Deutsche Heilpraktiker-Zeitschrift 2006; 1(1/02): 65-67
DOI: 10.1055/s-2006-939986
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Heilpraktiker sein
© Sonntag Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Brennen ohne auszubrennen

Renate Droste
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Publication Date:
28 November 2006 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Burnout ist ein Phänomen, das Heilpraktiker häufig bei ihren Patienten angesichts von Unwohlsein und Krankheit diagnostizieren. Doch oft genug sind Sie selber davon betroffen. Auch ein erfahrener Heilpraktiker erlebt diese Schattenseiten seines Berufes und kann sich nicht völlig von den Forderungen, den Nöten und den Problemen seiner Patienten frei machen. Kommen dann möglicherweise noch private Belastungen dazu, kann dies leicht zu einer Überforderung führen. Erfahren Sie mehr über die ersten Anzeichen eines Burnout Syndroms und wie Sie dieses vermeiden.

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Renate Droste

Arbeitskreisleiterin Psychotherapie des BDH

Maximilianstr. 56D-48147 Münster

Renate Droste hat Psychologie studiert und ist Heilpraktikerin. Sie ist in Verhaltens-, Gesprächs- und mehreren Körpertherapien ausgebildet. Darüber hinaus ist sie in Akupunktur und Homöopathie fortgebildet und wendet viele andere Therapieverfahren an.

Email: kontakt@renatedroste.de

Burnout ist ein Phänomen, das Heilpraktiker häufig bei ihren Patienten angesichts von Unwohlsein und Krankheit diagnostizieren. Doch was, wenn die Kraftreserven des Therapeuten plötzlich aufgebraucht sind und er selbst auszubrennen droht?

Hedwig war eine sehr engagierte Heilpraktikerin. Ihr Handy konnte jederzeit läuten: eine Krisensitzung, ein Anfall schwerer Ängste einer ihrer Patienten mitten in der Nacht. „Ein Teil der Patienten ist bei mir immer präsent gewesen”, sagt Hedwig. Sie verlor die Distanz zu ihnen und hatte keine Lust mehr nach draußen oder mit Freunden ins Theater zu gehen. Die ständige Beschäftigung mit den Patienten stellte für sie eine immer größere Belastung dar. Sie ließ sich - für ihre Umgebung völlig unvermittelt - mit einer Psychose in eine psychiatrische Klinik einweisen. Als sie nach zwei Jahren entlassen wurde, tauchte sie unter.

In jedem von uns liegt die Kraft, lohnende und erfüllende Arbeit für sich selbst zu erschaffen, und wir besitzen die Energie und die Ressourcen, die wir dazu brauchen.Nick Williams

Dies ist ein extremes Beispiel. Doch die scheinbare Harmonie in unseren Praxen, die durch ein behagliches Ambiente, respektvolles Miteinander und starkes Engagement für unsere Patienten gekennzeichnet ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass unser Beruf auch sehr anstrengend ist und viel von uns fordert. Oft reiben wir uns für unsere Patienten auf, können irgendwann keine emotionalen Grenzen mehr zwischen Beruf und Privatleben ziehen und ignorieren eigene Bedürfnisse.

Wir sind Hüter von Geheimnissen. Tag für Tag vertrauen uns Patienten oft nie zuvor geteilte Geheimnisse an. Diese Geheimnisse erlauben einen Blick hinter die Kulissen, auf die menschliche Natur, ohne Verstellungen. Manche Geheimnisse schmerzen sehr und nur in der Geborgenheit zu Hause lassen sich diese Gefühle verarbeiten. Andere Geheimnisse wecken eigene längst vergessene Erinnerungen. Wieder andere machen traurig, weil ein ganzes Leben unnötig durch Scham oder die Unfähigkeit, sich zu verzeihen, zerstört wird. All dies muss der Therapeut verkraften.

Auch ein erfahrener Heilpraktiker erlebt diese Schattenseiten seines Berufes und kann sich nicht völlig von den Forderungen, den Nöten und den Problemen seiner Patienten frei machen. Kommen dann möglicherweise noch private Belastungen dazu, kann dies leicht zu einer Überforderung führen. Denn jedes einschneidende Ereignis in unserem Leben - Beziehungskrisen, die

Geburt von Kindern, der Verlust nahe stehender Menschen, Krankheiten - können die Belastungen bei der Arbeit drastisch steigern.

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Freunde und Familie - immer an erster Stelle!

Im Kontext dieser Praxisanforderungen vernachlässigen wir Therapeuten häufig persönliche Beziehungen. Unsere Arbeit wird zu unserem Leben. Am Ende eines Tages, wenn wir so viel von uns gegeben haben, ist unser Verlangen nach weiteren zwischenmenschlichen Beziehungen gedeckt. Natürlich sind die Behandlungen der Patienten voller Intimität. Doch diese Intimität ist eine professionelle und reicht nicht aus. Sie bietet nicht die Stärkung und Regeneration, die sich aus innigen, liebevollen Beziehungen zu Angehörigen und Freunden ergibt. In diesem Zusammenhang ist auch ein anderer Aspekt relevant: Anders als unsere Freunde und Angehörige idealisieren uns viele Patienten. Dies stärkt natürlich unser Selbstwertgefühl, und es ist daher unbequem, wenn unsere Angehörigen und Freunde, unsere „Allwissenheit und Vortrefflichkeit” nicht in allen Dingen so sehen, wie wir es gerne hätten. Möglicherweise schätzen wir ihre Freundschaft und Nähe deswegen nicht ausreichend.

Obwohl wir Idealisierung oder Abwertung, die wir täglich in unserer Arbeit erfahren, gewohnt sein müssten, sind wir es nur selten. Stattdessen erleben wir immer wieder beunruhigende Anfälle von Selbstzweifeln und übersteigertem Selbstvertrauen. Es ist anstrengend, aber ein Muss, diese Verschiebungen in der Selbstwahrnehmung genau zu überprüfen, ebenso wie alle Veränderungen innerer Zustände, damit sie unsere Arbeit nicht beeinträchtigen. Hilfreich dabei sind Selbsterfahrung und Eigentherapie. So lernen wir uns besser kennen und verkleinern die eigenen „schwarzen Löcher”.

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Ausgebrannt? Keine Seltenheit in Heilberufen

Wer ausbrennt, muss einmal gebrannt haben! Am Anfang steht immer ein Überengagement - für den Beruf als Lebensinhalt, für eine Idee, für ein Ziel, für Patienten. Wer unter starkem finanziellen Druck steht, jede Woche etwa vierzig Stunden therapeutisch arbeitet und dazwischen keine Pausen macht, geht ein höheres Risiko ein, einmal auszubrennen - besonders wenn er mit viel Schmerz und Elend konfrontiert wird, zum Beispiel durch die Arbeit mit Sterbenden oder chronisch Kranken.

Jörg zum Beispiel behandelt täglich 12 Stunden - 50 Patienten pro Tag sind normal. Für seine Patienten ist er ganz da, hat immer ein offenes Ohr. Zu Hause ist er ungeduldig oder abwesend. Auf die Frage nach ihrem späteren Berufswunsch antwortet seine Tochter: „Ich möchte ein Patient werden.” Vor einiger Zeit hat sich seine Ehefrau von ihm getrennt.

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Anzeichen für Burnout

Ein Burnout-Syndrom betrifft den ganzen Menschen. Es beeinflusst sowohl körperliche Funktionen sowie Gefühle, Gedanken und Verhalten. Burnout ist ein schleichend einsetzender und langwieriger Prozess. Drei Hauptsymptome kennzeichnen ein Burnout-Syndrom: Erschöpfung, Depersonalisation und verringerte Lebenszufriedenheit. Die häufigsten Symptome können dem Info-Kasten entnommen werden.

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Symptome für Bournout

  • Erschöpfung/chronische Müdigkeit

  • Energiemangel, Überdruss an der Arbeit

  • erhöhte Unfallgefahr

  • gefährliche Hobbys (Fallschirmspringen, Drachenfliegen, Motorradfahren, Paragliding ...)

  • psychosomatische Symptome (rezidivierende Infekte, Schlafstörungen, Kreislaufbeschwerden, Verspannungen, Verdauungsbeschwerden, KHK, Geschwüre im Magen-Darm-Trakt, Kopfschmerzen, Ohrengeräusche, Schwindelgefühle ...)

  • emotionaler, kognitiver und verhaltensmäßiger Rückzug, Leere

  • steigender Drogenkonsum

  • Gereiztheit

  • Pessimismus

  • Zynismus

  • Depressionen

  • verminderte Leistung, Motivation und Kreativität

  • Hilflosigkeit und Verzweiflung

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Es gar nicht so weit kommen lassen

Am sinnvollsten ist es, einem Erschöpfungszustand vorzubeugen. Hier ist das A und O das rechte Maß von Ansprüchen und Möglichkeiten, von Anstrengung und Belohnung zu finden. Eine gesunde Lebensweise unterstützt ebenso wie ein Gleichgewicht zwischen Beruf, Familie und Freizeit. Wer Anzeichen des Ausbrennens bemerkt, sollte auf die eigenen Bedürfnisse achten und sich Ruhe gönnen. Die Ursachen für den Stress, die Belastungen sollten analysiert werden. Wichtige Fragen sind dann:

  • Welche Umweltbedingungen belasten?

  • Welche Bedürfnisse und Ziele werden frustriert?

  • Welche Fähigkeiten sind unterentwickelt?

  • Welche normativen Vorstellungen sind unrealistisch?

  • Welche Glaubenssätze und Denkmuster sind dysfunktional?

  • Welche Informationen fehlen?

  • Wo lässt sich mit dem besten Aufwand/Nutzen-Verhältnis mehr Autonomie gewinnen?

So kann der Zusammenhang zwischen auslösenden Situationen und den Beschwerden erkannt werden.

Sehr wichtig sind gute persönliche Beziehungen, die es ermöglichen, sich im Kreis von Familie und Freunden unverstellt geben zu können, ohne Verletzungen fürchten zu müssen.

Hobbys, die nichts mit dem Beruf zu tun haben, bieten sich ebenfalls an. Sie sollten nicht leistungsorientiert sein und sich selbst genügen, wie Literatur, Kunst und Musik. Aber auch regelmäßige körperliche Bewegung ist wichtig.

Carsten tanzt leidenschaftlich gerne Tango. „Tango Argentino” sagt er, „das ist Leidenschaft, Sehnsucht und Nähe, eine getanzte Umarmung. Sich ausschließlich auf die Tanzpartnerin zu konzentrieren, jeden ihrer Schritte bewusst zu führen, sodass sich ein Gleichklang von Bewegung und tänzerischer Interpretation der Musik ergibt.” Er ist sogar nach Argentinien geflogen, um in Buenos Aires Tango zu tanzen und sich seine Tangoschuhe maßanfertigen zu lassen. Wolfgangs Zauberwort heißt selbst nähen. Er lernt in Nähkursen schneidern und genießt es, etwas Eigenes, Unverwechselbares zu kreieren, sich individuell zu kleiden, seinen eigenen Stil und seine eigene Persönlichkeit so voll zur Geltung zu bringen. Dorothee schließt für sechs Monate ihre Praxis und reist mit ihrem 7-jährigen Sohn durch Neuseeland.

Für eine Früherkennung beginnender Burnout-Prozesse ist eine gute Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion hilfreich. Weil Menschen damit häufig überfordert sind, ist hier der Austausch mit anderen notwendig: als Supervision oder als Austausch mit Kollegen. Denn das Risiko der für Burnout typischen Eskalation und nachfolgenden Resignation wird wesentlich geringer, wenn regelmäßig die Möglichkeit offen steht, Frustrationen mit kompetenten, empathischen Kollegen zu besprechen. Die Deutsche Gesellschaft für Supervision (www.dgsv.de) erleichtert die Suche nach einem Supervisor.

Selten hören wir einen Heilpraktiker-Kollegen klagen, seinem Leben fehle der Sinn. Unser Leben steht meist im Dienste anderer, für die wir täglich über unsere persönlichen Wünsche hinausgehen. Umso wichtiger ist es, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse auch zu erfüllen.

Sicher gibt es kein allgemeingültiges Rezept gegen Burnout. Eine wesentliche Voraussetzung ist jedoch die Einsicht in die reale Situation, also keine allzu große Idealisierung des Berufs - den richtigen Mittelweg zu finden zwischen den Anforderungen des Berufs und den eigenen Bedürfnissen.

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Abb. 1 Tanzen - auch eine Möglichkeit des Stressabbaus. Quelle: www.up-photo.de

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Abb. 2 Enstpannung finden - bei einer Reise durch Neuseeland

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Checkliste Prävention von Burnout

  • die eigenen Grenzen achten!

  • ausgewogen essen und genug trinken

  • wenig Genuss- und Suchtmittel

  • regelmäßig ausreichend schlafen

  • Kontakte zu Familie und Freunden pflegen

  • täglich schöne Dinge tun und erleben

  • Hobbys ausüben

  • sich entspannen mit Progressiver Muskelentspannung, Autogenem Training, Atemübungen oder Yoga

  • sich regelmäßig körperlich bewegen (spazieren gehen, schwimmen, Fahrrad fahren, im Garten arbeiten, joggen, tanzen)

  • Supervision und Austausch mit Kollegen

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Weitere Literaturtipps

Cherniss C, Müller W Hrsg.: Jenseits von Burnout und Praxisschock. Hilfen für Menschen in lehrenden, helfenden und beratenden Berufen, Beltz, 1999. ca. 14 €. ISBN: 3-407-22041-3

Gussone B, Schiepek G: Die Sorge um sich. Burnout-Prävention und Lebenskunst in helfenden Berufen. Deutsche Gesell. f. Verhaltenstherapie 2001. 14 €. ISBN: 3-87159-029-0

Müller-Timmermann E: Ausgebrannt - Wege aus der Burnout-Krise, Herder, 2004. 8,90 €. ISBN: 3-451-05539-2

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Internet-Tipps

www.burnouthilfe.de www.dgsv.de

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Literatur

  • 1 Burisch M. Das Burnout-Syndrom. Berlin: Springer 1994
  • 2 Jaeggi E. Und wer therapiert die Therapeuten?. Stuttgart: Klett-Cotta 2002
  • 3 Kernberg F O.. WIR: Psychotherapeuten - ein „unmöglicher” Beruf. Stuttgart: Schattauer 2005
  • 4 Yalom I. Die rote Couch. München: btb 1998
  • 5 Yalom I. Der Panama-Hut oder Was einen guten Therapeuten ausmacht. München: btb 2002
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Literatur

  • 1 Burisch M. Das Burnout-Syndrom. Berlin: Springer 1994
  • 2 Jaeggi E. Und wer therapiert die Therapeuten?. Stuttgart: Klett-Cotta 2002
  • 3 Kernberg F O.. WIR: Psychotherapeuten - ein „unmöglicher” Beruf. Stuttgart: Schattauer 2005
  • 4 Yalom I. Die rote Couch. München: btb 1998
  • 5 Yalom I. Der Panama-Hut oder Was einen guten Therapeuten ausmacht. München: btb 2002
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Abb. 1 Tanzen - auch eine Möglichkeit des Stressabbaus. Quelle: www.up-photo.de

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Abb. 2 Enstpannung finden - bei einer Reise durch Neuseeland