Z Orthop Ihre Grenzgeb 2006; 144(1): 10-12
DOI: 10.1055/s-2006-933570
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Operative Konsiliararzt-Tätigkeit in der Orthopädischen Chirurgie: ein sinnvolles Modell?

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PD Dr. med. Dr.-Ing. Dieter Gebauer

Orthopädische Klinik Tegernsee

Seestr. 80

83684 Tegernsee

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Publication Date:
23 February 2006 (online)

 
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PD Dr. med. Dr.-Ing. Dieter Gebauer

Nachdem zahlreiche Ärzte im Rahmen der Ausbildung zum Facharzt für Orthopädie bzw. neuerdings für Orthopädie und Unfallchirurgie umfangreiche operative Fähigkeiten erwerben, die nach der anschließenden Niederlassung bzw. nach Aufnahme einer Tätigkeit in einer Rehabilitationsklinik mit nur konservativer Betätigung nicht mehr genutzt werden, erscheinen Überlegungen zur weiteren Nutzung dieses Fähigkeitspotentials auch aus wirtschaftlich-ökonomischer Sicht angebracht. Im Rahmen eines Personal-Integrativen Modells sollte die Praktikabilität einer weiteren Operationstätigkeit der genannten Fachkollegen überprüft werden.

Weiter operativ interessierten Reha-Medizinern wie auch konservativen niedergelassenen Kollegen, die keine eigentliche Belegarzttätigkeit aufnehmen können oder wollen, steht mit der Konsiliartätigkeit in einer Chirurgischen oder Orthopädischen Akutklinik eine operative Plattform zur Verfügung.

Die Weiterbildungsordnung für Orthopädie, aber auch die neue Weiterbildungsordnung für Orthopädie und Unfallchirurgie enthält als wesentlichen Schwerpunkt die Durchführung von operativen Eingriffen. Mindestens nach der alten Weiterbildungsordnung verlässt ein großer Prozentsatz die Weiterbildungsstelle als Facharzt mit soliden operativen Kenntnissen und Fähigkeiten, um sich dann kassenärztlich bzw. selten privatärztlich niederzulassen. Ein Teil dieser Kollegen nutzt die erworbenen operativen Fähigkeiten als Belegarzt, der große Rest betätigt sich ausschließlich konservativ im Rahmen der Niederlassung oder in einigen Fällen außerhalb der Niederlassung als Facharzt in der Rehabilitationsklinik. In den beiden letzteren Fällen bleibt wesentliches Fähigkeitspotenzial ungenutzt.

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Von der Rehaklinik in den OP

In einer Chirurgischen Klinik mit Orthopädischer Belegabteilung wurde statt eines weiteren niedergelassenen Belegarztes ein orthopädischer Fachkollege, der die Leitung einer Rehabilitationsklinik übernommen hatte, nachdem er 11 Jahre in verschiedenen Akutkliniken für Orthopädie tätig war, als operativer Konsiliararzt integriert.

Für den Reha-Mediziner - besonders wenn er auch Patienten in der Anschlussheilbehandlung (AHB) betreut - ist die detaillierte Kenntnis über operative Details der im Akutkrankenhaus durchgeführten Eingriffe von Nutzen, da von ihm während der AHB folgenreiche Entscheidungen bezüglich der Auswahl von Therapiemethoden und des Belastungsaufbaus abverlangt werden. Je länger der Reha-Mediziner in der Rehabilitation tätig ist, umso schwieriger ist es für ihn, sich mittels Fortbildungen die notwendigen Kenntnisse über die sich rasant entwickelnden neuen Operationsmethoden zu erwerben. Eine bisher selten realisierte Möglichkeit, den Kontakt zur aktuellen Akutmedizin zu erhalten, besteht für den ausschließlich konservativen Orthopäden oder Chirurgen ebenso wie für den Reha-Mediziner beider Fachrichtungen in einer operativen Konsiliararzt-Tätigkeit in der Akutklinik für Orthopädie oder Chirurgie. Die Analyse einer sechsjährigen Konsiliartätigkeit als Reha-Mediziner in einer Akutklinik für Chirurgie mit orthopädischer Belegärzte-Abteilung versucht, Vor- und Nachteile sowie Besonderheiten dieser Tätigkeit aufzuzeigen.

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Organisation

Im Rahmen eines Nebentätigkeitsvertrages wurde es dem Autor, der 11 Jahre in verschiedenen Akutkliniken tätig war, als Chefarzt einer Reha-Klinik für Orthopädie und Rheumatologie gestattet, an einem Wochentag in einer auswärtigen Klinik oder Praxis operativ tätig zu sein. Weiterhin sieht der Nebentätigkeitsvertrag eine zeitlich eng begrenzte private Ambulanztätigkeit vor. Beginnend im Jahr 1999 wurde mit einer Akutklinik für Chirurgie, die auch eine orthopädische Belegärzte-Abteilung unterhält, eine operative Konsiliartätigkeit vereinbart. Dabei wurde festgelegt, dass neben Patienten der Klinik auch über die private Ambulanz akquirierte Patienten nach Aufnahme in der Akutklinik operativ versorgt werden dürfen. Die Abfolge der Organisation vom ersten Patientenkontakt bis zur poststationären Weiterleitung an den niedergelassenen Fachkollegen soll im Folgenden erläutert werden.

Als erster Schritt des organisatorischen Ablaufes erfolgt in der Privat-Ambulanz die Indikationsstellung für den operativen Eingriff, die zugehörige Aufklärung und Einverständniserklärung und die Festlegung des Operationstermins an einem der noch nicht ausgebuchten freitäglichen Operationstage. Die präoperative Voruntersuchung inklusive der Blutuntersuchung wird innerhalb der letzten präoperativen Woche vom Hausarzt durchgeführt. Mit diesen zugehörigen Befunden stellt sich der Patient in der Akutklinik zur anästhesiologischen Voruntersuchung am Nachmittag des Aufnahmetages vor. Ein spätnachmittäglicher Telefonanruf in der Akutklinik bestätigt im Allgemeinen, dass alle notwendigen Voraussetzungen für die Operation am nächsten Tag gegeben sind.

Da viele Patienten bezüglich der Anwesenheit des vereinbarten Operateurs versichert sein wollen, findet zum Morgen des Operationstages vor der ersten Operation eine Kurzvisite am Bett bei allen Patienten des Tages statt. Je nach Umfang und Schwierigkeitsgrad der Operation rekrutieren sich die Operationsassistenten aus der Akutklinik oder/und aus Assistenten der Reha-Klinik.

Intensivpflichtige Patienten verbleiben postoperativ auf der Intensivstation, die meisten Patienten werden jedoch auf die Normalstation verlegt, auf der sie wie alle anderen Patienten der Klinik betreut werden. Für Notfallsituationen, aber auch sonstige ärztliche Fragen kann die Intensivstation bzw. die Station, auf der der Patient liegt, das dauereingeschaltete Handy des Operateurs nutzen. Daneben hat sich eine regelmäßige Visite im Zweitagesabstand bewährt, in der die wesentlichen ärztlichen Aktivitäten einschließlich der Verbandswechsel stattfinden.

Gesetzlich versicherte Patienten stellten sich in zunehmendem Maß ebenfalls in der Privatambulanz der Reha-Klinik mit der Bitte zum operativen Eingriff vor. Für diese bestand die Möglichkeit, nach präoperativer hausärztlicher Voruntersuchung und Blutkontrolle mit Krankenhauseinweisungsschein des Hausarztes in der Akutklinik aufgenommen und ebenfalls vom Autor operiert zu werden.

Ein nicht unwesentlicher Vorteil, der von den Patienten hoch geschätzt wurde, war die in vielen Fällen gegebene Möglichkeit, Patienten mit der Notwendigkeit einer Anschlussheilbehandlung in die Reha-Klinik übernehmen zu können und damit die Weiterbehandlung in der Reha-Klinik durch den Operateur zu gewährleisten.

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Reha nach OP

In der Zeit vom 1.1.1999 bis zum Herbst 2004 wurden insgesamt 868 Operationen durchgeführt, im Durchschnitt 145 Eingriffe pro Jahr. Das operative Spektrum umfasste neben Knieendoprothesen, Hüftendoprothesen, Schultereingriffen und arthroskopischen und offenen Operationen am Kniegelenk schwerpunktmäßig Korrektureingriffe am Fuß (Tab. [1]). Während die Genehmigung der Kostenträger zur Anschlussheilbehandlung in den Fällen der endoprothetischen Eingriffe unproblematisch zu erhalten war, konnten Zusagen für Anschlussheilbehandlungen bei Schultereingriffen und umfangreichen beidseitigen Fußoperationen oft erst nach intensiver telefonischer Intervention erhalten werden.

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Tab. 1: Durchgeführte Operationen (1999-2004)

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Beschränkung des OP-Spektrums

Die Anspruchshaltung des oft internetinformierten Patienten, die juristische Zwangsbedingung des Handelns nach neuestem medizinischen Kenntnisstand und die zunehmende Tendenz, für klar umrissene Diagnosen Leitlinien zu erstellen, verlangen jedem Operativ-Tätigen ab, sich über Fortbildungen und Fachliteratur mit den neuen etablierten Operationstechniken auseinander zu setzen. Auf diese Weise steht die detaillierte Kenntnis über auch neue Verfahren durch den operierenden Reha-Mediziner der Reha-Klinik zur Verfügung, wodurch eine wesentlich zielgerichtetere Weiterbehandlung möglich wird.

Die Weiterbildung des sich in der orthopädischen Facharztausbildung befindlichen Assistenzarztes der Reha-Klinik erhält - besonders, wenn er im Akuthaus bei den spezifischen Operationen mitgewirkt hat - durch die nahtlose Weiterverfolgung bzw. Weiterbetreuung der postoperativen Phase während der AHB eine auch für eine spätere Niederlassung wichtige Ergänzung. Diese Feststellung verdient Erwähnung, da von einigen Akutmedizinern der operative Eingriff als die einzig wichtige Phase der Patientenversorgung und die Reha bzw. die AHB als unwesentliches Anhängsel angesehen werden.

Es könnte den Akutmediziner erstaunen, wenn er bei näherer Einsicht in das Rehabilitationsgeschehen feststellt, welch endergebnisgefährdenden Einfluss in der Reha übliche Therapien haben können, aber auch welch hochgradig unterstützenden Effekt andere adäquate Behandlungen besitzen. Wahrscheinlich resultiert die optimale Versorgung eines Patienten aus einer guten präoperativen Vorbereitung, einer technisch optimierten Operation, einer situationsgerechten postoperativen Betreuung und einer passenden, patientenorientierten Anschlussheilbehandlung bei exakter gegenseitiger Abstimmung dieser Phasen.

Im Rahmen der Einführung der Diagnosis Related Groups ist ab Beginn des Jahres 2005 mit einer deutlichen Tendenz zur Frühverlegung operierter Patienten in die AHB-Kliniken zu rechnen, auch wenn die Problematik der Verlegung bei nach derzeitigen Kriterien nicht gegebener AHB-Fähigkeit noch nicht ausreichend kommuniziert ist. Bei vorhandenem operativen und postoperativen Knowhow des operierenden Reha-Mediziners lässt sich die sog. "blutige" Verlegung organisatorisch und wohl auch kostenminimiert realisieren.

Bei der Betrachtung des sechsjährigen Operationsspektrums fällt auf, dass einzelne Operationen wie Hüftendoprothesen, Umstellungsosteotomien oder Kreuzbandplastiken selten durchgeführt wurden. Zweifellos ist für diese Eingriffe die gesicherte Qualität zu hinterfragen. Vertretbar erscheint eine solch niedrige Frequenz einer Operation nur, wenn eine effektive Operationstechnik durch eine Großzahl früher durchgeführter gleicher Operationen gesichert ist. Grundsätzlich dürfte aber die Beschränkung auf ein bestimmtes Operationsspektrum für den nur teilzeitig tätigen Operateur sinnvoll sein.

Vor Beginn der operativen Konsiliartätigkeit im Akuthaus wurde die juristische Zulässigkeit dieser Art Tätigkeit abgeklärt. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung vertritt die Auffassung, das Krankenhäuser geeignete Operateure auch aus Nichtvertragsärzten und aus Vertragärzten, die nicht als Belegarzt tätig sind, rekrutieren dürfen. Köhler beschreibt, dass zunehmend ambulante und stationäre Operationen, die das Krankenhaus abrechnet, von niedergelassenen Operateuren im Rahmen einer konsiliarischen Tätigkeit durchgeführt werden. In diesen Fällen erfolgt die Vergütung des Operateurs durch das Krankenhaus. Bei für Konsiliararzt und Krankenhaus adäquat ausgehandeltem Honorarschlüssel - es erfolgt ja kein festes Anstellungsverhältnis - können die Personalkosten als gravierender Kostenfaktor des Krankenhauses gesenkt werden. Bezüglich der Haftpflichtversicherung des operierenden Konsiliararztes sind unterschiedliche Vereinbarungen möglich.

Notwendigerweise muss der Träger der Rehabilitationsklinik den Arzt für z.B. einen Tag pro Woche für die operative Konsiliartätigkeit freistellen und möglichst auch eine private Ambulanztätigkeit zulassen. Diese Genehmigung fällt dadurch leichter, dass der Träger durch Übernahme des operierten Patienten eine zusätzliche Belegung erfährt. Grundsätzlich können die Vorteile der Teilnahme weiterer Assistenzärzte der Reha-Klinik, die sich in orthopädischer Weiterbildung befinden, an der operativen Konsiliararzt-Tätigkeit im Akuthaus diskutiert werden.

Während vor allem in privaten Klinikverbünden Akutmediziner in einigen Fällen auch die Anschlussheilbehandlung ihrer operierten Patienten in angegliederten Reha-Kliniken überwachen, findet eine konsiliarische Operationstätigkeit eines Reha-Mediziniers nach Kenntnis des Autors bisher in der geschilderten Form nur in einem weiteren Fall und in einem dritten Fall in deutlich eingeschränkterem Ausmaß im Fachgebiet der orthopädischen Chirurgie in Deutschland statt.

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Mehr Qualität sektorübergreifend

Nach sechsjähriger Erfahrung als im Akuthaus operativ-konsiliarisch tätiger Reha-Mediziner hat sich das spezifische Modell der Verzahnung von Akut- und Reha-Medizin bewährt. Weiter operativ interessierte Reha-Mediziner könnten in ihm eine Plattform finden. Für den niedergelassenen Vertragsarzt, dem eine Belegarzttätigkeit verwehrt ist oder der aus anderen Gründen die Belegtätigkeit ablehnt, wird im geschilderten Modell eine Möglichkeit zur weiteren operativen Tätigkeit geschaffen. Es kann davon ausgegangen werden, dass durch das dargestellte Modell neue Wege zur Kostenreduktion im Gesundheitswesen eröffnet werden. Im Bereich der Rehabilitation ist durch die Intensivierung der Weiterbildung mit einer Steigerung der Behandlungsqualität zu rechnen.

Literatur beim Verfasser

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PD Dr. med. Dr.-Ing. Dieter Gebauer

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Tab. 1: Durchgeführte Operationen (1999-2004)