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DOI: 10.1055/s-2006-933567
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Minimalinvasive Hüftendoprothetik: Erwartungen und Forderungen

Dr. Andreas Roth
Die endoprothetische Versorgung des Hüftgelenkes ist seit vielen Jahren auf einem hohen Niveau standardisiert. Wie bei anderen operativen Verfahren, so gibt es auch hier eine Tendenz zum Einsatz von so genannten minimal- invasiven Techniken, was mit einer Reduktion des Traumas gekoppelt sein soll. Ähnlich wie bei den endoskopischen Eingriffen erhofft man sich über ein geringeres Weichteiltrauma und Gewebeschonung postoperativ weniger Schmerzen, eine reduzierte Komplikationsrate und verkürzte Heilungsverläufe. Dies würde eine raschere Mobilisation und die Abnahme der Behandlungsdauer ermöglichen. Diesem Trend stehen bewährte Techniken der Implantation von Endoprothesen am Hüftgelenk gegenüber, welche zu sehr guten Resultaten führen. Für minimalinvasive Implantationstechniken in der Hüftendoprothetik befinden sich aus diesem Grunde derzeit die Vorteile gegenüber den bewährten Methoden auf dem Prüfstand. Es erscheint daher notwendig, den Begriff "minimalinvasive" Endoprothetik am Hüftgelenk und daran gebundene Anforderungen genauer zu definieren.
Was ist "minimalinvasiv"?
Die Anwendung kürzerer Zugänge zur Implantation von Endoprothesen wird mit unterschiedlichen Begriffen beschrieben. Dabei werden Widersprüche zu den im Rahmen der minimal-invasiven Chirurgie eingesetzten Verfahren der Endoskopie und Arthroskopie deutlich. Dort wird größtenteils mit Stichinzisionen gearbeitet, was mit den bekannten Endoprothesen-Systemen nicht möglich ist: Bereits die Größe der Implantate gibt ein Mindestmaß an Schnittlänge vor. Im deutschsprachigen Raum werden neben dem Begriff "minimalinvasiv" und englischen Synonymen verschiedene Begriffe verwendet, welche das Vorgehen bei derartigen Eingriffen umschreiben. Dazu gehören die "minimiert invasive" und die "reduziert invasive" Technik, sowie die "Mini-Inzision".
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Die minimalinvasive Implantation von Hüftendoprothesen soll eine raschere Mobilisation der Patienten ermöglichen. Bei diesen Eingriffe können die Weichteilgewebe, einschließlich Haut und Muskulatur, bei entsprechender Technik und Verwendung von speziellen Instrumentarien weniger traumatisiert werden. Eine Reduktion des Blutverlustes wurde beschrieben. Die Patienten sind bei geringeren Schmerzen rascher zu mobilisieren. Demgegenüber stehen Resultate, die keine Vorteile oder sogar Nachteile erbrachten. Die präzise Implantatposition und die Garantie, dass es zu keiner Zunahme von Komplikationen kommt, sind jedoch kritische Punkte. Bevor diese Methoden allgemein empfohlen werden können, muss unverändert der Nachweis der Eignung sowie der Vorteile gefordert werden. |
Die unterschiedlichen Techniken der "kleinen Zugänge" am Hüftgelenk beschreiben vorwiegend eine Verkürzung der Inzisionen gegenüber den üblichen Verfahren im Sinne einer "Mini-Inzision". Dabei finden in Modifikationen der posterolaterale Zugang nach Gibson und Marcy, der anterolaterale Zugang nach Watson-Jones, der anteriore Zugang nach Smith-Peterson, der laterale bzw. transgluteale Zugang nach Hardinge bzw. Bauer und der mediale Zugang nach Ludloff Anwendung. Neu bezüglich des Zuganges ist die so genannte "two incision"-Technik.
Schonung von Muskelansätzen
Eine wesentliche Erwartung, die sich mit diesen Eingriffen verbindet, ist die Reduktion des Weichteiltraumas und die Gewebeschonung. Die Verkürzung des Hautschnittes im Sinne einer Verbesserung des kosmetischen Resultates kann nicht als alleiniger Vorteil genügen. (Abb. [1]) Minimalinvasive Hüftendoprothetik wird derzeit vielmehr durch den Verzicht auf eine Durchtrennung von Muskelansätzen und Sehnen definiert. Bisherige vergleichende Untersuchungen der klassischen Zugänge erbrachten keinerlei Differenzen hinsichtlich der klinischen Ergebnisse zwischen 6 Monaten und 1 bis 2 Jahren postoperativ. Inwiefern Unterschiede als Folge der Muskelschonung kurzfristig klinisch relevant in Erscheinung treten, bedarf der gezielten Abklärung. Gleich gute funktionelle Ergebnisse zwischen 6 und 12 Wochen postoperativ unabhängig vom minimalinvasiven oder klassischen Vorgehen weisen zumindest darauf hin, dass grundsätzlich die Schonung der Muskelansätze ein wesentlicher Faktor für die rasche Mobilisation ist. Vergleiche der unterschiedlichen Verfahren im unmittelbaren postoperativen Verlauf stehen aus.

Abb. 1: Kosmetisches Ergebnis nach ninimalinvasiver Implataation einer Hüft-TEP.
Spezielle Instrumente zur Schonung der Weichteile
Die Traumatisierung der Weichteile kann durch spezielle Instrumentarien minimiert werden. Die Verwendung der klassischen Instrumentarien bei kurzem Zugang führt dagegen zu einer verstärkten Traumatisierung der Weichteile durch Überdehnung. Es gibt schmale und abgewinkelte Haken, welche die Weichteile vor Überdehnung schützen und außerdem das Sichtfeld des Operateurs freihalten (Fa. Innomed, USA). Diesem Ziel dienen auch abgewinkelte Fräser (DePuy GmbH, Deutschland, Fa. Stryker, Deutschland, Abb. [2]) oder Fräser, deren hemisphärische Form an zwei gegenüberliegenden Punkten des Äquators abgeflacht ist (Zimmer Chirurgie GmbH, Deutschland). Analoges gilt für gewinkelte Impaktoren zur Befestigung von Pressfit-Pfannen und zum Einsetzen des Inlays. Die Benutzung eines schlanken Raspeleinschlägers schützt die Weichteile bei der Präparation des Femurs. Haken mit Beleuchtung sollen die Sicht in der Tiefe verbessern. Neben der Minderung des Traumas durch Verwendung adaptierter Instrumente ist eine ausreichende Relaxation eine wesentliche Voraussetzung für eine spannungsarme Präparation. Eine optimierte Narkose ist daher integraler Bestandteil dieses Vorgehens. Nicht zuletzt ist die Wahl eines geeigneten Implantates für die jeweilige Operationstechnik von Bedeutung.

Abb. 2: Der abgewinkelte Fräser gestattet das Fräsen in der angestrebten Inklination und Anteversion, schützt dabei aber die Weichteile am distalen Wundpol vor Überdrehung.
Geringeres Weichteiltrauma
Infolge einer geringeren Weichteiltraumatisierung ist eine Reduktion der postoperativen Schmerzen zu erwarten. Inwiefern dadurch Änderungen der postoperativen Schmerztherapie begründet sind, lässt sich in den bisher vorhandenen Publikationen nicht sicher differenzieren. Bei weniger postoperativen Schmerzen kann jedoch damit gerechnet werden, dass schneller eine sehr gute Gelenkfunktion erreicht wird und die Patienten rascher mobilisiert werden. Damit wäre eine geringere Morbidität zu erwarten. Die Liege- und Verweildauer könnte zudem verkürzt, kostengünstigere Bedingungen realisiert werden. Nicht zuletzt wird dem Anliegen des Patienten entgegengekommen, die erforderliche Behandlungsdauer so kurz wie möglich zu gestalten. Auch hier erscheint es jedoch nicht ausgeschlossen, dass Verfahren, welche die Muskelansätze primär besser schützen, grundsätzlich im Vorteil sind.
Reduktion des Blutverlustes, keine OP-Zeitverkürzung
Eine Reduktion des Blutverlustes wäre als Vorteil eines minimalinvasiven Vorgehens an der Hüfte anzusehen. So könnten die Transfusionshäufigkeit und die damit verbundenen Risiken gesenkt werden. Dies wird bereits von einigen Autoren bei Verwendung unterschiedlicher Zugänge beschrieben. Kritisch ist zu bemerken, dass neben der sorgfältigen Blutstillung andere Faktoren den Blutverlust beeinflussen können. Zu klären wäre so B. der Einfluss der Narkoseführung, der Kapselresektion oder -durchtrennung, der Präparationstechnik des Femurmarkraumes sowie der Wahl eines zementierten oder zementfreien Implantates.
Dass ein kleinerer Zugang schnelleres Operieren ermöglicht, wird durch die Praxis der endoskopischen und arthroskopischen Techniken hinlänglich widerlegt. Eine Verkürzung der OP-Zeit erscheint somit unwahrscheinlich. Vielmehr wird, wie bei anderen operativen Verfahren auch, beim minimalinvasiven Vorgehen an der Hüfte eine Lernkurve zu berücksichtigen sein. Das "Geschick" des Operateurs bestimmt daher im Wesentlichen, wie rasch operiert wird. Allerdings ist im Hinblick auf eine Lernkurve zu bedenken, wie diese kurz und vor allem komplikationsfrei gehalten werden kann. Hierzu sind das Training am Kadaver und Hospitationen zu fordern, bei denen die jeweilige Methode erlernt werden kann.
Indikationen und Risiken
Im Hinblick auf die Indikationen, welche die Verwendung eines minimalinvasiven Zugangs erlauben, gibt es bisher wenige Angaben in der Literatur. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt die Erfahrung im Umgang mit der entsprechenden Methode. Besser zu versorgen sind schlanke Frauen, da hier das Gewebe insgesamt weicher ist und sich der Wundkanal leichter verschieben und den erforderlichen Gegebenheiten anpassen lässt. Muskelkräftige Männer und übergewichtige Patienten sind damit schwieriger zu versorgen. Problematisch wird die Luxation des Hüftkopfes bei Protrusion beschrieben, des Weiteren die Pfannendachplastik bei Dysplasie.
Wichtig ist auch die Kenntnis potenzieller Risiken der minimalinvasiven Endoprothetik am Hüftgelenk. Wundheilungsstörungen, Frakturen, Luxationen, Nervenschädigungen und Hämatome werden als Risiken genannt. Bei diesen Eingriffen besteht eine wesentlich schlechtere Übersicht, was ein erhöhtes Risiko der Implantatfehlpositionierung in sich birgt. Für die Präzision der Implantation erscheint daher in der unmittelbaren Zukunft eine Kombination mit der Navigation vorteilhaft.
Dass minimalinvasive Verfahren in der Endoprothetik des Hüftgelenkes eine raschere Frührehabilitation ermöglichen, ist bei Schmerzreduktion und rascherer Mobilisation hypothetisch zu erwarten. Die im Krankheitsprozess der Koxarthrose geschädigte Muskulatur könnte somit zeitiger intensiv trainiert werden, was die Wiederherstellung der Funktion beschleunigen würde.
Auch bei kritischer Beurteilung des Trends zur minimalinvasiven Endoprothetik und zunächst fehlender Studien hoher Evidenzklassen, sind aus dem derzeitigen Kenntnisstand vorläufige Charakteristika für die minimalinvasive Hüftendoprothetik zu formulieren:
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Reduktion des Weichteiltraumas und deutliche Verkürzung des Zugangs (5-10 cm),
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Schonung der Muskelansätze und Sehnen,
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Reduktion der postoperativen Schmerzen,
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Reduktion des Blutverlustes und
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raschere Mobilisation.
Der Begriff "minimalinvasiv" erscheint den Autoren dann jedoch bei alleiniger Fokussierung auf die Implantation von Hüft-Totalendoprothesen weder pragmatisch noch semantisch besonders gut geeignet, um diese Verfahren zu beschreiben. Unter dem derzeitigen Stand der Kenntnisse würde der Begriff "Mini-Inzision" mit Angabe des jeweiligen Standardzuganges einer wertfreien Beschreibung des operativen Vorgehens besser gerecht. Minimalinvasive Hüftendoprothetik stellt eher ein umfassendes Konzept, einen Komplex von Maßnahmen dar. Diese zielen u.a. auf eine Optimierung der einzelnen Schritte des operativen Eingriffes unter Einbeziehung von Narkoseführung sowie schmerztherapeutischem Regime und postoperativer Mobilisation.
Zu fordern sind wissenschaftliche Arbeiten, welche die Eignung und Vorteile dieser Eingriffe belegen.
Literatur beim Autor
Dr. Andreas Roth
Prof. Dr. R.-A. Venbrocks
Orthopädische Klinik am Waldkrankenhaus "Rudolf-Elle" gGmbH Eisenberg, Lehrstuhl für
Orthopädie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dr. Andreas Roth
Prof. Dr. R.-A. Venbrocks
Orthopädische Klinik am Waldkrankenhaus "Rudolf-Elle" gGmbH Eisenberg, Lehrstuhl für
Orthopädie der Friedrich-Schiller-Universität Jena

Dr. Andreas Roth

Abb. 1: Kosmetisches Ergebnis nach ninimalinvasiver Implataation einer Hüft-TEP.

Abb. 2: Der abgewinkelte Fräser gestattet das Fräsen in der angestrebten Inklination und Anteversion, schützt dabei aber die Weichteile am distalen Wundpol vor Überdrehung.
