Der Klinikarzt 2006; 35(2): VI
DOI: 10.1055/s-2006-933580
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Lysetherapie des akuten Schlaganfalls - Effektiv, sicher und bezahlbar

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Publication Date:
23 February 2006 (online)

 
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Die bisher einzige gesicherte Akuttherapie des Schlaganfalls ist die intravenöse Thrombolyse mit Alteplase (Actilyse®). Diese wurde exakt am 14.12.1995 revolutioniert, betonte Prof. M. Grond, Siegen, denn zu diesem Zeitpunkt wurde die NINDS[1]-Studie veröffentlicht. Heute, zehn Jahre später, müsste die Lysetherapie eigentlich etabliert sein, so Grond. Die Realität sieht jedoch noch immer anders aus: Die Angst vor Komplikationen führt dazu, dass derzeit in Deutschland nur 4% aller und 27% derjenigen Schlaganfallpatienten, die innerhalb des dreistündigen Zeitfensters in die Klinik kommen, lysiert werden.

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Sicherer als oft vermutet

Die Lyse ist aber sicherer als viele denken. Denn in den Studien wurden auch Blutungen erfasst, bei denen das Blut ins Schlaganfallgewebe gelangte. Laut Grond sei dies aber kein Zeichen für eine Komplikation, sondern für eine zu späte Lyse. Und auch ein anderes vermeintliches Risiko muss richtig gestellt werden: Ältere und Diabetiker haben zwar per se ein erhöhtes Blutungsrisiko, aber kein erhöhtes Risiko einer Blutungskomplikation bei der Lyse, so Grond.

Ein Ansporn dabei, die Lyse besser zu etablieren, ist ein Ergebnis des deutschen Schlaganfallregisters, wonach die Letalität in Zentren mit weniger Erfahrung höher ist. Doch auch dieses Resultat müsse man ins rechte Licht rücken, da nicht unterschieden wurde, ob dies auf Komplikationen, den Schweregrad des Schlaganfalls oder die Qualität der Versorgung zurückzuführen ist. So weiß man aus der europaweiten, computergestützten Qualitätssicherungsmaßnahme SITS MOST[2], dass die Lysefrequenz ein Indikator für ein gutes Schlaganfallzentrum ist; Blutungskomplikationen treten in Häusern mit geringerer Lysefrequenz nicht häufiger auf. Die Frage der Sicherheit hängt also nicht an der Lyse.

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CASES belegt Effektivität im Klinikalltag

Dass die Gabe von 0,9 mg/kg Alteplase innerhalb von drei Stunden sicher und effektiv ist, belegen die aktuellen Ergebnisse der CASES[3]-Studie. Über zweieinhalb Jahre waren in 60 Zentren 1135 Patienten mit schwerem akuten Schlaganfall behandelt worden. 31% hatten beim 90-Tage-Follow-up ihre Fähigkeiten vollständig zurückerlangt, 25% erzielten ein moderates, 19% ein schlechtes Ergebnis. Symptomatische intrazerebrale Blutungen traten bei 4,6% der Patienten auf - ein Ergebnis, das dem aus NINDS entspricht. Lysiert wurde im Durchschnitt nach 85 Minuten.

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Die Realität in Deutschland

Der Aufnahme in die diagnosebezogenen Fallgruppen (DRGs) ist es zu verdanken, dass diese Therapie nun auch adäquat bezahlt wird. Seitdem rechnet sich die Lysetherapie.

In Deutschland wird laut Grond allerdings noch immer zu viel Zeit verschwendet, zurzeit auch durch zusätzliche Ausschlusskriterien in den einzelnen Kliniken oder durch komplizierte und zeitraubende Prozeduren im Notfallsystem. Als Anhaltspunkt für den Zeitbedarf im Krankenhaus sollten gelten: zehn Minuten von der Tür bis zum Arzt, 25 Minuten von der Tür bis zum CT und 60 Minuten von der Tür bis zum Einleiten der Therapie.

Dr. Wiebke Kathmann, München

Quelle: Pressegespräch "ANIM-Preview: Moderne Therapie der akuten zerebralen Ischämie", Veranstalter: Boehringer Ingelheim GmbH, Ingelheim

01 National Institute of Neurological Diseases Study

02 Safe Implementation of Thrombolysis in Stroke MOnitoring STudy

03 Canadian Alteplase for Stroke Effectiveness Study

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