Pneumologie 2006; 60(5): 273
DOI: 10.1055/s-2006-941630
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Atopische Erkrankungen - West-Ost-Diskrepanz bei Allergien steigt weiter an

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Publication Date:
15 May 2006 (online)

 
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Der Unterschied in der Häufigkeit allergischer Erkrankungen in West- und Ostdeutschland hat sich nach der Wiedervereinigung rasant ausgeglichen. Ganz anders in den immer noch sehr verschiedenen Lebenswelten Kareliens, einer Region in Nordeuropa. Zwischen dem finnischen und russischen Teil scheinen die Unterschiede in der Häufigkeit atopischer Erkrankungen weiter zuzunehmen.

Das stellten finnische Wissenschaftler um Leena von Hertzen in einer Studie fest, die 2 Generationen untersuchte: Schulkinder und ihre Mütter in 2 geografisch vergleichbaren Regionen im Osten von Finnland und Westen von Russland (J Allergy Clin Immunol 2006; 117: 151-157). Während der finnische Teil Kareliens eine typisch westliche Entwicklung zeigt, hat sich die russische Republik Karelien seit den neunziger Jahren kaum weiterentwickelt, die Lebensbedingungen entwickeln sich dort eher schlechter.

Für die Studie wurden randomisiert 367 Schulkinder im Alter von 7 bis 12 Jahren in Finnland und 437 gleichaltrige Schüler in Russland jeweils mit ihren Müttern ausgewählt. Die Erfassung von Asthma und atopischen Erkrankungen erfolgte mit Hilfe des International Study of Asthma and Allergies in Childhood (ISAAC)- Fragebogens. Außerdem wurden Hautpricktests auf 14 häufige Inhalations- und Nahrungsmittelallergene durchgeführt. Als Atopie wurde gewertet, wenn der Pricktest für mindestens ein Allergen ein positives Ergebnis zeigte.

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Fast jedes zweite finnische Kind sensibilisiert

Kinder aus Finnland zeigten 4-mal häufiger eine Atopie als Kinder aus dem russischen Vergleichsgebiet. Dabei war der Unterschied bei einzelnen Allergenen, z.B. Birkenpollen, noch sehr viel größer. Insgesamt zeigten 42,8% der kleinen Finnen, aber nur 15,7% der russischen Kinder einen positiven Pricktest gegen mindestens ein Allergen. Finnische Schulkinder waren auch häufiger von einer Atopie betroffen als ihre Mütter. Im Gegensatz dazu waren Kinder in Russland seltener sensibilisiert als ihre Mütter, der Unterschied zwischen den Ländern scheint also größer zu werden. Waren die Mütter im ersten Lebensjahr auf einem Bauernhof aufgewachsen, waren sie in beiden Ländern seltener von einer Atopie betroffen. Dasselbe galt zwischen Schulkindern in Finnland je nachdem, ob sie als Baby in einer bäuerlichen Umgebung gelebt hatten oder nicht. Auch die Haltung von Haustieren in jungen Jahren schien einen protektiven Effekt gegen die Entwicklung einer atopischen Erkrankung zu haben, signifikant für Hunde in Finnland und Katzen in Russland. Dagegen konnte für andere Faktoren wie Anzahl der Geschwister, Impfungen, Betreuung in Kindertagesstätten, Infektionen oder Passivrauchen keine Assoziation zur Entwicklung einer Atopie festgestellt werden.

Heuschnupfen trat bei finnischen Schulkindern 14-mal so häufig auf wie bei russischen. Finnische Mütter waren von einer allergischen Rhinokonjunktivitis 8,5-mal so häufig betroffen wie Russinnen. Ein atopisches Ekzem war in Finnland gegenüber Russland 5-mal häufiger bei den Kindern und 3,8-mal häufiger bei den Müttern. Nur beim Asthma lagen die Mütter vor den Kindern: Hier waren 5,5-mal mehr Kinder in Finnland als in Russland betroffen und 7-mal mehr Mütter. Wheezing war das einzige Symptom, das bei finnischen und russischen Kindern etwa gleich häufig zu beobachten war - allerdings war es bei russischen Kindern meist nicht mit einer Atopie assoziiert.

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Die Allergieneigung scheint weiter mit jeder Generation zuzunehmen - zumindest bei einem westlichen Lebensstil

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Fazit

Sensibilisierungen gegen häufige Allergene, insbesondere Aeroallergene, und atopische Erkrankungen sind in Finnland um ein Vielfaches häufiger als in Russland. Dieser Unterschied scheint sich von der Eltern- zur Kindergeneration noch einmal zu verstärken. Einige typische Faktoren der Hygienehypothese werden durch die Untersuchung bestätigt, z.B. der protektive Effekt einer Kindheit auf dem Bauernhof, andere aber auch nicht, z.B. Kindertagesbetreuung, Zahl der Geschwister, Impfungen oder durchgemachte Infektionen.

Friederike Klein, München

 
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Die Allergieneigung scheint weiter mit jeder Generation zuzunehmen - zumindest bei einem westlichen Lebensstil