und den Stiften eingesetzt wird. Es soll so ein besserer Verbund zwischen diesen beiden Elementen geschaffen werden. Unser Problem ist aber nicht dieser Verbund, sondern die Verbindung/ Dichtigkeit zur Kanalwand. Und hier hat das System eine Schwäche: Man braucht einen Primer. Das bedeutet einen zusätzlichen Arbeitsschritt, und die Anwendung eines Primers in einem Wurzelkanal ist auch so eine Sache.

    Ich sehe aktuell noch keine Alternative für die klassische Sealer-Guttapercha-Obturationstechnik. Derzeit ist Guttapercha sicher der Goldstandard für die Wurzelkanalfüllung. Zudem bieten die Materialeigenschaften eine hervorragende Eignung sowohl für die Kalt- als auch für die Heißfülltechniken.

    ? Welche Bedeutung haben Kaltfülltechnik und Warmfülltechnik?

    Kaltfülltechniken sind in Deutschland sicher am weitesten verbreitet, da sie in den deutschen Universitätszahnkliniken gelehrt werden. Allerdings werden in einigen Kliniken auch in den studentischen Ausbildungskursen bereits Warmfülltechniken gelehrt und eingesetzt. In den meisten deutschen Zahnarztpraxen wird mittels verschiedener Kaltfülltechniken die Obturation von Wurzelkanälen vorgenommen.

    ? Auf welche Studien/Studiendesigns sollten Zahnärzte achten, wenn sie sich über Wurzelkanalmaterialien informieren?

    Ohne Frage werden die meisten Wurzelkanalfüllmaterialien zunächst in vitro untersucht. Damit lassen sich die Eigenschaften von Wurzelkanalfüllmaterialien zunächst einmal gut beurteilen und miteinander vergleichen. Ferner müssen sich die Materialien allerdings auch klinisch bewähren. Es gibt zahlreiche Studien, die sich hinsichtlich ihrer Ergebnisse entsprechen. Allerdings gibt es auch konträre Studienergebnisse. Nun ist es für den Zahnarzt nicht einfach, dann zu unterscheiden, welcher Studie er nun Glauben schenken soll. Zudem existieren zu neuen Materialien oft kaum oder keine Publikationen. Meist ist es aber ratsam, beim Hersteller oder Vertrieb nach Studien zu dem entsprechenden Produkt zu fragen. Auch eine Nachfrage bei der Universitätsklinik, an der die Studie durchgeführt wurde, ist möglich.

    Das Interview führte Dr. med. dent. Andreas Bachmann

     
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