In diesem Heft erscheint die Asthmaleitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen
Gesellschaft für Pneumologie unter Mitarbeit von Repräsentanten weiterer wissenschaftlicher
Gesellschaften der Erwachsenenmedizin und Pädiatrie, der Industrie, der medizinischen
Berufsverbände und der Patientenorganisationen [1].
Die Erarbeitung der Leitlinie war ein Prozess mit zahlreichen Schritten. Er umfasste
die Erstellung einer Erstfassung im Expertengremium, die Korrektur unter Einschluss
von Ärzten der verschiedenen Betreuungssektoren durch das Delphi-Verfahren (strukturierte
dezentrale Befragung) und die abschließende Diskussion und Verabschiedung in der Konsensuskonferenz
bei Anwesenheit aller Repräsentanten. Die Moderation übernahm ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft
Wissenschaftlich-Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF). Dies war ein mühevolles
Unterfangen, das letztlich auch erhebliche finanzielle Ressourcen verschlang.
Lohnt sich der Aufwand? Es liegen mehrere vorzügliche Leitlinien vor, darunter das
Papier der „Global Initiative for Asthma” (GINA), das zuletzt 2005 aktualisiert wurde
[2]. Dennoch sind nationale Leitlinien notwendig, da die Ressourcen für die Patientenbetreuung
international sehr unterschiedlich sind. Aus diesem Grund müssen internationale Empfehlungen
ein Mindestniveau definieren, das überall auf der Welt eine sachgerechte Betreuung
ermöglicht. In entwickelten Ländern kann dieses Niveau erheblich überschritten werden.
Im Gegensatz zu vielen Ländern ist in Deutschland die Ganzkörperplethysmographie weit
verbreitet, und ihr Beitrag in der Diagnostik und Differenzialdiagnostik von Atemwegserkrankungen
kann flächendeckend genutzt werden, z. B. in der Beurteilung der Lungenüberblähung,
die nicht immer dem Grad der Atemwegsobstruktion parallel geht. Auch die allergologische
Diagnostik und die spezifische Immuntherapie haben einen höheren Stellenwert als in
vielen anderen Ländern. Darüber hinaus ist der jeweilige Zulassungsstatus von Medikamenten
zu bedenken. Zum Beispiel ist Montelukast in Deutschland nicht zur Behandlung des
schweren Asthmas zugelassen. Diese und viele andere Besonderheiten wurden in der vorliegenden
Leitlinie berücksichtigt.
Die Konzepte der stadiengerechten Langzeittherapie des Asthma bronchiale sind in den
letzten Jahren durch zahlreiche Studien hoher Aussagekraft bereichert worden, die
die Differenzialtherapie mit antiinflammatorisch und bronchospasmolytisch wirksamen
Medikamenten zum Gegenstand haben. Sie betreffen zum Beispiel die relative und stadienabhängige
Bedeutung verschiedener „Controller”, die Rolle der antientzündlichen Therapie bei
intermittierendem Asthma, den Stellenwert von Theophyllin und die Frage der Dosiseskalation
inhalativer Steroide bei unzureichender Einstellung. Erstmals wurden in jüngster Zeit
auch Daten zum therapeutischen Gesamtkonzept vorgelegt [3]
[4]. Die vorliegende Leitlinie zeichnet sich durch eine sorgfältige und ausgewogene
Diskussion dieser aktuellen Gesichtspunkte aus. Sie mündet in klare und nachvollziehbare
Empfehlungen. Dies trifft auch auf die Therapie des akuten Asthmaanfalls und die Bewertung
neuer Medikamente zu. Wenn es gelingt, die Empfehlungen auf breiter Basis zu implementieren,
werden sich die Lebensqualität und die Prognose von Asthmapatienten in Deutschland
in den nächsten Jahren weiter verbessern.
Es handelt sich um eine Leitlinie der Stufe 2 nach der Systematik der AWMF [5]. Dieses Qualitätskonzept beinhaltet die Unterlegung der Empfehlungen mit Angaben
über ihre wissenschaftliche Evidenz und die Formalisierung der Konsensfindung durch
Steuerung des Diskussions- und Gruppenprozesses bei der Leitlinienerarbeitung zur
Ausschaltung irrationaler Einflüsse (z. B. durch Rhetorik oder Dominanz in der Gruppe).
Eine Leitlinie der Stufe 2 geht von Expertenempfehlungen aus und stellt sie in einer
formalen Konsensusfindung auf eine breitere Basis. Diesem Anspruch wird die vorliegende
Leitlinie gerecht. In der Stufe 3 werden alle Elemente der systematischen Erstellung
genutzt, die Inhalte durch Algorithmen, Entscheidungs- und Outcome-Analysen bereichert
und eine umfassende Evidenzbasierung etabliert.
Welche Aufgaben verbleiben für zukünftige Leitlinien? Die Asthmaleitlinie bedient
sich als wissenschaftlicher Plattform der bereits vorliegenden nationalen und internationalen
wissenschaftlichen Leitlinien, vor allem im Hinblick auf die verfügbare Literatur
und ihre Bewertung. Aus dem Kreis der Experten wurden zusätzlich aktuelle Publikationen
benannt und bewertet. Vielfältige Erfahrungen zeigen, dass häufig zitierte Publikationen
in einem selbst verstärkenden Prozess zu einer Drift der wissenschaftlichen Meinung
führen können, während dazu widersprüchliche Ergebnisse zunehmend einem öffentlichen
„Neclect” unterliegen. Dies kann zu einer Verzerrung der wissenschaftlichen Wahrheit
führen. Um das zu verhindern, sind Metaanalysen und „systematic reviews” entwickelt
worden. Solche Daten sehr hoher Güte liegen aber bisher leider nur für wenige Fragestellungen
vor. Die eigenständige und systematische Literaturrecherche mit unabhängiger Bewertung
ist deshalb ein sinnvolles Werkzeug in der Leitlinienentwicklung. Es hat sich auch
bewährt, Evidenzgrade von Empfehlungsgraden zu unterscheiden, da eine schwache wissenschaftliche
Evidenz oft nicht bedeutet, dass die daraus abgeleiteten Empfehlungen von untergeordneter
Bedeutung sind [6]. Eines ist sicher: Neue Erkenntnisse zum Asthmamanagement werden fast in täglicher
Folge auch in der Zukunft publiziert werden. Wir können uns daher in 3 Jahren auf
eine Aktualisierung der Leitlinie freuen.
Wir alle haben der Leitliniengruppe für die geleistete Arbeit zu danken!