Pneumologie 2006; 60(3): 137-138
DOI: 10.1055/s-2006-932145
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Deutsche Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma

The German Guideline for the Diagnosis and Treatment of Patients with AsthmaJ.  Lorenz1
  • 1Klinikum Lüdenscheid, Abt. Innere Medizin II, Lüdenscheid
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Prof. Dr. med. Joachim Lorenz

Klinikum Lüdenscheid · Abt. Innere Medizin II

Paulmannhöher Str. 14

58515 Lüdenscheid

Email: Joachim.Lorenz@klinikum-luedenscheid.de

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Publication Date:
15 March 2006 (online)

Table of Contents

In diesem Heft erscheint die Asthmaleitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie unter Mitarbeit von Repräsentanten weiterer wissenschaftlicher Gesellschaften der Erwachsenenmedizin und Pädiatrie, der Industrie, der medizinischen Berufsverbände und der Patientenorganisationen [1].

Die Erarbeitung der Leitlinie war ein Prozess mit zahlreichen Schritten. Er umfasste die Erstellung einer Erstfassung im Expertengremium, die Korrektur unter Einschluss von Ärzten der verschiedenen Betreuungssektoren durch das Delphi-Verfahren (strukturierte dezentrale Befragung) und die abschließende Diskussion und Verabschiedung in der Konsensuskonferenz bei Anwesenheit aller Repräsentanten. Die Moderation übernahm ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich-Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF). Dies war ein mühevolles Unterfangen, das letztlich auch erhebliche finanzielle Ressourcen verschlang.

Lohnt sich der Aufwand? Es liegen mehrere vorzügliche Leitlinien vor, darunter das Papier der „Global Initiative for Asthma” (GINA), das zuletzt 2005 aktualisiert wurde [2]. Dennoch sind nationale Leitlinien notwendig, da die Ressourcen für die Patientenbetreuung international sehr unterschiedlich sind. Aus diesem Grund müssen internationale Empfehlungen ein Mindestniveau definieren, das überall auf der Welt eine sachgerechte Betreuung ermöglicht. In entwickelten Ländern kann dieses Niveau erheblich überschritten werden. Im Gegensatz zu vielen Ländern ist in Deutschland die Ganzkörperplethysmographie weit verbreitet, und ihr Beitrag in der Diagnostik und Differenzialdiagnostik von Atemwegserkrankungen kann flächendeckend genutzt werden, z. B. in der Beurteilung der Lungenüberblähung, die nicht immer dem Grad der Atemwegsobstruktion parallel geht. Auch die allergologische Diagnostik und die spezifische Immuntherapie haben einen höheren Stellenwert als in vielen anderen Ländern. Darüber hinaus ist der jeweilige Zulassungsstatus von Medikamenten zu bedenken. Zum Beispiel ist Montelukast in Deutschland nicht zur Behandlung des schweren Asthmas zugelassen. Diese und viele andere Besonderheiten wurden in der vorliegenden Leitlinie berücksichtigt.

Die Konzepte der stadiengerechten Langzeittherapie des Asthma bronchiale sind in den letzten Jahren durch zahlreiche Studien hoher Aussagekraft bereichert worden, die die Differenzialtherapie mit antiinflammatorisch und bronchospasmolytisch wirksamen Medikamenten zum Gegenstand haben. Sie betreffen zum Beispiel die relative und stadienabhängige Bedeutung verschiedener „Controller”, die Rolle der antientzündlichen Therapie bei intermittierendem Asthma, den Stellenwert von Theophyllin und die Frage der Dosiseskalation inhalativer Steroide bei unzureichender Einstellung. Erstmals wurden in jüngster Zeit auch Daten zum therapeutischen Gesamtkonzept vorgelegt [3] [4]. Die vorliegende Leitlinie zeichnet sich durch eine sorgfältige und ausgewogene Diskussion dieser aktuellen Gesichtspunkte aus. Sie mündet in klare und nachvollziehbare Empfehlungen. Dies trifft auch auf die Therapie des akuten Asthmaanfalls und die Bewertung neuer Medikamente zu. Wenn es gelingt, die Empfehlungen auf breiter Basis zu implementieren, werden sich die Lebensqualität und die Prognose von Asthmapatienten in Deutschland in den nächsten Jahren weiter verbessern.

Es handelt sich um eine Leitlinie der Stufe 2 nach der Systematik der AWMF [5]. Dieses Qualitätskonzept beinhaltet die Unterlegung der Empfehlungen mit Angaben über ihre wissenschaftliche Evidenz und die Formalisierung der Konsensfindung durch Steuerung des Diskussions- und Gruppenprozesses bei der Leitlinienerarbeitung zur Ausschaltung irrationaler Einflüsse (z. B. durch Rhetorik oder Dominanz in der Gruppe). Eine Leitlinie der Stufe 2 geht von Expertenempfehlungen aus und stellt sie in einer formalen Konsensusfindung auf eine breitere Basis. Diesem Anspruch wird die vorliegende Leitlinie gerecht. In der Stufe 3 werden alle Elemente der systematischen Erstellung genutzt, die Inhalte durch Algorithmen, Entscheidungs- und Outcome-Analysen bereichert und eine umfassende Evidenzbasierung etabliert.

Welche Aufgaben verbleiben für zukünftige Leitlinien? Die Asthmaleitlinie bedient sich als wissenschaftlicher Plattform der bereits vorliegenden nationalen und internationalen wissenschaftlichen Leitlinien, vor allem im Hinblick auf die verfügbare Literatur und ihre Bewertung. Aus dem Kreis der Experten wurden zusätzlich aktuelle Publikationen benannt und bewertet. Vielfältige Erfahrungen zeigen, dass häufig zitierte Publikationen in einem selbst verstärkenden Prozess zu einer Drift der wissenschaftlichen Meinung führen können, während dazu widersprüchliche Ergebnisse zunehmend einem öffentlichen „Neclect” unterliegen. Dies kann zu einer Verzerrung der wissenschaftlichen Wahrheit führen. Um das zu verhindern, sind Metaanalysen und „systematic reviews” entwickelt worden. Solche Daten sehr hoher Güte liegen aber bisher leider nur für wenige Fragestellungen vor. Die eigenständige und systematische Literaturrecherche mit unabhängiger Bewertung ist deshalb ein sinnvolles Werkzeug in der Leitlinienentwicklung. Es hat sich auch bewährt, Evidenzgrade von Empfehlungsgraden zu unterscheiden, da eine schwache wissenschaftliche Evidenz oft nicht bedeutet, dass die daraus abgeleiteten Empfehlungen von untergeordneter Bedeutung sind [6]. Eines ist sicher: Neue Erkenntnisse zum Asthmamanagement werden fast in täglicher Folge auch in der Zukunft publiziert werden. Wir können uns daher in 3 Jahren auf eine Aktualisierung der Leitlinie freuen.

Wir alle haben der Leitliniengruppe für die geleistete Arbeit zu danken!

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Literatur

  • 1 Buhl R, Berdel D, Criée C P. et al . Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma.  Pneumologie. 2006;  60 139-177
  • 2 www.ginasthma.com. 
  • 3 Bateman E D, Boushey H A, Bousquet J. et al . Can guideline-defined asthma control be achieved? The Gaining Optimal Asthma Control study.  Am J Respir Crit Care Med. 2004;  170 836-844
  • 4 Powell H, Gibson P G. Initial starting dose of inhaled corticosteroids in adults with asthma: a systematic review.  Thorax. 2004;  59 1041-1045
  • 5 www.awmf.org. 
  • 6 www.cebm.net. 

Prof. Dr. med. Joachim Lorenz

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58515 Lüdenscheid

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Literatur

  • 1 Buhl R, Berdel D, Criée C P. et al . Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma.  Pneumologie. 2006;  60 139-177
  • 2 www.ginasthma.com. 
  • 3 Bateman E D, Boushey H A, Bousquet J. et al . Can guideline-defined asthma control be achieved? The Gaining Optimal Asthma Control study.  Am J Respir Crit Care Med. 2004;  170 836-844
  • 4 Powell H, Gibson P G. Initial starting dose of inhaled corticosteroids in adults with asthma: a systematic review.  Thorax. 2004;  59 1041-1045
  • 5 www.awmf.org. 
  • 6 www.cebm.net. 

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